Heute noch Zukunftsmusik, in zwei Jahren vielleicht Realität: Schüler der Zeppelin-Gewerbeschule bestellen vom Klassenzimmer aus ihr Roboter-Auto, bestimmen Aussehen und Ausstattung. Diese Daten werden in die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) übermittelt, wo eine leere Kiste auf einem Förderband losfährt und automatisch die benötigten Teile einsammelt. Das System moniert auch, wenn ein Teil für den Bausatz nicht in der Kiste landet. Auch die Bauanleitung wird übermittelt; nur am Schluss der Kette steht der Mensch. Er baut das bestellte Auto.
Diese Vision ist Teil des Projekts Lernfabrik 4.0 an der Zeppelin-Gewerbeschule Konstanz (ZGK), das noch am Anfang steht. In Kooperation mit der HTWG sollen die Schüler begreifen, wie die Technik der Zukunft – und teilweise der Gegenwart – aussieht. Merkmal von Industrie 4.0 ist die intelligente Vernetzung aller Beteiligten wie Mensch, Maschine und Sensoren, wobei die Akteure auch selbst entscheiden dürfen. Siegmar von Detten, Lehrer für Informations- und Computertechnik an der ZGK, erklärt: "Somit kann eine Maschine während der Produktion durch entsprechende Programmierung entscheiden, einer anderen Maschine Arbeit abzunehmen, weil für sie absehbar ist, dass sie in der nächsten Zeit nichts zu tun hat." Das ist fortgeschrittene Technik, an der ZGK beginnen die Schüler mit grundlegendem Wissen. Die Gymnasiasten mit Profil Informationstechnik lernen zum Beispiel, ein Modellauto so zu programmieren, dass es mit Lichtsensoren und Taschenlampe oder per Smartphone gelenkt werden kann. Am Ende bewältigen die Autos einen Hindernisparcours.
Der nächste Schritt ist das Zusammenbauen und Programmieren eines Roboter-Bausatzes. "Zum Geburtstag einer Schülerin brachten die Klassenkameraden den Roboter dazu, eine Art Mikrofon in den Greifarm zu nehmen, ihn zum Mund zu führen und Happy Birthday abzuspielen", sagt von Detten.
Das sind nur Spielereien, während verschiedene Programmiersprachen und die Vernetzung von Komponenten Teil des Bildungsplans sind. "Wir erweitern die Lernfabrik in Zusammenarbeit mit der HTWG", sagt Schulleiter Karl Knapp. Auch jetzt schon sind Schule und Hochschule vernetzt, technisch und persönlich. "Beide Seiten profitieren von der Kooperation", sagt Karl Knapp. "Unsere Schüler dürfen Hochschulluft schnuppern und begreifen das bei uns Gelernte in größeren Zusammenhängen, während die HTWG sicher manchen künftigen Studenten bekommt, der die Hochschule durch die Lernfabrik kennen lernte."
Auch Matthias Eisenmann, Lehrer für Informations- und für Elekrotechnik an der ZGK, ist begeistert: "Wir arbeiten nicht auf einer Spielwiese, sondern an konkreten Produkten. Das motiviert die Schüler." Um ihnen die meist unsichtbare Technik begreifbar zu machen, haben Schule und HTWG Lerntische entwickelt und ein Klassenzimmer ausgestattet. Auf magnetischen Stelltafeln können die Schüler Notizen machen sowie technische Module mit Magneten ankleben und einem Computer verbinden. "Wir haben zum Beispiel eine Kreuzung simuliert und Ampelschaltungen programmiert", sagt die 17-jährige Lea Hecker, Elftklässlerin im TG. "Wir können nun mit Smartphones den Fußgängern Grün geben." Gianluca Ferro, 17 Jahre, sagt: "In der Lernfabrik lernen wir, was wir für die Zukunft benötigen." Yannick Schmitz ergänzt: "Wir lernen DIE Zukunft."
Wie es mit der Lernfabrik weitergeht
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Das Projekt: Ursprünglich beteiligte sich die Zeppelin-Gewerbeschule 2015 an einem Wettbewerb des Landes Baden-Württemberg, das acht Schulen beim Aufbau einer Lernfabrik 4.0 förderte. Der Zuschlag für den Landkreis Konstanz ging damals nach Singen. Zur ZGK passte der Wettbewerb inhaltlich ohnehin nicht ganz, sagt Lehrer Siegmar von Detten. Schulleiter Karl Knapp ist inzwischen froh, dass seine Schule zunächst leer ausging: „Landrat Frank Hämmerle schlug vor, unser Konzept trotzdem umzusetzen, es aber modular aufzubauen.“ Der Landkreis fördert die Konstanzer Lernfabrik mit zweimal 80 000 Euro; für das dritte Jahr ist dieselbe Summe beantragt. Die Schule steuert 80 000 Euro bei. Die erste Projektstufe ist abgeschlossen. Im kommenden Schuljahr werden weitere Platinen und Boards entwickelt und vernetzt. 2018/19 folgt die Produktion eines intelligenten Autos und eines Greifarms in der HTWG.
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Der Fortschritt: Industrie 1.0 umfasste die Wasser- und Dampfkraft zur Verrichtung von Arbeit. Industrie 2.0 meint den Einsatz von Elektrizität, um Fließbänder anzutreiben. Industrie 3.0 bietet Steuerung über Elektronik und IT. Eine zentrale Steuerung entscheidet, wie produziert wird. Industrie 4.0 basiert auf dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik. Maschinen, Sensoren und Menschen werden vernetzt. Alle Beteiligten entscheiden, wie produziert wird. (kis)