Emilias Eltern haben die Frage aller Fragen mit einem Nein beantwortet: Muss mein Kind aufs Gymnasium? Dabei könnte Emilia durchaus eines besuchen, ihre Noten wären gut genug. Die Familie aber entschied sich für jene Schulform, die in Konstanz derzeit viel Zulauf hat: die Gemeinschaftsschule.
Dort ist Emilia inzwischen in der elften Klasse und will in zwei Jahren das Abitur in der Tasche haben. Es ist die erste Oberstufe an der Konstanzer Gemeinschaftsschule. Mit einem für viele Eltern, Schüler aber auch Lehrer entscheidenden Vorteil: Das Abitur wird nach neun statt in nach acht Jahren gemacht.

Was unterscheidet das Abitur an der Gebhardschule von dem an einem Gymnasium?
"Inhaltlich ist die Oberstufe an unserer Gemeinschaftsschule identisch mit einer Oberstufe an einem allgemeinbildenden Gymnasium", erklärt Rektorin Elke Großkreutz. Nach drei Jahren schreiben ihre Schülerinnen und Schüler dieselben Prüfungen, zum selben Zeitpunkt wie alle anderen Abiturienten in Baden-Württemberg.
Wie die Lehrer aber den Bildungsplan vermitteln, bleibt ihnen wie auch am Gymnasium selbst überlassen. "Wir nehmen alles mit in die Oberstufe, was sich bisher bewährt und was die Schülerinnen und Schüler auch gut fanden", sagt Elke Großkreutz.

Jeder Schüler hat einen Ansprechpartner, von dem er individuell betreut wird. Konkret heißt das: Es gibt feste Termine, bei denen die Schüler mit den Lehrern ihre Lernziele festlegen und überprüfen, aber auch über Persönliches sprechen können – wie hier Emilia mit Carsten Heinichen.
"Am Gymnasium ist die Beziehung zwischen Lehrern und Schüler eher distanzierter und kühler", bemerkt ihr Mitschüler Tarig. Er wechselte nach der sechsten Klasse auf die Gemeinschaftsschule, weil ihm das Gymnasium zu stressig war.

Nach dem Wechsel habe er wieder mehr Zeit gehabt und spielt bis heute Fußball im Verein.
Frontalunterricht und Lerngruppen: So lernen Schüler an der Gemeinschaftsschule
Marcus Weber unterrichtet die Oberstufe in Deutsch und Geschichte. Sein Unterricht beginnt, wie auch in den unteren Klassenstufen, sozusagen klassisch frontal mit einer Einführung in das Thema, dem sogenannten Input. Allerdings geht es nach dieser kurzen Einführung gerade auch in der Oberstufe direkt in die Gruppen – oder Einzelarbeit.
Dabei kann wie David jeder selbst entscheiden, ob er lieber im Klassenzimmer oder draußen in den Lernecken weitermachen will.

Am Ende der Stunde müssen die Schüler das Ergebnis der Einzel- und Gruppenarbeit vor der Klasse präsentieren.
Nach dem regulären Unterricht nutzen nach Angaben von Rektorin Elke Großkreutz viele auch das freiwillige Angebot, bis 17 Uhr in der Schule zu bleiben und die Lerninhalte in der Gruppe statt alleine zu Hause nachzuarbeiten.
Ein Lehrer ist als Ansprechperson auch am Nachmittag da, aber die Schüler sollen sich in erster Linie selbst organisieren.
Klappt das immer so gut? "Wir müssen ja nicht da bleiben", antwortet Tarig. "Der Freiraum, den die Schüler hier haben, wird eher genutzt statt missbraucht", ergänzt Benjamin Schmidlin, Englisch und Sport-Lehrer.

Der Unterricht an der Gemeinschaftsschule, sagt Luis, passe für ihn gut. Er ist erst seit gut einem Jahr hier. Nach der 10. Klasse an der Realschule sei für ihn klar gewesen, dass er auf jeden Fall weitermachen will. Auch ein berufliches Gymnasium habe zur Diskussion gestanden, letztlich fiel die Wahl aber auf die Gemeinschaftsschule.

Einen Notenschnitt von mindestens 2,3 hat er gebraucht, um von der Realschule in die Oberstufe der Gemeinschaftsschule zu wechseln.
Gut möglich allerdings, dass er doch noch in die angrenzende Zeppelin-Gewerbeschule wechselt – zumindest räumlich. Denn die Gemeinschaftsschule hat schon jetzt ein Platzproblem und wird spätestens kommendes Schuljahr mal wieder mit provisorischen Lösungen arbeiten müssen. Denn bis der Neubau für die Oberstufe auf dem Parkplatz neben dem Bestandsgebäude fertig ist, feiern vielleicht schon die ersten Abiturienten ihr Zeugnis.