Echo Delta Tango Zulu fragt. Wie viele Personen haben Sie an Bord? Wann wollen Sie hier landen? Die Antwort knattert umgehend aus dem Funkgerät. Außer dem Piloten sitzt noch eine weitere Person an Bord der kleinen Cessna. Und in fünf Minuten beginnt die Platzrunde, mit der sich die Flieger einen Überblick über die Gegebenheiten vor Ort verschaffen. Sieben Minuten später kommt von Westen her die kleine einmotorige Maschine, einen Parkplatz hat sie bereits zugewiesen bekommen. Im Tower – in Wirklichkeit ein kleiner Raum im ersten Stock mit großem Fenster am Ende einer vielleicht drei Meter hohen Treppe – herrscht erst mal wieder Ruhe. Es geht beschaulich zu an diesem Spätnachmittag am Konstanzer Flugplatz. EDTZ ist seine international einmalige Kennung, im Fliegeralphabet wird das zu Echo Delta Tango Zulu.

Doch die fast familiäre Stimmung am Rand der knapp einen Kilometer langen Graspiste am Stadtrand von Konstanz täuscht. Während diejenigen, die hier ein Flugzeug stehen haben, als Gäste landen oder bei einem kommerziellen Verleiher wie Berndt Stadelhofer ein Flugzeug chartern, unbeschwert ihre besondere Art der Fortbewegung genießen, könnten sie bei der Frage, wie das hier weitergehen soll, schnell in die Luft gehen. Denn um keine Fläche in der Stadt wird in diesen Tagen so vehement gekämpft wie um diese etwa 23 Hektar, die dem Flugbetrieb dienen. Noch jedenfalls. Denn seit die Stadt Konstanz den Entwurf eines Gewerbeflächenkonzepts vorgestellt hat, der eine Umwandlung der Graspiste in ein Gewerbegebiet vorsieht, ist eine harte Kontroverse entbrannt.

Noch in diesem Jahr, kündigte die Stadtverwaltung an, soll eine Entscheidung über die Zukunft von EDTZ fallen. Im Rathaus verweist man darauf, dass Gewerbeflächen knapp seien in der Stadt – erst jüngst musste man in Konstanz mit ansehen, wie das in der Stadt bereits präsente Schweizer Hochtechnologie-Unternehmen Baumer ihren Innovations-Campus an der Grenze zwischen Stockach und Ludwigshafen errichtet, fertig ausgebaut, soll es bis zu 600 hoch qualifizierte Arbeitsplätze bieten. Solche Anfragen, sagt Wirtschaftsförderer Friedhelm Schaal, kann er im Augenblick nicht bedienen. Weil es in Konstanz kaum noch große zusammenhängende Gewerbeflächen für die Ansiedlung von Firmen gibt.

Stopp, entgegnet Peter Magulski. Er ist einer der Nutzer des Flugplatzes und mag dem Klischee des gut situierten Hobbypiloten mit eigener Maschine und Anspruch auf einen öffentlich getragenen Spielplatz für sein Freizeitvergnügen nicht so richtig entsprechen. Über die Jahre, während derer der Konflikt bereits läuft, ist er zum wichtigsten Gegenspieler der Stadtverwaltung geworden. Magulski zieht eine Mappe mit Satellitenbildern hervor, auf denen er markiert hat, wo in Konstanz überall Gewerbe entstehen könnte, ohne dass der Flugplatz geopfert werden müsste. Ganz zum Schluss zieht er noch ein As aus dem Ärmel: Als der Gutachten-Entwurf die Auflösung des Flugplatzes vorgeschlagen hat, war vom neuen Stadtteil am Hafner nördlich von Wollmatingen noch keine Rede. Inzwischen ist das Wachstum der Stadt an der Stelle beschlossene Sache, und vorgesehen sind dort neben tausenden neuen Wohnungen auch 15 Hektar für Gewerbe.

Ob die Stadtverwaltung sich dieser Meinung anschließt, lässt sich kaum sagen. Fest steht dagegen: Der Kampf der Flieger um ihren Platz geht vielen im Rathaus bis hin zu Oberbürgermeister Uli Burchardt gewaltig auf die Nerven. Denn Magulski und seine Mitstreiter von der Initiative Pro Flugplatz Konstanz zerpflücken die Gutachten, die die Stadt zur Flugplatz-Zukunft in Auftrag gegeben hat. Zu jedem Papier entwickeln sie eine Gegenposition. Wer es mit einem solchen Gegenüber zu tun hat, muss sorgfältig arbeiten. Indirekt bezichtigte Burchardt die Flieger bereits, sie seien schuld an immer weiter steigenden Kosten und erheblichem Zeitverzug. Magulski pariert: Ob es denn so sei, dass die Verwaltung nur dann sorgfältig arbeite, wenn es Gegenwind gebe?

