Charlie Chaplins Werke faszinieren auch 100 Jahre nach ihrer Produktion noch. Netflix und Amazon Prime mögen für den täglichen Film- und Fernsehersatzkonsum taugen. Das reicht aber auch dem Zeitgenossen im 21. Jahrhundert nicht immer, zumal an Tagen, an denen er etwas Besonderes erleben will. Anfang des 20. Jahrhunderts, zu Chaplins Zeiten, ging man dafür ins Kino – und ließ sich von Chaplins Figuren berühren und verzaubern.

Stummfilme als Kunst ganz eigener Art

Heute kann man für ein Filmerlebnis auch in die Kirche gehen. Seit fünf Jahren findet jeweils am letzten Sommerferienwochenende die Orgelkinonacht in der Gebhardskirche statt. Wolfgang Müller-Fehrenbach war der Ideengeber zu dem Ereignis: Als es darum ging, die Orgel an der Petershauser Kirche einzuweihen, sprach er den Stuttgarter Organisten Johannes Mayr an, der regelmäßig zu Stummfilmen improvisiert. Mayr sagte damals zu – und kommt seither jedes Jahr nach Konstanz. „Das Angebot füllt eine Lücke“, sagt Müller-Fehrenbach, „der Stummfilm bildet mit seiner Begleitmusik eine ganz eigene Kultur“, er schaffe die Verbindung zwischen der damals neuen Kino- und Filmkunst und der klassischen Musik beziehungsweise der Kunst der Improvisation.

Wolfgang Müller-Fehrenbach, Kantor Martin Weber und Max Heermann vom Zebra Kino weisen auf das Orgelkino am 8. September hin. An der ...
Wolfgang Müller-Fehrenbach, Kantor Martin Weber und Max Heermann vom Zebra Kino weisen auf das Orgelkino am 8. September hin. An der Orgel der gebhardskirche spielt dann Johannes Mayr. | Bild: Wagner, Claudia

Chaplin-Filme zu zeigen scheitert oft an den Rechten

Die Aufgabe, die Filme auszuwählen, ist dabei schwieriger als es auf den ersten Blick scheint. Es ist nämlich nicht möglich, einfach den „Großen Diktator“ zu zeigen. Die Filmrechte seiner Filme aus den 20ern hat Chaplin streng schützen lassen, für Veranstalter sind sie extrem teuer – und strikt an festgelegte Werke gebunden, die bei ihrer Vorführung gespielt werden. Die früheren Filme, die 1916 und 1917 entstanden, sind hingegen frei in der musikalischen Begleitung, was die Voraussetzung dafür ist, dass man zu den Filmen improvisieren kann. Die Rechte hält die Gesellschaft Mutual Films, Wolfgang Müller-Fehrenbach ist es gelungen, die Aufführungsrechte über eine Pariser Firma zu erlangen.

Bei den Filmen kann Johannes Mayr seine Stärke ausspielen, „die in der Improvisation liegt“, wie Müller-Fehrenbach betont, „über den Spiegel an der Orgel sieht er den Film und spielt dazu.“ Die vor fünf Jahren geweihte Orgel der Gebhardskirche bietet dem Musiker die nötigen Voraussetzungen. „Sie ist eben fast grenzenlos in ihren Klangfarben“, sagt Martin Weber, Kirchenmusiker der Seelsorgeeinheit Konstanz-Petershausen, „alles, was ihm einfällt, kann er hier umsetzen.“ Dazu passt, wenn auch zufällig, dass das Gebäude der Gebhardskirche aus dem Jahr 1930 stammt.

Die drei Filme dürften für kurzweilige Unterhaltung sorgen, sie sind dem Publikum weniger bekannt als die späteren Langfilme Chaplins. In „The pawn shop“ geht es um einen tollpatschigen Ladenassistenten im Pfandleihhaus, „One A.M.“ karikiert einen Betrunkenen, der nach Hause kommt, seinen Schlüssel vergessen hat und versucht, durchs Fenster in seine Wohnung zu kommen, berichtet Max Heermann, Vorstandsmitglied beim Zebra Kino Konstanz.

Mal wieder stolpert einer übers Tigerfell

Eine Szene, in der der Protagonist über ein Tigerfell stolpert, erinnert sehr an die heute bekanntere Produktion „Dinner for one“. In „The Immigrant“ stellt Chaplin die Figur des namenlosen Immigranten ins Zentrum, der mit dem Schiff in die USA auswandert und sich mit Witz und Geschick durch die Neue Welt mogelt.

Die Veranstalter erwarten aus der Erfahrung heraus eine volle Gebhardskirche, bis zu 700 Besucher kommen in der Regel. Für die Kirchenmusik der Seelsorgeeinheit Petershausen und das Zebra Kino stellt die Veranstaltung einen Auftakt dar. Das Zebra Kino beginnt nach der Sommerpause eine neue Saison und in der Gebhardkirche ist die Orgelkinonacht das erste von vier Orgelkonzerten im Orgelherbst.