Auffallend schicke Badeanzüge haben diese Schwimmerinnen an. An sich ist das ja nichts Besonderes. Wenn die Badesaison beginnt, wird das Bodenseeufer immer auch ein wenig zum Laufsteg – zur Freude der einen und zum Leidwesen der anderen Badegäste. Aber was Naomi, Kate oder Carmen da an den Leibern tragen, damit können weder in Konstanz, noch anderswo viele Menschen mithalten.
Denn die Haute-Couture-Fische auf den riesigen Fotos, die für einige Wochen das Rheinstrandbad schmücken sollen, tragen Stoffe, deren laufender Meter mehrere tausend Euro kostet. Sie kommen von der Sankt Galler Textilfirma Jacob Schlaepfer, die normalerweise Nobelmarken wie Louis Vuitton oder Dior beliefert. Nur der Fisch Feinripp fällt da deutlich aus dem Rahmen: Mehr als ein farbloses Unterhemd scheint er sich zum Sonnenbaden nicht leisten zu können.
Bis Mitte Mai wird die Installation "Oben Schwimmen" des Konstanzer Künstlers Markus Brenner, Ergebnis einer Kooperation des Kulturbüros der Stadt Konstanz und der Bädergesellschaft Konstanz (BGK), zu sehen sein. Die acht Meter breiten und drei Meter hohen Leinwände hängen zwischen den Dalben, die den Schwimmerbereich vom offenen Gewässer abgrenzen – also beinahe mitten auf dem Fluss. Ein besonderer Kniff ist, das sie doppelseitig sind. Nicht nur Besucher des Rheinstrandbades können sich dadurch an ihnen erfreuen, sondern auch Bootsfahrer auf dem Seerhein und Passanten auf der Fahrradbrücke oder dem gegenüberliegenden Ufer. Mit dieser Ausstellung möchten die Veranstalter möglichst viele Menschen erreichen. "Wir möchten ganz bewusst den Stadtraum als Bühne benutzen, um neue Denkansätze anzustoßen", sagte Kulturbüroleiterin Sarah Müssig bei der Vernissage vor mehr als 100 Besuchern.
Gleichzeitig möchte die Bädergesellschaft mit Brenners Installation eine Tradition fortführen. "Kunst in den Konstanzer Bädern hat es immer gegeben", sagte BGK-Geschäftsführer Robert Grammelspacher. Er verwies auf Majolika-Arbeiten und Sgraffito-Bilder (eine Art Ritztechnik) am Gebäude des Rheinstrandbades und Hallenbades am Seerhein von 1937, sowie auf Kunst am Bau an dem modernen Glasgebäude der Bodenseetherme. Dort gibt es Glaskunst an der Fassade, wo Künstler Willi Siber Worte wie "Emotion" und "Sinne" platziert hat. Auch Markus Brenner ist hier vertreten: Mit einem Lichtbrunnen am Fuße der Wendeltreppe der jedem bekannt sein dürfte, der jemals den Innenbereich der Therme besucht hat.
Lichtinstallationen, Videoprojekte, Fotografien – der Künstler Markus Brenner ist vielseitig und für seine Arbeiten sowohl in Konstanz als auch international gut bekannt. Fotos von fein bekleideten Forellen sind seit Jahren sein Markenzeichen. Sie sind immer ein Blickfang, denn ein Fisch im Badeanzug ist witzig und absurd. Die Fotos sollen aber nicht nur auffallen, sondern auch zum Nachdenken anregen. "Ich wünsche mir eine doppelte Lesart", so Brenner. "Zu allererst machen sie Spaß. Aber bei näherer Betrachtung fängt man an, sich Fragen zu stellen." Als Beispiel nennt er den krassen Kontrast zwischen Fisch Feinripp und den teuer gekleideten Fischen in der Installation "Oben Schwimmen". "Konstanz entwickelt sich ja immer mehr in Richtung High Society", so Brenner. "Da stellt sich die Frage, ob Feinripp hier noch eine bezahlbare Wohnung findet."
Beim Konstanzer Publikum kommt das Projekt gut an. "Ich habe bereits mehrere Ausstellungen von Markus Brenner gesehen und bin wieder begeistert", sagte Besucherin Birgit Wannenmacher bei der Vernissage. "Die Fische sind einfach eine geniale Idee."
Ganz besondere Forellen
- Der Künstler: Markus Brenner wurde 1963 in Friedrichshafen geboren. Er studierte Geschichte, Literatur, Kunst und Medienwissenschaft an der Uni Konstanz und ist seit 1989 künstlerisch tätig. Mit seinen Lichtinstallationen, Videoprojekten und Fotografien ist er sowohl in der Region als auch weltweit in zahlreichen Ausstellungen in Erscheinung getreten. Brenner lebt und arbeitet in Konstanz. Dauerhaft zu sehen sind von ihm in Konstanz die Fotografie "Fische im Amt" aus der Reihe "Fische im Badeanzug" vor dem Großen Sitzungssaal im Landratsamt Konstanz, sowie das Lichtspiel "Licht – frisch geschnitten" am Lift im Einkaufszentrum Lago.
- Die Fische: Forellen in Badeanzügen fotografiert Markus Brenner seit 2002. Damals suchte er nach einem Thema für eine Ausstellung im Kunstraum Kreuzlingen. Seitdem hat er unzählige Fische in Badekleidung fotografiert. Die Arbeiten sind in Sammlungen weltweit vertreten. Die Idee hinter dem ulkigen Motiv: Forellen werden als Indikatoren für sauberes Trinkwasser genutzt. In Chlorwasser verenden sie in wenigen Minuten. Für Brenner sind seine Fischmodels daher Seismographen für gesellschaftliches Überleben. Die Fische, die Brenner fotografiert stammen alle von der Fischerei Riebel auf der Reichenau.
- Die Schneiderin: Die Badeanzüge für Brenners Fischmodels näht die ausgebildete Schnittdirektrice Désirée Schanuel aus Konstanz. Etwa 100 hat sie bereits angefertigt. "Es war ein weiter Weg bis hierher", sagt sie in Bezug auf die Stücke, die sie für das Projekt "Oben Schwimmen" nähte. Zu Beginn schneiderte sie Badeanzüge von Luxusmarken um, inzwischen hat sie Routine. (jru)