Das war ein ganz großer Einstieg in die zweite Spielzeit des Konstanzer Musikfestivals im fast ausverkauften Festsaal des Inselhotels: Der Organisator und Pianist Peter Vogel aus Lindau serviert vier inhaltlich ganz unterschiedliche Konzerte, die geeint werden durch die Idee, an den einst weltbekannten Geiger Yehudi Menuhin zu erinnern, der jetzt hundert Jahre alt würde. Im ersten Konzert präsentierte Peter Vogel gleich zwei renommierte Geigenvirtuosen im kongenialen Zusammenklang eines europaweit aus elf Ländern zusammengereisten Studentenorchesters; dieses hatte hoch oben auf der Arlberg-Passhöhe das barocke und moderne Programm erarbeitet und hiermit ein spektakuläres Ergebnis erzielt: Valeriy Sokolov und Nikita Boriso-Glebsky gaben atemberaubende Soloparts auf barocken Stradivari- und Goffriller-Violinen. Sokolov hatte die Einstudierung übernommen, und heraus kam ein unglaublich homogener Streicherklang, ein Zusammenhalt, der weit über Präzision hinausging: Da war gestalterische Einheit, entwickelten sich die Tempi absolut gleichgängig, war dynamische Einheitlichkeit und ein exquisiter Spielklang vom feinst ziselierten Pianissimo bis zur Fortissimo-Spielwut erreicht worden.
Barock ging es um zwei durchaus gegen-polige Werke: Johann Sebastian Bachs Doppelkonzert d-Moll für zwei Violinen und Antonio Vivaldis "Vier Jahreszeiten": Hier die mitteldeutsche konzertante Kontrapunktik und Mehrschichtigkeit der Verzahnung von Duett und Tutti – dort die sonnenhelle Melodik und Theatralik Italiens. Aber Beides erklang so lichthell, so samtweich, so elegant, so affektreich oder auch aggressiv, dass die musikalische Sonne Italiens auch voll in Bach hinein zu leuchten schien (nicht umsonst hatte Bach einige Vivaldi-Konzerte bewundernd für Orgel umgeschrieben). Da war nicht gelehrt worden, wie historischer Klang zu sein hat; da war jugendliche Verve mit gereifter Technik in der Hinterhand.
Durchaus historisch war das Dirigat des Orchesters durch die Solisten und das stehende Orchester in kleiner Besetzung von acht Violinen, drei Bratschen, zwei Celli, einem Kontrabass und Cembalo.
Vivaldis "Vier Jahreszeiten" kämen auch ohne die Angaben des damals innovativen Programms von natur- und Brauchtumsschilderungen aus: Die vier selbstständigen, je dreisätzigen Konzerte für Violine und Streicher sind Kleinode ihrer Gattung, durch die die beiden Solisten sich und die Studenten abwechselnd mit aller Brillanz führten.
Yehudi Menuhin hatte dem englischen Komonisten Malcolm Arnold 1962 den Auftrag zum Doppelkonzert d-Moll erteilt. Hier war es zu hören in seiner Anlage erweiterter (dissonanzenreicher) konventioneller Harmonik, schnell wechselnder Stimmungen leidender Chromatik und resoluter Heiterkeit; entbehrte auch nicht kontrapunktischer Verarbeitung eines von Sexten geprägten Themas, bezog seine Gesamtwirkung aber aus den Spannungsbögen bis hin zum exzessiv virtuosen Finale.
Zum Konzertschluss brandete heftiger Zustimmungsbeifall mit Bravo-Rufen zu Idee und Ausführung auf. Dass die Zugabe dann aus zwei weiteren kompletten Vivaldi-Violinkonzerten bestand und zu einem veitablen dritten Konzertteil wurde, kann als großes Geschenk der engagierten Musiker an das Publikum und die Stadt Konstanz gewertet werden.