Es ist noch keine drei Jahre her, da standen Bürger und Politiker auf einer idyllischen Wiese und einem Spielplatz in der Ortsmitte von Egg und stritten erbittert. Darüber, ob die Wiese, die der Stadt gehört, in Teilen mit einer Anschlussunterkunft für Flüchtlinge bebaut werden soll. Heute steht diese Anschlussunterkunft am Ortsrand von Egg. Und noch steht auch weiterhin ein Bebauungsplan für Teile dieser Wiese. Ein Bebauungsplan, den Gemeinderat wie auch Oberbürgermeister Uli Burchardt mit Blick auf das Handlungsprogramm Wohnen weiterverfolgen wollten. In Egg werde ja keineswegs, so Burchardt damals, das letzte Fleckchen Grün zugebaut. Zumal dieses Grundstück von Anfang an für einen Kindergarten vorgesehen gewesen sei. Das war 2015. Nun ist 2018, in zwei Jahren ist OB-Wahl in Konstanz und im Raum steht nicht nur ein Bebauunggsplan, sondern auch diese Aussage von OB Uli Burchardt: "Aus heutiger Sicht würde ich die Egger Wiese nicht mehr bebauen. Schon gar nicht mit Wohnungen."
Bürger sollen nun selbst ein Konzept erarbeiten und vorlegen
Am Ende hat da auch der Gemeinderat ein Wort mitzureden – aber für die Bürgergemeinschaft Egg ist das eine entscheidende Aussage beim Termin mit rund 50 Eggern und dem OB vor Ort.

Die Bürgergemeinschaft, die sich 2015 gründete, hatte sich von Anfang an gegen eine Wohnbebauung der Egger Ortsmitte ausgesprochen. Nun soll sie nach den Vorstellungen von Uli Burchardt ein Konzept erarbeiten, wie sie sich die Gestaltung dort vorstellt. "Am Ende muss man natürlich immer über Geld und Baurecht reden. Aber wir unterstützen Sie in dem, was Sie wollen", so Burchardt. Beim Thema Wohnungsbau setze er auf die Erweiterung Egg-Ost. Auch dieses Gebiet steht bereits im Handlungsprogramm Wohnen, ist aber nicht in städtischer Hand. Mit den Eigentümern, so Burchardt, sei man noch in Verhandlungen. Denn das Thema Wohnungsbau sei nach wie vor ein Schlüsselthema – nicht nur in Egg.
So nutzte der OB den Termin vor Ort, um seine politische und persönliche Sicht auf Konstanz zu erklären. "Wir gehören glücklicherweise zu den Städten, die wachsen", sagte er mit Blick auf den Wachstumsschmerz, den so mancher Konstanzer empfindet. "Lieber eine zu volle Innenstadt als eine leere Innenstadt". Burchardt wisse aber auch: "Wenn es eng wird, gehen zuerst die, die es sich nicht mehr leisten können, hier zu wohnen. Menschen, die wir brauchen in dieser Stadt."
Falschparker und rücksichtlose Fahrradfahrer ein Problem
Auch beim Thema Verkehr zeigt sich in Egg im Kleinen, was für viele im Rest der Stadt ebenfalls ein Problem ist: "Die vielen Falschparker", warf eine Bürgerin ein. "Rücksichtlose Fahrradfahrer", ergänzte ein anderer. Woraufhin Burchardt entgegnete, dass es auf allen Seiten ein Rücksichtsproblem gebe: Zwischen Auto- und Fahrradfahrern sowie zwischen Fahrradfahrern und Fußgängern. Er sieht eine Lösung darin, die Fahrradinfrastruktur in der Stadt auszubauen.
Ein Verkehrsthema in Egg ist unter anderem die Zufahrt zum Ortsteil. Bislang gibt es nur eine Straße, die am Ende auch zum Unisport-Gelände führt. Die Bürgergemeinschaft wünscht sich deshalb den Bau einer zweiten Zufahrt von der Landesstraße. Auch mit Blick auf die zweite Turnhalle, die die Universität in Egg bauen will und diverse Sportgroßveranstaltungen. "Wir werden uns das gerne nochmal anschauen", antwortete Burchardt – verwies aber auf den Protest der Naturschutzverbände, den er erwarte. Zuletzt hatte Burchardt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Konstanz Gegenwind für eines seiner wichtigsten Bauvorhaben, dem Hafner, bekommen.
