Am Ende waren sich alle einig. Alle Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses haben sich am Dienstagabend für eine Unterbringung von Flüchtlingen am Horn entschieden. Das bedeutet, dass die Stadt dem Landkreis das städtische Helle-Müller-Areal für die nächsten fünf Jahre vermieten wird. Zudem verkündete Landrat Frank Hämmerle überraschend weitere Verhandlungen, um die Konstanzer Kreissporthallen wieder frei zu bekommen.
Die Botschaft war klar: Der Standort am Horn sei alternativlos, das machte Landrat Frank Hämmerle in der Ausschusssitzung deutlich. Immer wieder war die Frage nach einer Bebauung des Flugplatzes aufgekommen, zuletzt hatte die CDU nachgehakt. Das Gelände sei Feuchtgebiet und ungeeignet. Somit blieb der Fokus bei der Suche nach einer Flüchtlingsunterkunft auf der Nutzung des Helle-Müller-Areals am Horn.
Zugeständnisse des Landrats
Allerdings kam der Landrat mit Zugeständnissen in den Haupt- und Finanzausschuss. Der Hintergrund war klar. Er stehe in Verhandlungen, eine weitere private Tennishalle, wohl jene an der Max-Stromeyer-Straße, anzumieten. Die Chancen auf einen Vertragsabschluss bis April müssen gut stehen. Anders ist nicht zu erklären, dass Hämmerle in der Öffentlichkeit so frei darüber sprach. An dieser Entwicklung hing offenkundig die Entscheidung des Haupt- und Finanzausschusses. Kann Hämmerle die private Tennishalle anmieten, könnte dies Auswirkungen auf die gesamte Flüchtlingsunterbringung in Konstanz haben. In dem Gebäude, so seine Darstellung, sollen bis zu 530 Asylbewerber unterkommen. Diese große Anzahl würde ihm so viel Luft verschaffen, dass er einerseits die derzeit zu Notunterkünften umfunktionierten Kreissporthallen an der Zeppelin- und Wessenbergschule wieder frei bekäme.
Bedeutet: Diese stünden Schülern und Sportvereinen wieder zur Verfügung. Andererseits könnte der Landkreis die Belegung in Dettingen von 300 auf 150 Personen reduzieren, gleiches gelte dann für das Helle-Müller-Areal am Hörnle.
Sein Ziel sei, so Hämmerle: „Ich will die Qualität optimieren“, in den Unterkünften sollen die Flüchtlinge mehr Privatsphäre und mehr Luft zum Atmen erhalten. Bis Ende 2016, erklärte Hämmerle, müsste Konstanz nach jetziger Hochrechnung weitere 1772 Asylbewerber aufnehmen. Die Stadt liege derzeit gut im Plan.
Nur Familien am Horn
Mehr noch: Hämmerle versprach dem Ausschuss, dass am Horn nur Familien untergebracht würden, es eine Sozialbetreuung, ausreichend Gemeinschaftsräume und Sicherheitsleute geben werde, und vor allem: Der Mietvertrag zwischen Landkreis und Stadt werde fünf Jahre laufen – Verlängerung ausgeschlossen. Das dürfte die SPD freuen. Sie hatte gefordert, dass der TC Konstanz bis 2021 auf das Helle-Müller-Areal umziehen kann, damit an seinem jetzigen Standort an der Schmugglerbucht eine Wohnbebauung durch die Wobak möglich wird.
„Wir sollten die Chance nutzen, die Notunterkünfte (Hallen) freizubekommen“, plädierte Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) für eine Zustimmung zur Vermietung des Helle-Müller-Areals an den Landkreis. „Wir haben im Moment keine Entscheidungsalternative“, sagte Jürgen Ruff (SPD).
Für Jürgen Faden und die Freien Wähler sei schon immer klar gewesen, „dass wir für den Standort Hörnle sind“. Dieser sei nicht die ideale Lösung, „wir haben aber keine bessere“, betonte Heinrich Everke (FDP). Auf die Frage von Matthias Schäfer (JFK) erklärte Landrat Hämmerle, dass das in der Helle-Müller-Halle verbaute Asbest laut Gutachten nur dann gefährlich sei, wenn dieser Stoff durch ein Bohren oder Fräsen freigelegt werde. So weit solle es nicht kommen. Anke Schwede warnte, Petershausen-West nicht zu „gettoisieren“, indem dort zu viele Flüchtlinge dort untergebracht würden. Eine Verteilung auf alle Stadtteile sei notwendig.
Während sich die Ausschussmitglieder, nachdem sie in den vergangenen Wochen durchaus unterschiedlicher Meinung waren, nun einstimmig für die Vermietung des Helle-Müller-Areals an den Landkreis aussprachen, verfolgten zahlreiche Bürger die Diskussion aufmerksam und in aller Stille. Viele von ihnen hatten zuletzt lautstark gegen eine Unterbringung von Flüchtlingen am Horn gekämpft, unter anderem mit Unterschriftensammlungen. Ein wiederkehrender Kritikpunkt war ein Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen an dem Freizeitgelände. Asylsuchende und leicht bekleidete Badegäste in unmittelbarer Nachbarschaft, das funktioniere nicht, lauteten Aussagen. „Die Menschen kommen aus einem anderen Kulturkreis, aber nicht von einem anderen Planeten“, mahnte Dorothee Jacobs (FGL).
Für die Gegner war das kein Argument. Sie streben ein Bürgerbegehren an, wie einer ihrer Vertreter, Tilman Gurlitt, nach der Entscheidung des Haupt- und Finanzausschusses erklärte. Mit dem Begehren könnte ein Bürgerentscheid über die Vermietung des Helle-Müller-Areals an den Landkreis und damit über die Unterbringung von Flüchtlingen am Horn folgen. Dazu müssen jedoch sieben Prozent der wahlberechtigten Bürger dies unterstützen.
Das sind die Unterkünfte
Laut Landrat Frank Hämmerle sind in der Gemeinschaftsunterkunft Steinstraße derzeit 186 Personen untergebracht, an der Luisenstraße 148, in der Zeppelinhalle 190, in der Wessenberghalle 180, in Dettingen 300, in das ehemalige Transco-Areal sollen 93 kommen. Geplant ist die Unterbringung von 170 Flüchtlingen an der Byk-Gulden-Straße, 145 an der Stromeyersdorfstraße, 340 sollen es auf dem Schwaketenparkplatz werden und 300 an der Line-Eid-Straße. Kann der Landkreis eine private Sporthalle an der Max-Stromeyer-Straße anmieten, könnten dort 530 Flüchtlinge unterkommen. Der Landkreis ist für die Erstunterbringung zuständig. Die Stadt vermietet Gebäude und Flächen und unterstützt bei der Standortsuche. Zur Entscheidung über das Hörnle sagte OB Uli Burchardt am Dienstagabend: „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht.“ Es war der dritte Anlauf, einen Beschluss herbeizuführen.