Es ist ein einziger kleiner Stichpunkt in einem 33 Seiten starken Papier, in dem viel Sprengkraft liegt. Das Papier, das ist ein Gutachten zur künftigen touristischen Entwicklung der Stadt. Und der Stichpunkt unter der Überschrift "Herausforderungen" lautet: "Rückläufige Akzeptanz des Tourismus bei der Bevölkerung, fehlendes Wir-Gefühl". So deutlich liest man das nicht häufig, und viele Konstanzer würden wohl zustimmen, wenn an der Stelle von "Tourismus" auch die Begriffe "Investitionen", "Städtebau" oder womöglich gar "Kommunalpolitik" stünden. Was ist da los? Warum hört man immer häufiger, dass sich Bürger in der eigenen Stadt fremd fühlen? Wie kommt es dazu, dass Interessen immer machtvoller vertreten werden und zugleich das Gefühl von Ohnmacht besteht?
Jeder Wandel macht Angst, nicht nur in Konstanz
Der Zwiespalt lässt sich zu einem guten Teil aus externen Faktoren und Entwicklungen herleiten. Niedrige Zinsen treiben die Immobilienpreise in die Höhe, das Kaufkraftgefälle macht Konstanz für Kunden aus der Schweiz weiterhin attraktiv, Touristen setzen verstärkt auf Ziele im Inland. Und dann ist es wohl jedem Veränderungsprozess – und Konstanz steckt mitten in einem – eingeschrieben, dass er Verunsicherung erzeugt. Zu erleben ist das in Familien, an Arbeitsplätzen, in Gemeinwesen. Die Verhandlung um das zu Bewahrende und das zu Verändernde kostet Kraft und ist nicht selten von starken Emotionen begleitet. So weit, so richtig, so unausweichlich.
Alarmsignal: Bürger schätzen ihren Einfluss als nur gering ein
Es gibt aber auch Antworten innerhalb der Stadt. Noch immer leben die Menschen in aller Regel gerne hier, und der beständige Zuzug kündet von einer hohen Attraktivität des Standorts. Allerdings zeigt die jüngste Konstanzer Bürgerbefragung auch: Viele Bürger glauben nicht, dass es wirklich etwas bringt, wenn sie sich beteiligen. Nur 21 Prozent der Befragten schätzen den Einfluss von Bürgerbeteiligung als hoch oder sehr hoch ein. Alle anderen haben demnach mehr oder weniger ausprägt die Haltung, dass die im Rathaus doch sowieso machen, was sie wollen. Damit ist nicht gesagt, dass das stimmt (tatsächlich bietet die Stadt viele Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten), aber von Euphorie künden die Werte nun wirklich nicht.
In Sachen Bürgerbeteiligung könnte der Hafner zum Modellfall werden
Es ist also Zeit, über neue Modelle der Beteiligung nachzudenken. Die Voraussetzungen dafür sind ziemlich gut, denn die Bürgerbefragung zeigt auch, das generelles Interesse und Bereitschaft da sind – vor allem, wenn es um Themen im direkten eigenen Umfeld geht. Ein großer und in vieler Hinsicht innovativer Feldversuch hat mit der Einbindung der Öffentlichkeit bei der Entwicklung des völlig neuen Stadtteils am Hafner gerade begonnen. Es wäre schön, wenn er Wir-Gefühl erzeugte.