Auch die Buspreise beschäftigt die Bürgergemeinschaft. Sie wünscht sich nicht nur eine bessere Taktung, vor allem in den Abendstunden. Sondern auch einen Kurstreckentarif, wie er aktuell in der Diskussion ist. "2,45 Euro von hier bis zum Supermarkt ist einfach zu teuer", kommentierte Andreas Marx, Vorsitzender der Bürgergemeinschaft - hier links im Bild zu sehen.

Eine Kritik an der städtischen Flüchtlingspolitik in Egg zeigte ebenfalls ein grundsätzliches Problem. Wie auch in anderen Unterkünften ziehen einige der 40 Flüchtlinge, die in Egg untergekommen sind, demnächst in eine reguläre Mietwohnung der Wobak. "Uns wurde gesagt, dass die Menschen länger hierbleiben. Wenn sich das zum Durchlauferhitzer entwickelt, kann die Integration nicht gelingen", so Johannes Schacht, stellvertretender Vorsitzender der Bürgergemeinschaft.
In den Anschlussunterkünften, entgegnete OB Burchardt, sollten die Menschen nicht dauerhaft wohnen, es sei nur eine Zwischenstation auf dem Weg in den regulären Wohnungsmarkt. "Sonst müssten wir immer mehr Anschlussunterkünfte bauen, und das kann nicht sein", so Burchardt. Im besten Fall, so der OB, sollten die Unterkünfte durchmischt sein – dass also beispielsweise auch Studierende dort wohnen können. Dieser Wunsch scheitere derzeit aber noch immer am Baurecht.
Es sind nur einige Beispiele in Egg, die zeigen, welche Probleme und unterschiedlichen Interessen es in ganz Konstanz gibt: Neue Bauprojekte stehen Protesten von Anwohnern gegenüber. Die einen wünschen sich eine zusätzliche Straße, die anderen sehen die Natur gefährdet. Und bei all den kleinen und großen Problemen gibt es wie in Egg immer auch jene wie Gerda Krott-Salomon, die sagen: "Also ich finde es klasse hier. Vor allem unsere Nachbarschaft".
Der kleinste Konstanzer Stadtteil
- Einwohnerzahl: Rund 760 Einwohner leben in Egg. Auch hier zeigt sich ein allgemeiner Trend in Konstanz: die Bevölkerung wächst. In Egg prozentual gesehen noch schneller als im Rest der Stadt. Im Jahr 1993 zählte Egg noch 364 Einwohner.
- Flüchtlingsunterkunft: Neu hinzugekommen sind im Frühjahr 2017 rund 40 Flüchtlinge. Die Integration laufe gut, berichtet Andreas Marx, Vorsitzender der Bürgergemeinschaft. Allerdings habe ein Polizeieinsatz die Bürger verunsichert. Zum Jahreswechsel, so die Polizei auf Anfrage, habe es eine Durchsuchung bei einem Bewohner gegeben, der im Industriegebiet mit mehreren, teilweise gestohlenen Handys aufgegriffen worden war. Im Zimmer des Mannes wurde dabei eine größere Menge Marihuana aufgefunden. Bei der Unterkunft handle es sich nicht um einen polizeilichen Brennpunkt, so Pressesprecher Berndt Schmidt.
- Politische Einstellung: Bei der Gemeinderatswahl 2014 gab es in Egg deutlich mehr Wahlbeteiligung (64,7 Prozent) als im Durchschnitt (47,5 Prozent). Die meisten Egger (28,3 Prozent) wählten die CDU, dicht gefolgt von der Freien Grünen Liste (21,8 Prozent).
- Kaufkraft: Im Konstanzer Vergleich besitzen die Egger laut der städtischen Statistik durchschnittlich viel Wohneigentum und haben eine durchschnittliche Kaufkraft: pro Kopf 20 853 Euro im Jahr. (sap)