42 Jahre nach ihrer Gründung wird die Geschwister-Scholl-Schule (GSS) nur noch zwei statt drei Schularten unter ihrem Dach vereinen. Nach dem laufenden Schuljahr wird die Werkrealschule – Nachfolger der Hauptschule – am Standort in der Schwaketenstraße auslaufen und fortan keine neuen Schüler mehr aufnehmen. Dies haben die Mitglieder des Gemeinderats mit 21 zu 15 Stimmen bei drei Enthaltungen beschlossen. Damit werden künftig nur noch an der Berchenschule Werkrealschüler unterrichtet.
Seit seiner Kür zum Unwort des Jahres ist der Begriff alternativlos in der Politik nicht mehr gern gehört. Dennoch stellte Sozialbürgermeister Andreas Osner fest: "Wir haben keine andere Wahl." Der Satz bezog sich auf die Einstellung der Werkrealschule an der Geschwister-Scholl-Schule. Zuvor hatte das Staatliche Schulamt Konstanz ein sogenanntes Hinweisverfahren wegen mangelnder Anmeldezahlen in dieser Schulart eingeleitet. Man könne weitere Jahre und ein zweites Hinweisverfahren zuwarten, argumentierte Osner, "oder wir entscheiden jetzt und haben Planungssicherheit". Gleichzeitig stellte er fest, dass die Empfehlung der Verwaltung nicht im Zusammenhang mit der Pädagogik der Lehrer des Werkrealschulzweigs an der GSS stehe: "Die Wertschätzung ist groß."
Zuletzt kaum noch Anmeldungen
Andersherum war die Wertschätzung der Eltern für den Schultyp an der Scholl-Schule zuletzt nicht mehr groß. Seit Jahren sinken die Anmeldezahlen, seit dem Schuljahr 2015/16 gibt es dort bereits keine fünften Werkrealschulklassen mehr, zuletzt wurden die Schüler bereits vom Schulamt Konstanz an die Berchenschule gelenkt. Dort werden sich Schüler des niedrigsten Bildungsabschlusses künftig weiter konzentrieren. Die Schule soll nach Entscheidung des Gemeinderats als alleinige Werkrealschule künftig sechs Behelfsräume enthalten, um den Bedarf zu decken, bis die weitere Entwicklung der Konstanzer Schullandschaft feststeht. Stadträtin Gabriele Weiner (Junges Forum Konstanz) stellte sich gegen diesen einseitigen Fokus und blickte auf die Belastungen für die Berchenschule. "Was soll sie denn noch alles leisten?", fragte sie und zählte dabei auf: "Rückläufer aus der Realschule, lernunwillige Schüler oder die Aufgaben bei der Inklusion."
Je älter, desto mehr Werkrealschüler
Aus Sicht von Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) hätte es – entgegen der Sichtweise Andreas Osners – eine Wahl gegeben. Mit Blick auf die steigenden Schülerzahlen an der Werkrealschule nach Klasse 6 plädierte der ehemalige Rektor der Scholl-Schule dafür, sie so lange wie möglich zu halten. "Im Übermut schneiden wir dem Schülerverbund nun das dritte Bein ab und gehen in eine Richtung, die den Kindern schadet", sagte Müller-Fehrenbach. Damit folgte er der Argumentation von Dirk Tinner, Abteilungsleiter der GSS-Werkrealschule, der die Gemeinderatsfraktionen in einem Schreiben aufgerufen hatte, einem vorzeitigen Auslaufen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zuzustimmen und stattdessen die weitere Entwicklung abzuwarten.
So könnten unter anderem Schüler aus internationalen Vorbereitungsklassen, deren Sprachkenntnisse noch nicht für die Regelschule ausreichen, nirgends so gut gefördert werden wie an der Scholl-Schule. Zudem verwies Tinner darauf, dass Werkrealschulen während der Schullaufbahn wachsen. Die jetzigen neunten Klassen an der GSS wurden in Klassenstufe 5 zwar nur von zwölf Schülern besucht. "Jetzt sind es 52", rechnet er in dem Schreiben vor.

Freie Grüne Liste uneinig
Gespalten zeigte sich die Fraktion der Freien Grünen Liste (FGL). So stellte Dorothee Jacobs-Krahnen eine Abstimmung mit den Füßen fest. "Die Kinder und ihre Eltern haben sich längst gegen die Werkrealschule entschieden", sagte sie. Erkennbar sei das an den niedrigen Anmeldezahlen der vergangenen Jahre. Auch Till Seiler sprach sich für das Auslaufen der GSS-Werkrealschule aus und sah darin die beste Möglichkeit, dass sich die Scholl-Schule als attraktiver Schulstandort neben der Gesamtschule rund um den Zähringerplatz behaupten könne. Dagegen argumentierte Anne Mühlhäuser, es sei eine Gefahr, sich von landespolitischer Stimmung treiben zu lassen. "Wir müssen schauen, was für Konstanz passt", sagte sie. Dort brauche es eine zweite Werkrealschule mit Blick auf die Belastungen für die Lehrkräfte.
Aus Paragraf 30, Abs. 2 Schulgesetz Baden-Württemberg
„Wird in zwei unmittelbar aufeinander folgenden Schuljahren die Mindestschülerzahl von 16 in der Eingangsklasse nicht erreicht [...], ist die Schule durch die oberste Schulaufsichtsbehörde zum darauf folgenden Jahr aufzuheben.“
Was der Hinweis des Schulamts bedeutet
Ende Oktober hat das Staatliche Schulamt Konstanz der Stadt als Schulträger ein Hinweisverfahren zur Geschwister-Scholl-Schule übermittelt. Enthalten darin ist die Aufforderung, dass die Werkrealschule "zum Schuljahr 2019/2020 aufzuheben ist", wenn sich dort in zwei oder mehr Jahren hintereinander nicht mehr als 16 Fünftklässler anmelden:
- Werkrealschüler an der GSS: Bereits seit 2012/13 wurde diese Zahl nicht mehr erreicht, seit 2015/16 gibt es an der GSS keine fünfte Werkrealschulklasse mehr, im laufenden Schuljahr wurden jeweils drei angemeldete Fünftklässler an die Berchenschule und die Realschule der GSS gelenkt.
- Mögliche Ausnahmen: Die Schule muss nach Paragraf 30 des Schulgesetzes bei einer dauerhaften Nicht- oder Unterbelegung nur dann erhalten bleiben, wenn "kein entsprechender Bildungsabschluss in zumutbarer Erreichbarkeit angeboten wird", wie das Schulamt mitteilt. Andere Ausnahmeregelungen, zum Beispiel ein besonderes pädagogisches Konzept, sieht der Gesetzgeber nicht vor.
- Zumutbare Erreichbarkeit: Es gibt keine festen Zeit- oder Kilometerangaben bei der Bemessung des Schulwegs. Laut Schulamt werden unter anderem das Alter der Schüler oder regionale Gegebenheiten berücksichtigt, wozu auch die Abdeckung des öffentlichen Personennahverkehrs zählt.
- Weiteres Vorgehen: Die Werkrealschüler der GSS werden nicht vor die Tür gesetzt. Die Aufhebung erfolgt schleichend, indem keine neuen Schüler aufgenommen werden. (bbr)