Voller Tatendrang und Neugier laufen die elf Mädchen und Jungen des Kinderhauses St. Nikolaus Dingelsdorf mit Erzieherin und Naturpädagogin Barbara Schell ins Oberdorfer Naturparadies von Herbert Gieß. Heute folgt die nächste Lektion in Sachen Bienen und Blumen. Die Kinder können es kaum erwarten Neues zu entdecken, zu erfahren und zu erleben, denn der anerkannte Steinzeit-Experte Herbert Gieß hat längst seine Liebe zur Imkerei entdeckt. Er verfügt über 40 Bienenvölker und hat interessierten Imkernachwuchs aus dem Kinderhaus St. Nikolaus zu einem Großprojekt eingeladen: Gemeinsam erleben sie ein ganzes Bienenjahr und treffen sich einmal in der Woche einen ganzen Vormittag lang. Warum Gieß gerade dieses Kinderhaus für das Pilotprojekt wählte, liegt nicht nur in der geografischen Lage begründet, sondern: "Der Rote gehört mir. Der Oberdorfer Honigschlecker", schmunzelt Gieß und deutet auf seinen vierjährigen Sohn Erik.
"Ich schlecke gerne Honig, weil er lecker schmeckt, gesund ist und gegen Halsweh hilft", sagt Erik sofort. Seine zehn Kinderhauskameraden bekennen sich freimütig ebenfalls zur Honigschlecker-Gilde und zu Bienen-Fans, denn von den fleißigen Insekten sind sie begeistert. Jedes Kind hat seinen eigenen Bienenkasten bemalt, Wachsplatten in Rähmchen gelötet und die Bienenwohnung komfortabel hergerichtet. Schon längst sind die elf Bienenvölker eingezogen und Carla jubelte alsbald: "Hurra! Ich hab eine Königin." Die Kinder haben sie sofort erkannt, denn "sie hat einen roten Punkt auf dem Rücken", erläutert Mathis. "Und einen dicken Popo", ergänzt Yiaxuan. Carlas Königin ist ein ganz besonderes Exemplar. "Eine ganz freche, wilde Henne", kommentiert Herbert Gieß und erläutert: "Sie ist stark und hat unheimlich viel Brut angesetzt. Den Bienenkasten musste ich schon erweitern."
Innerhalb kurzer Zeit haben die Kinder ihr Wissen beträchtlich vergrößert. "Die Arbeiterinnen haben einen Stachel", sagt Leon, und sie sammeln den Nektar. Drohnen hingegen haben keinen Stachel. "Mit denen kann man eine Stunde spielen", stellt Erik fest. Spielen? "Man nimmt sie ganz vorsichtig in die Hand, aber darf ja nicht drücken", so der junge Fachmann. Angst vor den Bienen haben sie nicht, denn wenn man sich langsam und mit Bedacht bewegt, dann passiert nichts. "Die Bienen haben eher Angst vor uns", sagt Leon. Außerdem tragen alle Kinder, wenn sie zu den Bienenkästen gehen, einen Imkeranzug mit Schleierhut.
Die erste Ernte haben sie auch schon eingefahren. Um an die begehrten Honigwaben zu gelangen, braucht man einen Smoker, ein Gerät, das Rauch erzeugt, erläutert Erik. Da Bienen keinen Rauch mögen, fliegen sie weg und man gelangt ungestraft an die Waben. Die Wachsdeckel werden entfernt und der Honig geschleudert, so Ludwig, der erklärt: "Die Honigschleuder ist eine Maschine und die hat sowas wie einen Wasserhahn dran, aus dem der Honig läuft." Natürlich haben alle sofort probiert. "Njamnjam", stellt Carla fest.
Honig schmeckt und ist gesund. "500 Inhaltsstoffe, manche in geringen Konzentrationen, aber alle wirken auf den menschlichen Körper", skizziert Herbert Gieß. Früher wie heute wird Honig als Medizin verwendet. "Wer ist nicht mit Honig und warmer Milch groß geworden", meint Gieß und erzählt: "Erik hatte dieses Jahr einen so heftigen Husten, dass ich auch nicht mehr weiterwusste. Drei große Esslöffel Honig habe ich ihm gegeben und er hat dann ruhig schlafen können." Propolis ist als natürliches Antibiotikum in vielen Hausapotheken zu finden. "Propolis ist Kittharz, mit denen die Bienen den Stock gegen Viren und Bakterien abdichten", erklärt Gieß.
Das wissen die Kinder längst. Sie kennen den Unterschied zwischen Hummeln, Wespen, aber auch die Feinde der Bienen: Hornissen und Spinnen. Erzieherin Barbara Schell verrät: "Neulich sind wir auf einem Ausflug ganz nassen Bienen begegnet und die Kinder haben gleich gesagt: Die müssen wir retten; das sind Bienen von Herrn Gieß." Nicht nur die Liebe zu den in vielerlei Hinsicht nützlichen und wertvollen Bienen haben die Kinder entwickelt und ihr Wissen erweitert. Vielmehr sind sie neugierig, wie es weitergeht, denn das Bienenjahr ist längst nicht zu Ende.
Das Projekt
Ein Bienenjahr lang begleitet das Kinderhaus St. Nikolaus gemeinsam mit Imker Herbert Gieß die fleißigen Insekten. Dabei handelt es sich um ein aufwändiges Pilotprojekt, welches Gieß ehrenamtlich organisiert. Eventuell wird er noch ein ähnliches Projekt in Kooperation mit der Dingelsdorfer Grundschule angehen.