Charlotte Kurz

Giuliano jauchzt vergnügt und knabbert an einer Ecke des Bilderbuches. Das Buch mit den abgelutschten Rändern ist noch keine halbe Stunde in Gebrauch, wurde von seinem neuen Eigentümer aber bereits fest ins Herz geschlossen. Mit seinen elf Monaten krabbelt der blonde Junge flott durch den Raum, in die Vertikale traut er sich auch schon und wagt erste Schritte.

Seine Mutter Elisabeth M. assistiert liebevoll. "Giuliano war ungeplant. Mit meinem Freund war ich erst zwei Monate zusammen, da wurde ich schwanger." Die 33-Jährige möchte ihren Nachnamen nicht nennen, sie fürchtet Probleme bei der Arbeit.

„Ich war ganz allein. Meine Mutter ist vor vier Jahren an Krebs gestorben, seitdem habe ich keine Verwandten mehr. Ich konnte niemanden, keine Mutter oder Großmutter um Rat bezüglich der Schwangerschaft fragen.“
Elisabeth M.

Im Sommer 2017, Elisabeth ist im dritten Monat schwanger, wandte sie sich an die Beratungsstelle pro familia

Dort schlug Leiterin Doris Wilke vor, Elisabeth könne die vertraulichen Dienste einer Familienhebamme annehmen. Vier feste Familienhebammen und eine Urlaubsvertreterin sind für pro familia momentan im Einsatz.

Seit 26 Jahren arbeitet Doris Wilke bei der Beratungsstelle pro familia Konstanz.
Seit 26 Jahren arbeitet Doris Wilke bei der Beratungsstelle pro familia Konstanz.

Catharina Jessen-Pauli, Hebamme seit 35 Jahren, hatte zu dieser Zeit freie Kapazitäten, die beiden lernten sich einige Wochen später kennen.

"Die Familienhebamme unterstützt die junge Mutter während der Schwangerschaft bis zu einem Jahr nach der Geburt. Ihre Tätigkeit unterscheidet sich von der Wochenbettbetreuung, die eine Hebamme während und einige Wochen nach der Schwangerschaft übernimmt", erklärt Wilke. Während die Hebamme sich um medizinische Aspekte kümmert, arbeitet die Familienhebamme eher im psychosozialen Bereich.

„Die Hauptzielgruppe sind Schwangere und Mütter, die sich überfordert fühlen, unter einer psychischen Erkrankung leiden, Probleme mit dem Kindsvater haben oder aufgrund von Drogenmissbrauch hilflos sind.“
Doris Wilke, pro familia

"Catharina hat nach der Geburt erstmal geschaut, dass es mir und meinem Kind gut geht. Anfangs war sie jeden Tag da", erklärt Elisabeth. "Sie hat mich untersucht und hat mir alles erzählt, wie ich mich richtig ernähren kann, wie man ein Baby badet, hält, oder die winzigen Fingernägel schneidet."

„Es gibt tausend verschiedene Ratschläge im Internet, ich habe mich aber einfach daran gehalten, was Catharina mir erklärt hat.“
Elisabeth M.

Für Elisabeth war die Zeit nach der Entbindung im Krankenhaus chaotisch: "Jeden Tag war eine andere Hebamme da, und Handgriffe wurden mir immer unterschiedlich gezeigt." Froh war sie besonders darüber, dass sie mit der Familienhebamme Jessen-Pauli eine Bezugsperson hatte, der sie vertrauen konnte.

Jessen-Pauli, die sich ihren Kindheitstraum Hebamme verwirklicht hat, fährt zu ihren Klienten nach Hause und hat dort Zeit, alle Fragen zu beantworten. Die 58-Jährige gibt zudem Tipps, wo man günstige Babykleidung findet oder empfiehlt Mutter-Kind-Gruppen, sodass junge Mütter sich untereinander austauschen können.

Rückblickend ist Elisabeth dankbar für die Hilfen, die sie erhalten hat.

„Ich habe so viele kleine und wertvolle Dinge gelernt. Ein Baby wickeln zu können hört sich einfach an, aber es war so hilfreich, dass es mir gezeigt wurde.“
Elisabeth M.

Heute, nach problematischen Zeiten während der Schwangerschaft, hat sich die Beziehung zu ihrem Freund verfestigt. Die beiden sind zusammengezogen und kümmern sich gemeinsam um Giuliano. Einzelkind soll er nicht bleiben, Elisabeth selbst hat keine Geschwister und möchte, dass Giuliano anders aufwachsen kann.

Wenn sie in Zukunft eine Frage hat, dann ist ihre Familienhebamme für sie da. "Nach dem offiziell halben Jahr Unterstützung fühlt sich Catharina mehr wie eine Freundin an", lächelt sie.

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