Wenn Wissenschaft aus öffentlichen Geldern finanziert wird, muss dann auch das erarbeitete Wissen öffentlich und kostenlos zugänglich sein? Wer darf an Forschungsergebnissen verdienen? Wer entscheidet, wo und in welcher Form das Wissen veröffentlicht wird? Mit diesen Fragen wird sich am 26. September der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim beschäftigen, nachdem 17 Professoren und Professorinnen der Uni Konstanz eine Klage gegen eine aktuelle Satzung ihrer eigenen Hochschule eingereicht haben. Das Urteil dürfte europäische Tragweite haben und wird eine entscheidende Weichenstellung darstellen, wie und wo Hochschulwissen künftig zur Verfügung gestellt wird.

Streitpunkt ist eine Satzung mit dem Namen Open Access, zu deutsch: Freier Zugang. Diese Regelung besagt im Kern: Wissenschaftliche Fachaufsätze, geschrieben von Forschern an öffentlichen Hochschulen und Instituten, sollen öffentlich eingesehen werden können – und zwar kostenfrei. Das ist auch an vielen anderen deutschen Universitäten der Fall und soll nach den Vorstellungen der Fachminister EU-weit bis zum Jahr 2020 Standard sein. Befürworter sagen: So wird Wissen weltweit für jeden zugänglich. Kritiker befürchten: Die Freiheit der Wissenschaft ist in Gefahr, wenn die Forscher nicht mehr die Hoheit über die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse haben. Bislang konnte der einzelne Wissenschaftler selbst entscheiden, ob und wie diese publiziert werden. Auf Anfrage erklären die klagenden Konstanzer Professoren, man habe sich darauf verständigt, sich jenseits des Verfahrens erst einmal nicht öffentlich zu äußern, sondern die Entscheidung abzuwarten.

Auch die Universität blickt gespannt auf den 26. September. Pressesprecherin Julia Wandt: "Wir begrüßen sehr, dass das Thema juristisch geklärt wird." Es ist eine grundsätzliche Fragestellung, mit der sich nun ein Gericht beschäftigt: Wie gehen wir mit Wissen um, das aus öffentlichen Mitteln generiert wurde? "Wir forschen im Dienste der Gesellschaft und diese Ergebnisse sollten am Ende der Öffentlichkeit auch zugänglich sein", sagt Julia Wandt und betont: "Wir sind inhaltlich nach wie vor von unserer Open Access-Strategie überzeugt. Wenn wir denken würden, dass dadurch die Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt wäre, hätten wir die Satzung nicht erlassen.“ Viele andere Wissenschaftler nutzten die Möglichkeit der Zweitveröffentlichung ohnehin schon lange – und publizieren nach wie vor in Fachmagazinen. Die Befürchtung von Kritikern, renommierte Fachverlage könnten von einer Veröffentlichung absehen, wenn sie wissen, dass der Artikel nach einem Jahr ohnehin frei zugänglich im Internet zur Verfügung steht, teilt Julia Wandt nicht. "Ein Jahr ist in der Wissenschaft eine sehr lange Zeit. Wer am wissenschaftlichen Diskurs zu einem bestimmten Thema teilhaben möchte, will die Ergebnisse sofort haben." Vielmehr sehe sie den Vorteil darin, die unmittelbare und weltweite Sichtbarkeit von Forschungsergebnissen und wissenschaftlichen Beiträgen zu erhöhen. "Man veröffentlicht ja, um gelesen und zitiert zu werden", so Wandt.

Es dürfte spannend werden, wie die Verhandlung am 26. September in Mannheim ausgeht. Angesetzt ist zunächst einmal ein Verhandlungstag. Die Kläger können, müssen aber nicht anwesend sein. Fällt das Urteil, haben die Parteien einen Monat Zeit, einen Antrag zu stellen, den Fall vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig neu zu verhandeln, erklärt der Pressesprecher des Verwaltungsgerichtshofs. Ob die Universität Konstanz in Revision gehen würde, kann Julia Wandt noch nicht sagen. "Wir würden erst einmal die Urteilsbegründung abwarten." Unabhängig davon, wie die Verhandlung ausgeht, wolle die Uni aber Vorreiter der Open Access-Strategie bleiben.
 

Der Streitpunkt

  • Grundlage: 2003 wurde die „Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ von führenden Wissenschaftsorganisationen verabschiedet. In dem visionären Statement wird das Potenzial des Internets für die Wissenschaft skizziert. Zentrales Anliegen der Erklärung: Publikationen und Forschungsdaten sollen über das Netz kostenlos zugänglich gemacht werden.
  • Regelung an der Uni Konstanz: Die Universität Konstanz fordert ihre Wissenschaftler dazu auf, ihre wissenschaftlichen Publikationen ein Jahr nach Erstveröffentlichung auf einer Internetplattform zur Verfügung zu stellen. Betroffen sind wissenschaftliche Beiträge, die in Zeitschriften veröffentlicht werden und deren zugrunde liegende Forschungsarbeit mindestens zur Hälfte aus öffentlichen Mitteln finanziert worden ist. Monographien beziehungsweise Bücher sind davon nicht betroffen. (sap)