Es ist die denkbar schlimmste Situation, die man sich vorstellt: Es klingelt an der Tür, man öffnet und sieht in die Gesichter zweier Polizeibeamter und einer Notfallseelsorgerin. In diesem Moment ist betroffenen Angehörigen meist klar, dass ein ihm nahestehender Mensch ums Leben gekommen ist.
Schlimme Nachrichten überbringen die erfahrenen Kollegen
Oliver Weißflog, inzwischen für die Pressearbeit des Polizeipräsidiums Konstanz zuständig, kennt die Aufgabe, Menschen über den Tod ihres Angehörigen zu informieren aus eigener Erfahrung.
Als Dienstgruppenleiter beim Polizeirevier Friedrichshafen teilte er die Beamten ein, denen die Aufgabe zukam. "Wir versuchen, ältere und lebenserfahrene Kollegen auszuwählen", sagt Weißflog.
Die Situation ist immer dieselbe: Die Polizeibeamten suchen die Angehörigen zuhause auf. Die Nachricht telefonisch zu überbringen sei tabu. Zu groß wäre die Gefahr, dass man nach kurzem Telefonat die Betroffenen mit ihrem Schock allein lässt und nicht abschätzen kann, wie sie physisch oder psychisch reagieren.
Eine Nachricht, die das Leben aus den Fugen hebt
Der Polizeibeamte hat solche Todesnachrichten selbst mehrfach überbracht. "Es gibt keine schonenden Worte, so etwas zu vermitteln", sagt er. "Einmal ausgesprochen wirft die Nachricht das Leben einer ganzen Familie aus den Fugen."
Wichtig ist das Wie der Begegnung mit den Angehörigen. "Ich habe so gehandhabt, dass ich sehr schnell zur Sache komme", sagt Weißflog und begründet dies damit, dass es ohnehin nichts gebe, das diese Nachricht abmildern könne. Die Nachricht sei so zerstörend, dass sie immer entsprechende Auswirkungen habe.
Wichtig ist es, eine klare Botschaft zu überbringen
Wenn es möglich ist, holen sich die Polizisten durch einen ehrenamtlichen Mitarbeiter der Notfallseelsorge Unterstützung bei der sensiblen Aufgabe. Michael Oßwald ist in diesem Bereich bereits seit 21 Jahren tätig und koordiniert die Einsätze seiner Mitarbeiter.
Die Zusammenarbeit mit den Polizisten sei eng, unbedingt notwendig sei es, sich vorher kurz zu treffen und auszutauschen. Gesicherte Fakten sind zentral. Die verstorbene Person muss hundertprozentig identifiziert sein, betont Weißflog, und zugleich müsse die Todesnachricht so schnell wie möglich überbracht werden. Das könne zum Dilemma werden, wenn sich etwa die Identifizierung verzögere.
Angehörige leugnen die Nachricht häufig
Die Notfallseelsorger stimmen sich eng mit den Polizisten ab, damit ihnen alle Fakten bekannt sind. Häufig leugneten die Angehörigen die Botschaft zunächst, berichtet Oßwald, bis sie etwas später zu fragen beginnen.
Die Notfallseelsorger seien da, um die Fragen zu beantworten, wenn die Polizisten meist schon längst wieder ihren Dienst fortsetzen müssen.
Wie lange bleiben Notfallseelsorger bei den Angehörigen?
Eine Grundregel der Helfer lautet, dass sie bleiben, "bis das soziale Netz greift", wie es Oßwald formuliert, also bis ein Verwandter, eine gute Freundin, ein Vertrauter der Familie anwesend ist und sie unterstützt.
"Wir ermutigen den Betroffenen, jemanden anzurufen", so Oßwald, es gehe oft darum, Orientierung zu den Schritten zu geben, die nun zu tun seien. Manchmal geht es auch darum, gemeinsam Schweigen auszuhalten.
Wie lange dies dauert, hängt vom Einzelfall ab: eine Stunde, drei Stunden, vier Stunden. Der Notfallseelsorger geht dann, wenn er weiß, dass die Betroffenen versorgt sind.

Manche Einsätze brennen sich ins Gedächtnis
Jeder, der diese Aufgabe schon einmal übernommen hat, bewahrt besonders prägende Situationen im Gedächtnis. Oliver Weißflog erinnert sich an einen Unfall, der kurz vor Weihnachten geschah. Ein junges Mädchen sei auf glatter Fahrbahn in den Gegenverkehr geraten und beim Unfall ums Leben gekommen.
"Als wir zum Elternhaus kamen, wusste ich: ich komme als Polizist dort hin und zerstöre alles", sagt Weißflog. Für die Eltern sei eine Welt zusammen gebrochen.
Von einer ganz ähnlichen Szene berichtet Oßwald: In der Nacht zu Heiligabend habe er einer Familie die Nachricht überbringen müssen, dass die 18-jährige Tochter sich das Leben genommen hatte.
"Der Tisch im Wohnzimmer war bereits festlich gedeckt, der Christbaum dekoriert, alles war sehr heimelig", erinnert sich der Notfallseelsorger, "kurz vor der Morgendämmerung kamen wir dann mit der schlimmen Nachricht."
Es geht darum, was die Angehörigen brauchen
Wie schafft man es als Überbringer der Nachricht, die emotionale Lage der Betroffenen nicht zu verschlimmern, sondern ihnen zu helfen? "Das ist die Kunst, die man zu erlernen versucht", sagt Ruth Peters, die sich derzeit zur Notfallseelsorgerin ausbilden lässt.
Es helfe, sich auf die Personen einzustellen, die man antrifft – Kinder etwa reagieren anders als Erwachsene. "Meist sind die Kinder in ihren Emotionen ungehemmter als die Erwachsenen", sagt Peters. Für Kinder hat sie einen Teddybär dabei, der als weicher "Tränenfänger" diene, den ein Kind aber auch gegen die Wand werfen dürfe, wenn es wütend sei.

Leicht zu ertragen seien die Reaktionen nicht immer – auch nicht für die Nachrichtenüberbringer: Bei einem Einsatz, bei dem sie Kindern mitteilen mussten, dass ein Elternteil ums Leben gekommen sei, habe ein Kind wie versteinert reagiert, das andere habe minutenlang geschrien. "Das muss man dann auch mal viele Minuten lang aushalten", sagt Ruth Peters, "beide haben sich später in den Arm nehmen lassen. Aber sicher ist auch das nicht."