Bei regnerischem und kühlem Wetter trat der Konstanzer Gemeinderat am 22. Juli 1920 im Rathaus zu einer Sitzung zusammen. Auf der Tagesordnung stand die Einrichtung eines Freibads. Ein solches hatte es bis dato in der Stadt noch nicht gegeben. Denn bis Ende des Ersten Weltkriegs badeten die Konstanzer züchtig nach Geschlechtern getrennt in hölzernen Badeanstalten, die rund um den Bodensee schon im 19. Jahrhundert errichtet worden waren.

Die damalige Bade- und Kleiderordnung war streng, auch die Männer trugen Badeanzüge. Doch die Zeit der weitläufigen Freibäder war nach Ende des Ersten Weltkriegs endgültig angebrochen, oder wie es eine Schweizer Historikerin doppeldeutig und treffend formulierte: Die Moral ging nach 1918 baden, so Eva Büchi.
An der östlichen Spitze des Bodanrücks (genauer gesagt auf dem Flurstück „Hornacker“) sollte ein neues Freibad eingerichtet werden. Dort, in bevorzugter landschaftlicher Lage, hatte in den Jahren zuvor schon vielfach „wildes“ Baden stattgefunden. Das neu errichtete Bad wurde freilich nur in einfachster Form ausgeführt.
Bischof kritisiert das „moderne Badeunwesen“
Der Gemeinderat hatte nämlich lediglich die Herstellung einer das gesamte Gelände umfassenden „Abschrankung“, das Ausbringen eines Flosses und die Einstellung eines Bademeisters „aus der Zahl der Kriegsbeschädigten“ beschlossen. Das im Stadtarchiv verwahrte Ratsprotokoll ist somit die Geburtsurkunde des Freibads Horn. Die Einheimischen nannten es bald schon liebevolle schlicht „Hörnle“. Diese Bezeichnung trägt das Freibad im Volksmund bis heute, genau 100 Jahre danach.
Sozialdemokraten und Liberale begrüßten das Projekt zusammen mit dem seit 1918 amtierenden Oberbürgermeister Otto Moericke (liberal). Der Zentrums-Partei und dem katholischen Klerus ging jedoch ein öffentliches Freibad ohne Geschlechtertrennung entschieden zu weit. Dort fürchtete man den Verfall von Sitte und Moral. Der Freiburger Erzbischof Karl Fritz urteilte deutlich: „Das moderne Badeunwesen ist zuletzt nur eine neue Äußerung des unchristlichen, materialistischen Geistes“.

Zur Badesaison 1925 ließ Otto Moericke erstmals Toiletten in Form eines fahrbaren „Aborthäuschens“ installieren. Er veranlasste zudem, dass die bis heute bestehenden betonierten, in den See führenden Laufstege angelegt wurden. Dabei war die Situation des neuen Freibads noch keineswegs stabil.
Schafe und Kühe weiden auf dem „Hörnle“
So fühlte sich etwa der Wirt des Waldhauses Jakob im Sommer 1924 ermächtigt, seine vier Kühe und drei Schafe auf dem „Hörnle“ weiden zu lassen, was wiederum den Oberbürgermeister auf den Plan rief: „Der Platz wird durch den Kuhdung erheblich verunreinigt, es werden auch die Badegäste durch das Vieh belästigt.“ Er untersagte dem Wirt jede weitere Beweidung des Freibads.
Bis heute hält sich in Teilen der Bevölkerung das Gerücht, dass aufgrund städtischer Verpflichtungen aus der vermeintlichen Schenkung des Geländes durch eine ominöse Stiftung im Freibad Horn kein Eintritt zu bezahlen sei. Das entspricht nicht den Tatsachen.

Fakt ist, dass schon bei Gründung des „Hörnles“ kein Eintritt erhoben wurde, da der Gemeinderat zusammen mit dem Oberbürgermeister der Ansicht war, dass ein Großteil der Bevölkerung ein Eintrittsgeld als „sehr unangenehm“ empfinden würde.
Spätestens mit der Neueröffnung des Strandbades Jakob im Sommer 1934 war diese Frage endgültig geklärt: Das Freibad Jakob verlangte als Urlauber- und Besserverdienerbad Eintritt, das Hörnle als Volks- und Familienbad blieb frei. Und das bis zum heutigen Tag, wie Bäderchef Robert Grammelspacher im letzten Jahr in einem Zeitungsinterview nochmals zusicherte.
Doch zurück in die Anfangsjahre des Freibads. Die neue Badeordnung regelte den Betrieb, etwa in Paragraph 2: „Das Baden ist nur in schicklicher Badekleidung erlaubt.“ Tatsächlich setzte sich bei den Herren statt des Badeanzugs die modische Dreiecksbadehose durch, bei den Damen kam allmählich der Bikini auf.
Im Nationalsozialismus wurde die Bäderlandschaft durch eine neue Einrichtung erweitert, dem im Oktober 1937 eröffneten Kur- und Hallenbad am Seerhein. Es war das modernste Hallenbad rund um den Bodensee. Als Alpinist und Sportler lag dem Nachfolger des 1933 zum Rücktritt gezwungenen Moericke das Schwimmen sehr am Herzen. Albert Herrmann (NSDAP) trieb daher neben dem Hallenbadbau auch die Errichtung des Bodenseestadions und den Neubau des Jakobsbads voran.
Unter französischer Besatzung kam das Baden, das ab 1943 wegen der Gefahr von Angriffen durch alliierte Tiefflieger verboten worden war, schnell wieder in Gang. Das Hörnle wurde im Juni 1946 für die deutsche Bevölkerung und auch für das französische Militär und deren Angehörigen freigegeben. Doch trennte bis mindestens 1950 ein Stacheldrahtzaun das Freibad mittig.

Das ärgerte Stadtrat Fischer (DP), weshalb er im Rat forderte – hier in indirekter Rede wiedergegeben: Man rede dauernd von Verständigung, aber gerade an einem Badestrand belasse man künstliche Hindernisse, die längst überflüssig seien. Wie man an diesem Beispiel sieht, war die deutsch-französische Aussöhnung ein langer und steiniger Weg.
Der „Herr des Hörnles“ kontrolliert mit Waffe
„Herr“ über das Freibad war von den 1930er bis in die 1960er Jahre Bademeister Wilhelm Breimaier. Sein Dienst im Hörnle begann morgens um 6 Uhr und endete nicht vor 20 Uhr – eine satte 14-Stunden-Schicht. Sein Arbeitstag begann immer mit einem Kontrollgang. Mit einem abgerichteten Hund und einer Schusswaffe versehen durchstreifte er auch den angrenzenden Wald.
Dann hatte er oftmals Holzplatten in den Umkleidekabinen anzunageln, denn immer wieder wurden die Wände angebohrt, um einen Blick in die Nachbarkabinen zu erhaschen. Entsprechend oft mussten auch damals schon von städtischen Arbeitern „obszöne Aufschriften“ in den Umkleidekabinen übertüncht werden.
An schönen Sommertagen lockte das Hörnle in den 1950er Jahren täglich 5000 bis 6000 Badegäste an. Die landschaftliche Schönheit, die Qualität des Wassers und der herrliche Blick wurden allseits gelobt. Vielfach stellten auswärtige Badegäste aus Hamburg, Bremen, Köln und Stuttgart gegenüber dem Bademeister fest: „Das Freibad Horn ist das schönste Strandbad Deutschlands“ – so zumindest durfte der SÜDKURIER Wilhelm Breimaier im Juli 1959 zitieren.
