Konstanz – Können Roboter das, was auch eine Altenpflegerin kann? Kann ein Roboter in Zukunft eine Pflegekraft so entlasten, dass diese sich auf wesentliche Arbeiten konzentriert? Und kann ein Roboter einem Heimbewohner das Gefühl geben, aufgehoben zu sein? Diese Fragen will der Caritasverband Konstanz beantwortet wissen und zwar gründlich: Im Rahmen eines Forschungsprojekts möchte Vorsitzender Andreas Hoffmann den ersten Pflegeroboter in einem Konstanzer Alten- und Pflegeheim einsetzen.
- .Was kann ein Roboter, der im Gesundheitswesen eingesetzt wird? Lio heißt der kleine willige Pflegemitarbeiter, der es Caritas-Vorstand Andreas Hoffmann angetan hat. Lio ist zwar nicht viel mehr als einen Meter groß, dafür aber unglaublich dienstbeflissen. Den Roboter hat die Firma F+P Personalroboter aus Zürich entwickelt und programmiert. Ein wenig zögerlich klingt Lios Stimme und es dauert, bis er eine Antwort formuliert hat, aber mit Projektleiter Jeremias Wolfensberger kann sich Lio bei der Präsentation im Marienhaus der Caritas gut verständigen. Auf die Frage, welches Wetter in Konstanz sei, antwortet Lio wahrheitsgemäß, nachdem er um Verständnis für die Verzögerung gebeten hat ("Einen Moment bitte. ich sammle kurz die Wetterdaten"): "Es herrschen ein starker Wind und Temperaturen von minus vier Grad". Und für Aktivität sorgen kann Lio allemal: Er hat den Patientenplan programmiert bekommen und der sieht vor, dass um 19.30 Uhr Gymnastik ansteht. "Wollen wir mit den Übungen beginnen?" fragt Lio mit seiner freundlichen und immer gleichermaßen tonlosen Stimme. Jeremias Wolfensberger stimmt zu und beginnt auf Anweisung die Arme zu heben und zu senken. Dann lässt sich Wolfensberger abrupt auf den Boden fallen. Lio reagiert schnell und emotionslos: "Oh nein, Sie liegen auf dem Boden. Ich rufe eine Pflegefachkraft". Die Demonstration soll verdeutlichen, dass Lio mit einem Bewohner interagieren kann, dass es für einen Bewohner möglich sein wird, mit dem Roboter in Kontakt zu treten. Zudem, und vielleicht wesentlicher, kann Lio Hilfe holen, wenn seine Sensorik erkennt, dass der Bewohner gestürzt ist.
- .Was kann ein Roboter nicht? "Was wir nicht suchen, ist Ersatz für menschliche Zuwendung, für Schwestern und Pfleger", macht Andreas Hoffmann deutlich. Die Robotik könne nur als Ergänzung der Pflegeleistung eingesetzt werden. Steuern müsse nach wie vor der menschliche Pfleger, der, wenn es gut läuft, durch die Unterstützung des Roboters mehr Zeit hat für die sozialen Aspekte der Pflege. Auch Michael Früh, Geschäftsführer der Firma F+P Robotics, betont, dass Lio bei Routinetätigkeiten entlasten und für erhöhte Sicherheit der Bewohner sorgen könne – ein empathisches Gespräch führen, das kann er mit stets unveränderter Stimmlage nicht.
- .Was hat die Caritas mit dem Projekt vor? Andreas Hoffmann plant voraus: In Konstanz ist mit dem Heim Zoffingen ein weiteres Seniorenheim geplant. Bis es gebaut sei, vergingen sicher fünf Jahre, so Hoffmann, doch er müsse sich heute bereits Gedanken machen, wie dort gearbeitet werde. So entstand seine Idee, gemeinsam mit der HTWG ein Forschungsprojekt zu beantragen und einen Pflegeassistenzroboter zwei Jahre lang testen zu können. Projektbeginn wäre wunschgemäß 2019, allerdings sucht die Caritas nach einem Sponsor, der bereit wäre die Zwischenzeit zu überbrücken. Das Projekt soll durch Gelder aus einem Bundesforschungsprogramm finanziert werden.
