Das Geld klemmte hinter dem Scheibenwischer oder lag im Briefkasten: So mancher Anwohner einer Straße in Konstanz konnte sich an den Osterfeiertagen über einen 20- oder 50-Euro-Schein freuen. Wer das Geld verteilte? Bislang ist das unklar. Zeugen hatten die Polizei informiert – und die sammelte die Scheine erstmal ein. Dabei wurden die Kennzeichen der Fahrzeuge notiert, damit die Beschenkten das Geld wieder zurückbekommen können. Vorausgesetzt, sie stammen nicht aus einer Straftat. Darauf gebe es bislang keine Hinweise, sagte ein Sprecher der Polizei.
Aber warum verschenken Menschen Geld an Unbekannte? „Die Art und Weise in Konstanz ist natürlich kurios und skurril“, sagt der Politikwissenschaftler und Historiker Rupert Graf Strachwitz. Er ist Vorstandschef der Maecenata Stiftung, die unter anderem zum Thema Zivilgesellschaft forscht. „Grundsätzlich muss man aber sagen: Ein Impuls zum Schenken steckt im Menschen drin. Oft sagt man: Der Mensch geht nur seinen Interessen nach, das stimmt aber nicht – das wissen wir historisch, biologisch und kulturanthropologisch.“ Bei Tieren gebe es das Phänomen ebenfalls: „Es gibt sehr deutliche Beobachtungen, dass das auch bei den Primaten so ist, und manche Biologen behaupten, auch bei Vögeln könne man das sehen.“
Das Motiv für das Schenken müsse nicht unbedingt Altruismus sein, sagt Strachwitz. „Da verbinden sich vielleicht auch Gedanken damit, dass man selbst mal was geschenkt bekommen möchte.“ Allerdings gebe es dafür – anders als etwa beim Tauschen oder Kaufen – keine Gewissheit. „Wenn ich was kaufe, habe ich Geld und der andere eine Banane, das tauschen wir aus“, so Strachwitz. „Wenn ich dagegen etwas schenke, weiß ich nicht: Bekomme ich was zurück, was bekomme ich, von wem und wann? Schenken hat daher eine eigene Qualität.“
Das Schenken-Wollen stecke ganz tief kulturell in uns drin, sagt Strachwitz. Das müsse auch nicht immer Geld oder eine Gabe sein, es gehe auch um bürgerschaftliches Engagement – man schenke der Gesellschaft seine Zeit oder guten Ideen. „Aber wenn man es mal insgesamt sieht, ist es nicht so sonderbar, dass jemand anonym dieser Veranlagung nachgeht.“
Der Geld-Schenker in Konstanz ist auch nicht der Erste, der sich anonym großzügig zeigt: Einen ähnlichen Fall gab es kürzlich in Kaiserslautern in Rheinland-Pfalz. Ein Mann verschenkte dort Mitte März in der Innenstadt Geldscheine, indem er Passanten 50 Euro gab oder das Geld in Hecken und Gebüschen versteckte. Auch im ostwestfälischen Bünde verteilte ein Unbekannter Anfang 2016 Geld: In einem Supermarkt fanden Kunden und Angestellte Umschläge, die eine Grußkarte mit einem Bibelvers und einen 50-Euro-Schein enthielten. Ein Gastronom, dem zuvor die Scheibe eingeschlagen worden war, fand gleich vier Umschläge mit jeweils 50 Euro und einer persönlichen Botschaft.
Bei einer solchen anonymen Gabe fielen Dank, Lob und Anerkennung für den Spender weg, sagt Strachwitz. „Wobei man sich nicht täuschen darf: Die Anerkennung spielt immer wieder eine Rolle, gerade wer sich über Jahrzehnte engagiert, hört schon gerne mal ein anerkennendes Wort. Aber so bestimmend, wie manchmal getan wird, ist das nicht.“ Es gebe zunehmend – gerade auch bei jüngeren Menschen – auch Motive von innen heraus. „Selbsterfüllung, ein vollständiges Leben, innere Freude“, so Strachwitz. „Das spielt schon auch eine sehr große Rolle, da braucht von außen keiner mitwirken.“