Flugmodus. Der ständig erreichbaren Gesellschaft treten bei diesem Wort die Schweißperlen auf die Stirn. Drückt er doch aus, dass das mobile Endgerät derzeit nicht mit dem weltweiten Internet verbunden ist. Heinrich Straub kann die Entkopplung vom Funknetz herzlich egal sein, zumindest in einem Konferenzraum im Torbogenhaus auf der Insel Mainau. Er surft einfach weiter, kann über das Internet Musik hören, auch größere Datenmengen sind kein Hindernis. Straub surft mit Licht.
Er ist Leiter der Stabsstelle Umweltmanagement und Arbeitssicherheit auf der Blumeninsel und zeigt, wie die Zukunft des Internets aussehen könnte: ziemlich unscheinbar. Zwei Leuchtdioden (LED) sind an der Decke des Konferenzraums installiert, nicht größer als Zwei-Euro-Münzen. Einer wirft eine kleine Lichtfläche nach unten, einer streut breit. Daneben befindet sich jeweils ein Empfänger derselben Größe. "Noch benötige ich diesen Kasten", erklärt Straub und deutet auf einen schwarzen Klotz. Er ist ziemlich schwer. "Wegen des Akkus", sagt Straub.
Das eigentlich wichtige – und für Forscher bahnbrechende – ist deutlich kleiner: Ein Empfänger nimmt das Licht auf und wandelt es in Daten um. "Man muss sich das vorstellen, wie einen Morse-Code, die LED flackert und der Empfänger übersetzt dieses Flackern in Daten", sagt Straub. Das menschliche Auge nimmt dieses Flackern nicht wahr, zu schnell ist seine Frequenz. Ebenso wenig wie den Infrarotstrahl, der für das Hochladen von Daten ins Netz benötigt wird. Visible Light Communication (VLC) heißt die Technologie, Kommunikation mit sichtbarem Licht. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik mit Sitz in Berlin wurde sie in der Praxis auf der Mainau erprobt. Fraunhofer-Projektleiter Anagnostis Parakevopoulos blickt zurück auf "ein Jahr kontinuierlichen, fehlerlosen Betrieb der Systeminstallation".
"Strahlenfrei und sicher", beschreibt Straub die VLC-Technologie. Und genau das mache sie auch für die Mainau GmbH interessant. Das Thema Umweltschutz wird seit Ende der 1990er-Jahre professionell organisiert. "Was innerhalb des Lichts ist, bleibt auch dort", beschreibt Umweltmanager Heinrich Straub. In der Praxis bedeutet das: Weder Nachbarn können auf den Datenverkehr zugreifen, noch ein Mitbewerber in der Industrie an sensible Informationen eines Konkurrenten gelangen. Vor allem in Bereichen, in denen nicht gefunkt werden kann oder darf, könnte VLC bald eine Alternative sein: Flugzeuge oder Operationssäle sind nur zwei Beispiele.

Welche Farbe die LEDs haben und ob sie punktuell oder mit einem breiten Lichtkegel streuen, spielt für die Geschwindigkeit der Datenübertragung keine Rolle. Und die ist hoch, deutlich höher als derzeit im klassischen W-Lan per Funk möglich wäre. Die aktuelle Geschwindigkeit bei VLC liegt bei 1,25 Gigabit pro Sekunde, selbst neueste Funkrouter machen bei maximal einem Gigabit schlapp. Die jeweilige Netzqualität der Anbieter liegt noch einmal deutlich darunter, derzeit im besten Fall bei einem Fünftel dieser Geschwindigkeit. "Der Chip des Empfängers ist das Limit, die LEDs könnten theoretisch noch mehr", beschreibt Heinrich Straub.
Diesen weiterzuentwickeln liegt nun wieder in Hand der Forscher des Fraunhofer-Instituts in Berlin. Parallel dazu soll die VLC-Technologie für den mobilen Alltag fit gemacht werden. Das heißt: Der Licht-Empfänger muss so klein werden, dass er in Smartphones, Tablet-Computer oder Laptops passt und von diesen Geräten nicht zu viel Energie abzapft. Bis zur Marktreife wird es noch dauern. "Das kommt auch auf das Interesse potenzieller Kunden an", sagt Straub. Die weitere Entwicklung läuft ohne die Insel Mainau ab.
Dort konzentriert man sich auf das nächste Projekt, gemeinsam mit der Deutschen Telekom. Dabei geht es um Small Cells – auf deutsch: kleine Funkzellen. Sie sollen eine Alternative zu großen Funkmasten sein und Versorgungslücken schließen. "Die Strahlung ist auch hier geringer als bei den klassischen Funkmasten", nennt Heinrich Straub eine Gemeinsamkeit zur VLC-Technologie. Der Flugmodus muss jedoch ausgeschaltet sein, kleine Funkzellen hin oder her.
So funktioniert die VLC-Technologie
Auch dort mobil und ohne Kabel zu kommunizieren, wo Funkverbindungen nicht möglich oder nicht gewünscht sind – das ist das Ziel der VLC-Technologie. VLC steht für Visible Light Communication, die Kommunikation durch sichtbares Licht:
- Geschwindigkeit: Möglich ist die Datenübertragung mit Leuchtstofflampen oder LEDs. Da die Übertragungsrate bei LEDs deutlich höher ist, konzentrieren sich die Entwickler auf diese Art der Beleuchtung. Die Daten werden Huckepack mit der Raumbeleuchtung transportiert. Laut dem Fraunhofer-Institut sind aktuell Datenraten von bis zu 1,25 Gigabit pro Sekunde möglich. Dies entspricht einem hohen Wert, der mit der derzeitigen W-Lan-Technik kaum erreichbar ist. Selbst leistungsstarke Router kommen nicht über ein Gigabit pro Sekunde.
- Nutzen: Da die Übertragung per Licht keine Störungen mit Funkverbindungen oder technischen Geräten erzeugen, kann die VLC-Technologie auch von Passagieren in Flugzeugen oder in Operationssälen genutzt werden. Als mögliche Einsatzorte nennen die Forscher am Fraunhofer-Institut außerdem Unterwasser-Kommunikation, Museen oder Straßenlaternen im öffentlichen Raum. Bedenken wegen Elektrosmog entfallen, ebenso wie der Wechsel von Frequenzen in unterschiedlichen Ländern. (bbr)