- .Was kostet ein Roboter? Günstig ist er nicht: F+P Personalroboter wollen Lio zu Leasingkonditionen anbieten, das kostet eine Einrichtung zwischen 2500 und 3000 Euro im Monat. Zu kaufen wäre er für etwa 60 000 Euro, sagt Michael Früh.
- .Wie sieht ein Pfleger die Innovation? Mit gewisser Skepsis unter Kollegen sei zu rechnen, berichtet Tobias Leber, der seine Ausbildung in der Pflege bald abschließt und, sollte das Projekt realisiert werden, der Ansprechpartner in Sachen künstlicher Intelligenz am Marienhaus werden soll. "Der Roboter soll den Alltag bereichern und niemanden ersetzen", erklärt Leber. Er kann sich Lio gut als Assistenten vorstellen: "Bei der Gesundheitsüberwachung kann er helfen, etwa beim Puls messen. Er sieht schnell, ob etwas abweicht. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass er mittags Kaffee und Kuchen verteilt", erläutert der Auszubildende, der außerdem angewandte Pflegewissenschaften studiert. Zur Mittagszeit sei Personal knapp, in diesem Moment könne er sich als Pfleger Zeit für einen Bewohner nehmen, statt Getränke zu verteilen. Auch den Küchenwagen könne Lio aus der Küche bringen, die Entwickler hätten betont, dass man den Roboter sehr individuell programmieren könne. Lio zu steuern sei nicht schwierig. Die Bedienung funktioniere wie eine Smartphone-App auf einem eingebauten Tablet. "Es wird Zeit, dass man in Deutschland an Robotik denkt, andere Industrienationen sind zehn Schritte voraus", ist Leber sicher, "es ist mutig, den Schritt jetzt zu gehen".
- .Welche anderen Formen der Digitalisierung können der Pflege dienlich sein? Es gibt viele digitale Anwendungen, die schrittweise in der Pflege eingesetzt werden, die unspektakulärer sind als die Robotik. Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer der Barmer Krankenkasse, nennt hierbei Alltagsassistenzsysteme, die in Wohnhäuser eingebaut werden wie etwa einen Fußboden mit einer Sensorik, die einen Sturz registriert und mit einem Notruf verbindet. Ein weiteres Beispiel ist die Telemedizin, die in Baden-Württemberg laut Bärbl Mielich, Staatssekretärin im Ministerium für Soziales und Integration (Grüne), im Rahmen der Digitalisierungsstrategie ausgebaut werden soll. Dabei erhalten Patienten eine ärztliche Erstberatung per Videotelefonie. Telemedizin soll vor allem in ländlichen Räumen eingesetzt werden, in denen die Versorgung durch Ärzte dünn ist. Vorreiter ist beispielsweise Finnland. Gemeinsam mit einem Startup-Unternehmen hat die Barmer Krankenkasse die Memorebox entwickelt, eine Spielekonsole für Senioren, die mit mehreren Spielen die Mobilisierung unterstützt und Spaß machen soll. Sie wird in zwei Seniorenheimen in Norddeutschland getestet.
Was tut die Politik?
Die Digitalisierung in Krankenhäusern sowie in der Altenpflege und bei der Betreuung Behinderter steht in Deutschland noch am Anfang, soll aber nun durch eine Strategie des Landes beschleunigt werden, so Bärbl Mielich. Die Kommunen sollen gestärkt werden, etwa in der Quartiersentwicklung. Nachbarschaftshilfe soll selbstverständlicher werden. Hoffmann kritisiert, dass die Digitalisierung gerade bei der Behindertenbetreuung zu wenig eingesetzt werde, obwohl sie sich bei jungen, technikaffinen Patienten anbiete. Eine weitere Hürde: Digitalisierung ist teuer. (cla)