Der Umbau der Schule Zoffingen in ein Pflegeheim hat eine wesentliche Hürde genommen. Bei der ersten öffentlichen politischen Debatte über das Projekt der Caritas zeichnet sich eine klare Mehrheit dafür ab, das Vorhaben nicht durch einen Bebauungsplan zu verzögern. Die Freie Grüne Liste hielt an ihrer Forderung in der Sitzung des Technischen und Umweltausschusses am Donnerstagnachmittag fest, bekam aber nur von der Linken Liste Unterstützung. Mit CDU, SPD, FDP, Freien Wählern und möglicherweise dem Jungen Forum dürfte am kommenden Donnerstag eine Zweidrittelmehrheit im Gemeinderat gegen den von der FGL geforderten Bebauungsplan abstimmen. Auch der Stadtseniorenrat erklärte seine Zustimmung zu dem Projekt wie von der Caritas geplant. Hans-Peter Klauda betonte gegenüber dem SÜDKURIER die Bedeutung von Pflegeheimplätzen. 

Hier auf dem bisherigen Schulhof will die Caritas ein weiteres Gebäude errichten, gegen das die Anwohner Protest einlegen.
Hier auf dem bisherigen Schulhof will die Caritas ein weiteres Gebäude errichten, gegen das die Anwohner Protest einlegen. | Bild: Jörg-Peter Rau

Eine wesentliche Überraschung hob sich Caritas-Vorstand Andreas Hoffmann bis fast zum Ende der Debatte auf. Um die Sorge der Anwohner und anderer Kritiker vor zu viel Autoverkehr zu zerstreuen, könne die Caritas auf die geplanten zwei Tagesmütter-Gruppen im Erdgeschoss des Anbaus verzichten. Damit falle der Hol- und Bringverkehr der Eltern weg, sagte Hoffmann und griff damit Bedenken von Anne Mühlhäußer (FGL) und Jürgen Ruff (SPD) auf. Die beiden Gruppen könnten im Marienhaus im Paradies untergebracht und der frei werdende Raum für die eine Tagespflegegruppe für Senioren genutzt werden. FGL-Fraktionssprecher Peter Müller-Neff betonte erneut, sozialpolitische Ziele dürften nicht über die Stadtentwicklung gestellt werden.

Nicht nur die Caritas, auch die Stadtverwaltung war am Donnerstag erkennbar bemüht, die Zweifel und Kritikpunkte an dem Vorhaben zu zerstreuen. Neben Hoffmann stellten auch Jörg Aldinger als Architekturprofessor und Vorsitzender des Gestaltungsbeirats, Denkmalschützer Frank Mienhardt, der planende Architekt Much Untertrifaller und Baurechtsamtschef Andreas Napel das Projekt vor. Für die Kritiker erhielt Ralf Huesgen, ebenfalls Architekt, das Wort. Die Argumente waren im Wesentlichen die der öffentlichen Diskussion der vergangenen acht Wochen.

Aldinger und Mienhardt lobten die architektonische Qualität des geplanten Um- und Anbaus, der sich in Form und Größe in die Gründerzeit-Bebauung am Rand der Niederburg sehr wohl einfüge. Hoffmann verwies auf die gesetzlichen Vorgaben, nach denen das Marienhaus nicht weiter als Pflegeheim betrieben werden dürfe. Napel erklärte, das Vorhaben sei nach Baugesetzbuch genehmigungsfähig. Ralf Huesgen wandte ein, die Dimensionen des Anbaus hätten die Anwohner und viele weitere Kritiker „entsetzt“: „Vom alten Gebäude des Zoffingen ist nichts mehr wahrnehmbar.“

Stadträte aller Fraktionen außer der FGL und der Linken Liste äußerten Verständnis für die Sorgen der Anwohner, gewichteten die Pflegeheim-Plätze und deren möglichst schnelle Schaffung aber als vordringlicher – die Caritas strebt einen Baubeginn 2019 an. Politiker von CDU, SPD, Freien Wählern und FDP verwiesen darauf, dass Konstanz jeden Pflegeplatz erhalten und wenn möglich weitere schaffen müsse. Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn erklärte, weder hätte ein Wettbewerb bessere Ergebnisse gebracht noch widerspreche die Caritas-Planung den gesetzlichen Grundlagen.

Pflegeheimplätze und Zeitplan

Das Projekt Zoffingen hat die Zukunft der stationären Pflege erneut ins Blickfeld gerückt. Was auf die Stadt zukommt und wie es mit dem Vorhaben in der Niederburg weitergeht.

  • Konstanz altert: Laut Caritas-Vorstand Andreas Hoffmann wächst der Anteil der über 85-Jährigen in Konstanz stark. Unter Berufung auf neue Zahlen der Stadtverwaltung sagte er, zwischen 2017 und 2023 nehme die Zahl der über 85-Jährigen um 111 pro Jahr zu. Damit sei mit einem Zusatzbedarf von 30 Pflegeheim-Plätzen pro Jahr zu rechnen. Alle drei bis vier Jahre müsste demnach ein neues großes Heim errichtet werden.
  • Heime schließen: Viele Pflegeheime sind wegen der Landesheimbauverordnung unter Druck. Danach darf es ab 2019 keine Doppelzimmer und nur noch Einzelzimmer einer bestimmten Mindestgröße geben. Deshalb müssen bestehende Gebäude unter anderem der Spitalstiftung umgebaut werden, obwohl anschließend die Zahl der Plätze niedriger und die Kosten für die Bewohner höher sind. Die Neubauten an der Jungerhalde (60 Plätze, Träger: AWO) und Weiherhof (75 Plätze, Spitalstiftung) fangen zum Teil also anderswo entfallende Plätze auf. Auch weitere Einrichtungen stehen vor der Zukunftsfrage.
  • Rat entscheidet: Der Gemeinderat berät am Donnerstag, 28. September (ab 16 Uhr, Ratssaal), über den Antrag der Freien Grünen Liste auf Aufstellung eines Bebauungsplans für das Zoffingen-Areal. Eine Vor-Abstimmung im Ausschuss gestern Abend war dafür nicht erforderlich. Caritas-Chef Hoffmann bat die Politik, dem Antrag nicht zuzustimmen und den Weg für das Zoffingen-Projekt jetzt freizumachen, statt die Entscheidung zu verschieben, bis nach seinen Worten in etwa zwei Jahren ein Bebauungsplan aufgestellt und entscheidungsreif wäre. (rau)
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