Ich habe mein ganzes Leben lang genug gekocht und Geschirr gespült. Als die Kinder aus dem Haus waren, wollte ich etwas Sinnvolles tun. Nur Viertele zu trinken, war nicht mein Ding, denn mein Hirn braucht ständig neue Nahrung. Wenn ich stricke, halte ich danach etwas in der Hand, das nicht vergänglich ist. Und ich finde es auch unglaublich sinnlich, wenn ich Blüten oder Blätter mit Garn erschaffe. In dieser Zeit habe ich keine andere Sorge als die, meine Runden bei einer Tischdecke fehlerlos zu vollenden. In allen anderen Lebensbereichen bin ich geneigt zu mogeln, aber nicht beim Stricken.
Seit einigen Jahren hat die junge Generation das Stricken wiederentdeckt. Wie kam es in der digitalisierten Welt zu dieser Rückbesinnung auf alte Techniken?
Die Leute merken, dass sie sich selbst gar nicht mehr bremsen können. Sie brauchen einen Halt. Ich möchte mein Wissen deshalb an den Nachwuchs weitergeben und biete im Winter wieder einen Kurs im Fährebistro an. Die Teilnehmer lernen dort nicht, wie man Pullover oder Socken strickt, denn dieses Wissen lebt ja. Ich möchte nur dem Kunststricken zu neuem Interesse verhelfen. Ich fände es toll, wenn jede Frau in ihrem Leben eine Tischdecke herstellen würde. Und wenn sie dafür fünf Jahre braucht, macht das doch nichts.
Wer kann an Ihrem Kurs teilnehmen?
Jeder, der Lust hat. Aber Achtung: Das wird keine Quasselrunde, sondern wir konzentrieren uns auf die Arbeit, denn das Kunststricken ist nicht ganz einfach. Natürlich unterhalten wir uns bei einem Kaffee auch mal, aber hauptsächlich möchte ich die Techniken vermitteln. Wir orientieren uns an Strickmustern, die ich gesammelt habe.
Können Sie ohne Anleitung stricken?
Früher war ich darin sehr begabt. Ich habe mir ein Baumwollkleid auf den Leib gestrickt, das war toll. Heute halte ich mich an die Anleitungen. Ich liebe vor allem die Kurven in den Mustern. Bei jeder Runde entsteht Neues, ein Kreis schließt sich. Sie glauben gar nicht, wie viel Liebe Sie in eine Tischdecke hineinstricken können. Diese Liebe kommt beim Betrachten wieder heraus.
Sie stellen bald einige Ihrer Arbeiten an der Staader Lände aus. Was erwartet die Besucher?
Ich zeige einige Tischdecken, aber auch Stolas, Scheibengardinen, das Baumwollkleid und Jäckchen. Vor 35 Jahren habe ich im Bürgersaal schon einmal eine Ausstellung gemacht, daran möchte ich nun anknüpfen. Wissen Sie, eigentlich ist das meine Art, den 80. Geburtstag zu feiern. Ich war nie besonders nachdenklich, was das Alter angeht. Aber nun werde ich etwas nervös und habe Respekt vor der Vorstellung, nicht mehr so viel Zeit vor mir zu haben. Wenn ich schon feiern soll, wie meine Kinder finden, dann möchte ich etwas Sinnvolles tun. So habe ich die Ausstellung organisiert, die kurz vor meinem 80. Geburtstag stattfindet. (Brigitte Schatz nimmt ein Garn und fängt an zu stricken.)
(lacht) Stimmt. Ich stricke auch vor dem Fernseher, sonst ist mir das zu langweilig. Ich möchte keine Lebenszeit sinnlos vergeuden.
Verkaufen Sie auch Ihre Werke?
Wenn jemand Interesse hat, verkaufe ich Jäckchen und Stolas. Die Tischdecken sind Teil meiner Erbmasse. Die Strickkurse gebe ich übrigens gratis, aber ich stelle ein Spendenkässle auf und würde mich über eine Gabe für die historische Fähre Konstanz freuen. Ich bin im Verein Rettet die Meersburg ex Konstanz und möchte auf diese Weise dazu beitragen, dass die Fähre instandgehalten werden kann.
Sie engagieren sich schon lange für andere Menschen. Woher kommt Ihre Selbstlosigkeit?
Ich liebe die Menschen. Und wenn sie mich nicht lieben, ist das noch lange kein Grund, sie nicht trotzdem zu lieben. Ich möchte Mut machen. Vielen reichen Leuten habe ich angemerkt, dass sie nicht glücklich sind. Auch ich brauche kein Geld für mein Seelenheil, sondern ich suche die innere Befriedigung. Die finde ich, wenn ich anderen helfen kann. Und beim Malen oder Stricken, denn die Kunst weckt Gefühle. Ich hatte selbst schon mit gesundheitlichen Rückschlägen zu kämpfen, aber in ein Loch gefallen bin ich trotzdem nicht. Den Sinn des Lebens suche ich im Hier und Jetzt.
Zur Person
Brigitte Schatz, 79 Jahre, stammt aus der Steiermark (Österreich), wohnt aber seit 59 Jahren in Staad. Nach Konstanz kam sie wegen einer Stelle als Bäckereiverkäuferin, heiratete bald und bekam drei Kinder. Sie hat auch drei Enkel. Brigitte Schatz gründete einen Kinderfanfarenzug, setzte sich für Obdachlose ein und leitete eine Selbsthilfegruppe für Krebserkrankte. Sie erhielt das Bundesverdienstkreuz. Ihre Strick-Ausstellung ist am Di und Mi, 16. und 17. August, je ab 14 Uhr, im historischen Ländebau am Fähranleger zu sehen. (kis)