Die jüngste Welle der großen Bürgerbefragung könnte langfristig erhebliche politische Folgen für die Stadt Konstanz haben. Das wurde in der Gemeinderatsdebatte am Dienstagabend deutlich, als die Ergebnisse der von Universität und Stadt gemeinsam ausgerichteten Untersuchung vorgestellt wurden. Vor allem die überraschend hohe Bedeutung des Fahrrads als Verkehrsmittel werteten mehrere Stadträte als Appell, die Möglichkeiten für Radler deutlich zu verbessern. Auch Oberbürgermeister Uli Burchardt schloss sich an: Die hohen Zustimmungsquoten für Fahrradstraßen könnten die kommende Umstellung der Petershauser und Jahnstraße auf Fahrrad-Vorrang zum neuen Modell auch für andere Strecken machen.
Stephan Kühnle (Freie Grüne Liste) erklärte, die Befragungsergebnisse seien ein gutes Argument, die Fahrrad-Infrastruktur aus vergangenen Jahrzehnten für die Gegenwart und Zukunft fit zu machen. Auch Andreas Ellegast (CDU) und Matthias Schäfer (Junges Forum) forderten, der Gemeinderat solle aus den neuen Erkenntnissen Lehren ziehen. Da dürfte auch das Dauer-Streitthema Stellplätze in Wohngebieten betreffen. Gisela Kusche (FGL) betonte, 30 Prozent der Befragten hätten kein Auto, und Jan Welsch (SPD) leitete aus den vergleichsweise niedrigen Jahres-Fahrleistungen vieler Umfrageteilnehmer ein "großes Potenzial beim Carsharing" ab.
Der Soziologieprofessor Thomas Hinz, der die jährliche Bürgerbefragung seit dem Start vor zehn Jahren begleitet, nannte den Fahrrad-Anteil im Konstanzer Verkehr auch gemessen an vergleichbaren Städten sehr hoch. Während zwei Drittel der Befragten den Ausbau von Fahrradstraßen befürworteten, lehne nur ein Fünftel dies ausdrücklich ab. Obwohl die Stichprobe der Befragten sich von der Gesamtheit der Konstanzer in einigen Aspekten unterscheide (unter anderem ist der Anteil der Grünen-Wähler unter den Umfrageteilnehmern etwas höher als in der Gesamtbevölkerung) sei er sich sicher, dass die Untersuchung "ein einigermaßen verlässliches Abbild schaffen" könne: "Wir können hochwertige Daten vorlegen", versicherte er.
Hinz und ein Team aus Studenten führt die Aufgabe fort – allerdings unter etwas anderen Vorgaben. 2017 und 2018 soll es jeweils drei kleinere statt einer großen Bürgerbefragung geben. Dass dabei genügend Bürger daran mitwirken, aussagekräftige Ergebnisse zu erarbeiten, mache er sich keine Sorgen. Mit fast 1900 Teilnehmern sei die Beteiligung an der jetzt vorgestellten neunten Untersuchung so groß wie noch nie gewesen, sagte Thomas Hinz.