Die Wohnungslosenhilfe in Konstanz blickt auf zunehmende Probleme, Raum für Obdachlosen zu finden. „Wir haben schon Schwierigkeiten, wirklich sehr kranke Personen unterzubringen. Alle Kapazitäten sind ausgeschöpft“, sagt Jörg Fröhlich vom Fachverband für Rehabilitation und Prävention AGJ der Erzdiözese Freiburg. Von den städtischen Notunterkünften bis zu den betreuten Einrichtungen der AGJ seien alle Plätze belegt, und der Wohnungsmarkt für günstige Räume sei ausgetrocknet.
Zeitweise werde es auch im Tagestreff für Obdachlose am Lutherplatz eng. Er sei für rund 40 Personen am Tag Anlaufstelle, sagt Jörg Fröhlich. Eine wichtige Einrichtung dort ist die medizinische Ambulanz. Rund 1300 Mal im Jahr unterstützt dort Krankenschwester Sandra Simnacher Obdachlose bei gesundheitlichen Problemen. Ohne Spenden wäre es der AGJ nicht möglich, Simnachers 70-Prozent-Stelle zu halten.
Schwere chronische Erkrankungen bei Obdachlosen
Sandra Simnacher hat zunehmend mit schweren chronischen Erkrankungen zu tun. „Der einfache Verbandswechsel ist eher nicht gefragt.“ Es gehe vielmehr um Bluthochdruck, Herzschwäche, um die regelmäßige Gabe von Medikamenten, um die Abklärung von weiteren Behandlungsmöglichkeiten. Bei einem Obdachlosen sei es beispielsweise wichtig, dass er die Zeit von der Voruntersuchung bis zu einer Operation im Klinikum verbringen könne, und dann müsse abgeklärt sein, was danach mit dem Patienten passiert. Ein Frischoperierter könne ja nicht gleich wieder auf die Straße entlassen werden.
Sandra Simnacher klärt Obdachlose nicht nur über medizinisch Notwendiges auf, sie ist Vermittlerin zwischen Ärzten, Ämtern, Krankenversicherungen und den Betroffenen. Sie begleitet Patienten zu Voruntersuchungen und hilft ihnen, alle bürokratischen Hürden zu nehmen. Die Barauszahlung der Sozialhilfe für Obdachlose und der nicht feste Wohnsitz passten nicht ins Schema der zunehmend digitalisierten Welt. Obwohl auch für Obdachlose Krankenversicherungsbeiträge abgeführt werden, bekämen diese oft keine Versicherungskarte. Auch deswegen muss Sandra Simnacher immer wieder klärend eingreifen.
Vielen sieht man die Wohnungslosigkeit nicht an
Sieben bis acht Personen schlafen nach Angaben von Jörg Fröhlich in Konstanz im Freien. Andere sind zwar auch obdachlos, aber vorübergehend auf Sofas von Freunden und Bekannten untergebracht. Unter diesen Menschen lebten fast alle unfreiwillig ohne Wohnung. „Das sind ganz normale Männer und Frauen, denen sieht man die Wohnungslosigkeit nicht an.“ Es könne sich beispielsweise um Menschen aus der Gastronomie handeln, die eine Dienstwohnung hatten, und mit dem Verlust einer Arbeitsstelle auch ihren Wohnraum verloren.
Unter denen, die im Freien schlafen, seien schwere Alkoholiker, psychisch Kranke, aber auch Menschen, die ein hohes Bedürfnis nach Freiheit haben. Auch in sehr schwierigen Lagen könnten nicht alle Hilfen annehmen. „Sie fühlen sich schnell eingeengt und bevormundet“, sagt Jörg Fröhlich. Bei manchen sei es schon ein großer Erfolg, wenn sie animiert werden können, regelmäßig die Tagesstätte und bei Bedarf die medizinische Ambulanz aufzusuchen.
Über 100 Obdachlose in Konstanz betreut
Zum Stichtag 30. September 2017 betreute die Wohnungslosenhilfe der AGJ, dem Fachverband für Prävention und Rehabilitation der Erzdiözese Freiburg, nach eigenen Angaben in der Stadt Konstanz 128 Obdachlose, darunter 34 Frauen. Die Zahl der weiblichen Obdachlosen lag um 27 Prozent höher als im Vergleich zur Erhebung im Vorjahr. Von den betreuten Personen hatten 110 keine eigene Wohnung, 18 waren vom Rechts- und Ordnungsamt untergebracht.
Die AGJ-Wohnungslosenhilfe hat im Landkreis 38 Wohnheimplätze im Jakobushof in Radolfzell-Böhringen sowie 27 Wohnplätze in Wohngemeinschaften in Konstanz und Singen. Für die medizinische Ambulanz in der Tagesstätte bekommt die AGJ Zuschüsse vom Landkreis und der Stadt Konstanz. Ein Drittel der Kosten muss sie mit Hilfe von Spenden selbst aufbringen, diese nimmt die AGJ auf dem Spendenkonto IBAN: DE91 6929 1000 0218 1740 19 entgegen.