Gerade eben haben noch die Computermäuse geklickt und bunte Männchen auf den Bildschirmen geblinkt, jetzt brandet lauter Applaus auf für die Nachwuchsprogrammierer an der Gebhardschule. Vier Tage lang hat „Animation Code“ gedauert, ein Projekt der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Baden-Württemberg (LKJ), in dessen Rahmen 19 Sechst- und Siebtklässler die Grundlagen des Programmierens kennengelernt haben.
Am letzten Nachmittag haben sie ihre Werke nun begeisterten Mitschülern präsentiert und Beifall bekommen. „Das ist ganz wichtig“, weiß Medienreferent Andre Wruszczak, der selbst Programmierer ist, „denn wenn man die Reaktionen anderer sieht, merkt man, dass man nicht für nichts gearbeitet hat.“

Zahlreiche Schulen in Baden-Württemberg hatten sich für die Teilnahme an „Animation Code“ beworben – und die Konstanzer haben als eine von fünf den Zuschlag bekommen. Im Gegensatz zu anderen Lehranstalten, wo ganze Klassen teilnehmen, mussten sich in der Gebhardschule interessierte Schüler aktiv bewerben.
„Hier sind nur Schüler, die Lust auf das Projekt hatten“, sagt Diana Schleuter-Hofmann, die projektverantwortliche Lehrerin. Während die Nachwuchsprogrammierer also an ihren Werken arbeiteten, musste der Rest ganz normal pauken. Stoff, den das „Animation Code“-Team später nachholt.

Die Schüler warten morgens darauf, ins Klassenzimmer gelassen zu werden
Die Begeisterung für das Projekt war so groß, dass „die Schüler in der Frühe vor dem Raum darauf gewartet haben, dass ich aufschließe“, wie Schleuter-Hofmann sagt, „sie saßen dann aber nicht vor dem Rechner und haben gedaddelt. Sie haben richtig viel gearbeitet.“
Die Schüler selbst waren von der Abwechslung vom Alltag angetan. „Ich habe mich darauf gefreut, weil mich Computer interessieren“, sagt Ilena und Jasmin ergänzt: „Ich habe gelernt, dass echt viel Arbeit hinter einem Spiel steckt.“

Von der Story über Knetfiguren zum fertigen Spiel
Anfangs setzten sich die Schüler in kleinen Gruppen zusammen und überlegten sich ein Storyboard, in dem die späteren Szenen der Spiele oder Animationen stehen. Dann bauten sie in einem sogenannten Kreativraum Ministudios. Dort wurden die Figuren der späteren Animationen aus Knete oder mit Legosteinen gebaut, Hintergründe gestaltet und Musik aufgenommen oder ausgewählt. Die Figuren wurden dann in verschiedenen Posen fotografiert, ehe sie digitalisiert wurden.

„Das kennt man so auch vom Trickfilm“, erklärt der Medienpädagoge Oliver Koll und zeigt als Beispiel ein Gif, auf dem es aus einem Knet-Vulkan vor dem Bild einer Mondlandschaft raucht.

Das Ziel des Projektes war, dass die Schüler nicht nur reproduzieren, sondern eigene Ideen umsetzen und Welten und Räume erschaffen und dabei verschiedene künstlerische Techniken ausprobieren und einsetzen. Es solle „als Einstieg in die Programmierung dienen“, erklärt Andre Wruszczak, „sie sollen künftig auch zu Hause alleine solche Projekte machen können.“
Daher wurde das internetbasierte Programm Scratch verwendet, das von überall bedienbar ist, ohne etwas herunterladen zu müssen. Die Aufteilung in zwei Räume sei dabei sehr wichtig gewesen, erklärt Koll: „Der Computer muss auch zwischendurch mal ausgemacht werden, die Abwechslung fördert den Kreativprozess.“

Hier können Sie drei der Schüler-Spiele selbst ausprobieren
Bei Catball geht es darum, mit der Leertaste auf der Computertastatur den Ball anzuhalten, damit er nicht die Katze trifft.
Bei Geometry Dash geht es darum, mit den Buchstaben-Tasten W,A,S,D den Ball durch das Labyrinth zu bewegen.
Bei Feed the horse muss man mit der Maus Karotten einsammeln - aber keine Pferdestriegel!
Ist das alles pädagogisch sinnvoll?
Doch wie passt das zusammen? Auf der einen Seite werden immer mehr Waldkindergärten eröffnet, um die Jugendlichen an die frische Luft zu bringen, und auf der anderen Seite setzen sie sich in der Schule vor den Rechner, um ausgerechnet Spiele zu programmieren?
Die Projektverantwortlichen unterscheiden dabei zwischen dem Nutzen und dem Erstellen eines Spiels.
„Ich denke schon, dass das manche Eltern kritisch sehen“, weiß Medienreferent Koll, „es ist aber ein Unterschied, ob man nur spielt oder auch weiß, was im Hintergrund passiert. Wir zeigen, wie es funktioniert. Spielen tun die meisten sowieso.“
Er vertraue den Jugendlichen und Schülern. „Die meisten wissen: Wenn ich fürs Abi lernen muss, bleibt die Kiste halt aus.“
"Die Kids wollen eben Spiele machen, die wie die Spiele sind, die cool finden."
Auch die Tatsache, dass in vielen der programmierten Spiele geballert wird, ist für Referenten und Pädagogen nicht schlimm. „Ich finde das nicht super-bedenklich“, sagt der Software-Entwickler Andre Wruszczak. „So lange in den Spielen nicht auf Mitschüler geschossen wird oder es sich um mutwillige Zerstörung oder Tötung handelt, ist es im Rahmen. Die Kids wollen eben Spiele machen, die wie die Spiele sind, die sie cool finden.“
Für Informatik-Lehrerin Diana Schleuter-Hofmann ist das eine Folge davon, dass die Schüler sich auch „in der Freizeit damit beschäftigen. Das ist doch eigentlich eher schade, dass viele Spiele so aufgebaut sind.“
Positiver Mehrwert für Schüler – und Referenten
Für die Lehrerin standen vielmehr die positiven Effekte im Vordergrund: „Die Schüler sind ja nicht nur am Computer gesessen: Die Hälfte des Projektes fand im kreativen Bereich statt.“ Auch der Medienpädagoge und Filmemacher Oliver Koll zieht ein positives Fazit. „Ich glaube, das ist ein guter Mehrwert und eine tolle Ergänzung zum Unterricht. Es fördert die Kreativität der Schüler – und der Referenten“, sagt er lachend.

Die Ergebnisse konnten sich allesamt sehen lassen. Bei einem Spiel muss eine Katze einem herunterfallenden Ball ausweichen:
Bei anderen wird vor einer Mondlandschaft ein Alien mit Kerzen beschossen:
„Die Schüler waren echt gut hier“, lobt Oliver Koll, und Andre Wruszczak ergänzt: „Ein paar Spiele sind recht fortgeschritten.“ Die größte Bestätigung gab es allerdings von den Mitschülern: in Form von lautem Applaus.