Das Gelächter aus dem Ratssaal fand seinen Widerhall in der Stadt. Echt jetzt? Die Geschwister-Scholl-Schule steht jetzt unter Denkmalschutz? Was soll an diesem Bau mit seinen gelben Metallelementen, den Spanplatten-Wänden und fensterlosen Toiletten erhaltungswürdig sein? Das haben sich nicht nur Bürgermeister und Stadträte gefragt, sondern auch viele Bürger. Seit der überraschenden Nachricht hat sich eine in weiten Teilen unsachliche Debatte entfaltet. Da scheint es doch geboten, für einen Moment innezuhalten und zu sagen: Denk mal.
Beim Denkmalschutz geht es eben nicht um "schön"
Da wäre zunächst die Frage zu klären, ob es wirklich so lächerlich ist, die vor über 40 Jahren als Modellprojekt errichtete Geschwister-Scholl-Schule unter Schutz zu stellen. Vielleicht hilft es, sich den Sinn des Denkmalschutzes klarzumachen. Dessen Ziel ist es eben nicht, ein Gebäude zu retten, das als schön erachtet wird. Denn schön ist nicht nur eine höchst subjektive Kategorie, sondern auch eine außerordentlich veränderliche. Nach ihrer Errichtung stießen der Eiffelturm in Paris, das Bauhaus in Dessau oder der Wiederaufbau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin auf den Widerstand ihrer Zeitgenossen. Heute würde niemand diesen Gebäuden ihren Denkmalwert absprechen. Und das ist nur möglich, weil die spätere Generationen eben eine Chance hatten, sich ein eigenes, in ihrer Zeit verhaftetes Bild zu machen. Warum sollte das bei der Geschwister-Scholl-Schule, geplant und hochwertig ausgestattet als Antwort auf die Reformen der späten 1960er-Jahre mit dem Anspruch einer hochwertigen Schulausbildung für alle, anders sein?
Eine Schule entdeckt ihren Stolz – und das ist gut
Dass das Landesdenkmalamt vielleicht doch nicht so falsch liegt, wie manche glauben, zeigt sich auch an Entwicklungen innerhalb der Schule. Schon jetzt macht sich dort Stolz bemerkbar, in einem Haus zu lernen, der amtlich als Teil der Baukultur eingestuft ist. Natürlich wird dieser Stolz dadurch getrübt, dass die Stadtverwaltung und der Gemeinderat gleichermaßen das Gebäude sträflich vernachlässigt haben. Aber Wasserschäden und verlotterte Außenanlagen haben mit der Bedeutung des Gebäudes an sich nichts zu tun. Im Gegenteil: Jetzt besteht die Chance zur Inwertsetzung eines öffentlichen Guts.
Ein Skandal im Bauamt sieht anders aus
Wer auch immer die Denkmalbehörde auf den Plan gerufen hat, könnte sich am Ende also durchaus verdient gemacht haben. Natürlich ist es richtig, zunächst einmal zu prüfen, ob der Abriss eines Gebäudes überhaupt möglich ist, bevor aus Steuermitteln Unsummen die Planung eines Neubaus investiert werden. Man stelle sich vor, die Stadtverwaltung hätte das übersehen und dann nach Jahren voller vergeblicher Arbeit den Bescheid vom Landesdenkmalamt erhalten: Das wäre jener Skandal gewesen, den manche in diesen Tagen gesehen haben.
Wie Burchardt und Osner die Schule lächerlich machten
Dass die Debatte diese Wendung genommen hat, haben Schulbürgermeister Andreas Osner und Oberbürgermeister Uli Burchardt selbst heraufbeschworen. Sie waren es, die die Geschwister-Scholl-Schule vor dem gesamten Gemeinderat ohne Not der Lächerlichkeit preisgegeben haben. Burchardt war es, der dem Landesdenkmalamt über Twitter eine "erstaunliche Entscheidung aus dem Elfenbeinturm" vorwarf und das dann gleich auch noch an die Landesregierung richtete. Und Andreas Osner war es, der den Schutz für das Gebäude gegen die dort Lehrenden und Lernenden kehrte.
Wie eine Debatte zum Lehrstück wurde
Was bleibt, ist ein Scherbenhaufen. Zwei Drittel der Rathausspitze und Landesdenkmalamt werden erst wieder lernen müssen, sich gegenseitig als Partner wahrzunehmen. Die Schule steht vor der schwierigen Aufgabe, neues Vertrauen in ihren eigenen Träger zu setzen. Die Öffentlichkeit muss die Lektion verdauen, dass sachgerechte Entscheidungen weder im Elfenbeinturm noch am Stammtisch zustande kommen. Ein Lehrstück also: Die Schule mag nun ein Denkmal sein, die Debatte hat sich bereits zum Mahnmal entwickelt.
joerg-peter.rau@suedkurier.de