Walter Fichter argumentiert nicht politisch, sondern technisch. Er ist Professor an der Universität Stuttgart, Institut für Flugmechanik und Flugregelung. Er glaubt, dass in Konstanz nicht nur ein Stück Vergangenheit auf dem Spiel steht, sondern vor allem ein Stück Zukunft. In wenigen Jahren, ist er überzeugt, werden flüsterleise Elektroflugzeuge vollständig oder weitgehend autonom fliegen. Das fliegende Taxi nicht nur für Geschäftsreisende ist für ihn keine Utopie, sondern konkretes Forschungsthema. "Konstanz könnte dafür ein wichtiger Standort sein", sagt Fichter, "aber wenn wir hier gar nicht mehr in den Luftraum kommen, sind wir raus, bevor es überhaupt losgeht."

Noch sieht es am Konstanzer Stadtrand eher nach Gestern aus. Wegen der unsicheren Zukunft des Platzes habe hier kaum jemand investieren wollen, sagt Unternehmer Berndt Stadelhofer. Seinen eigenen Hangar musste er so errichten, dass er im Notfall schnell wieder abgebaut werden kann. Im wohnzimmerähnlichen Tower meldet sich unterdessen die nächste Maschine an. Echo Delta Tango Zulu meldet sich fröhlich. Doch alle wissen: In jedem Funkspruch wird auch eine ganz andere Buchstabenkombination als EDTZ transportiert. Sie lautet: SOS.

Luftverkehr am Bodensee

  • Konstanz: Die Stadt Konstanz verfügt seit 1910 über einen Flugplatz. Zunächst lag er dort, wo das heutige Gewerbegebiet Oberlohn ist. Ab 1925 war er sogar Teil des Liniennetzes der jungen Lufthansa, auch nach Österreich gab es regelmäßige Verbindungen. 1958 wurde der Platz vom Land als Verkehrslandeplatz anerkannt, 1962 erfolgte die Verlegung nach Westen an den Rand des Naturschutzgebiets Wollmatinger Ried. Als klassifizierter Verkehrslandeplatz hat er eine Betriebspflicht, zu den Öffnungszeiten, im Sommer zwischen 7 und mindestens 17 Uhr, muss er für jedermann zur Verfügung stehen. Der Platz gehört einer GmbH, an der die Stadt knapp 60 Prozent Anteile hält; der Rest verteilt sich auf Vereine, Unternehmen und Institutionen. Der Flugplatz schreibt schwarze Zahlen und verzeichnete laut dem Beteiligungsbericht der Stadt 2015 rund 6500 Flugbewegungen; das Niveau ist den Angaben zufolge stabil. Die Graspiste ist 760 Meter lang.
  • Stahringen und Binningen: Im Kreis Konstanz gibt es zwei weitere als Sonderlandeplatz klassifizierte Graspisten. Für sie gilt, im Gegensatz zu Konstanz, keine öffentliche Betriebspflicht; die Betreiber können Dritten eine Nutzung erlauben, müssen es aber nicht. Für beide Plätze gibt es Einschränkungen, welche Maschinen dort starten und landen dürfen. Stahringen hat eine 710 Meter lange und Binningen eine 860 Meter lange Graspiste.
  • Hilzingen: Im Hegau gibt es eine weitere Anlage für die Fliegerei, das von einem Verein getragene Segelfluggelände Hilzingen. Motorsegler und Dreiachs-Ultraleichtflugzeuge dürfen die 450 Meter lange Graspiste seit einigen Jahren ebenfalls benutzen. Auch für Hilzingen besteht keine Betriebspflicht zu festen Zeiten.
  • Friedrichshafen: Der Flughafen Friedrichshafen spielt als 1994 so klassifizierter Regionalflughafen in einer ganz anderen Liga als alle Plätze im Kreis Konstanz. Er verfügt über eine 2,3 Kilometer lange Asphaltpiste, von der auch schwere Passagier-Jets abheben können. Im Jahr 2015 erreichte er mit knapp 600 000 Abfertigungen in etwa das 100-Fache des Betriebs in Konstanz. Dennoch schreibt der maßgeblich von Stadt und Landkreis getragene Flughafen Friedrichshafen – wie viele andere Regional-Airports auch – seit Jahren hohe Verluste. (rau)