Herr Conrady, einmal im Jahr zeichnet das baden-württembergische Wirtschaftsministerium Menschen und Unternehmen aus, die sich besonders um die Wirtschaft des Landes verdient gemacht haben. In diesem Jahr ging die Wirtschaftsmedaille neben fünf weiteren Persönlichkeiten auch an Sie. Wissen Sie, wer Sie für die Ehrung vorgeschlagen hat?
Nein. Und ehrlich gesagt ist es für mich nicht entscheidend. Ich sehe die Auszeichnung nicht als meine persönliche Belohnung an, sondern als Gesamtwürdigung. Nur mit einem funktionierenden Team lassen sich zusätzlich zur Unternehmensleitung zahlreiche Ehrenämter stemmen. Deshalb habe ich die Wirtschaftsmedaille meinem Team mitgewidmet.
Sie sprechen von Ihren Aufgaben als Präsident der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee (IHK) und in den Vorständen des Berufsverbandes auf Bundes- und Landesebene ...
Ja, die IHK deckt ja die Landkreise Konstanz, Waldshut und Lörrach ab. Da gibt es viel zu tun. Allein das Thema Ausbildung ist nicht zu unterschätzen. Bei der IHK kümmern sich zahlreiche Mitarbeiter und rund 2000 Prüfer ehrenamtlich um die Prüfungsunterlagen für die Abschlüsse in den Mitgliedsbetrieben. Unseren Auftrag sehe ich in der Sicherstellung der Ausbildung. Dazu gehört die Sorge, dass wir genügend Prüfer für die vielen Fachrichtungen haben.
Wie gelingt Ihnen das?
Indem wir die aufwendige Arbeit der Prüfer würdigen. Sie sind Meister in ihren Berufen und kennen ihr Fach am besten. Deshalb stellen sie auch die Prüfungsunterlagen zusammen. Diesen Einsatz haben wir gerade erst gefeiert und 60 Prüfer ausgezeichnet. Zwei von ihnen haben über 40 Jahre lang regelmäßig Abschlussprüfungen abgenommen.
In Ihrem Hauptberuf leiten Sie die Conrady Gruppe, ein großes Reinigungsunternehmen mit mittlerweile 4500 Beschäftigten. Wie schaffen Sie es, im hart umkämpften Arbeitsmarkt immer wieder neue Mitarbeiter und Nachwuchskräfte zu finden?
Nun, indem wir im täglichen Umgang mit unseren Mitarbeitern für eine hohe Zufriedenheit sorgen und damit neue anziehen – man sagt dazu auch Arbeitgeber-Attraktivität. Wenn Sie da einen Wettbewerb der IHK-Betriebe mit der Handwerkskammer Konstanz sehen, die für ihre Lehrstellen ebenfalls Bewerber sucht, so kann ich Entwarnung geben. Wir verstehen uns nicht als Konkurrenz. Wir sehen eher Fehler in der Vergangenheit, weil man dem Studium einen höheren Stellenwert eingeräumt hat als einer beruflichen Ausbildung. Diese Politik fällt uns jetzt auf die Füße.

Ist es denn nicht richtig, dass ein Studium höhere Gehälter verspricht als eine Ausbildung?
Der BW-IHK, die Dachorganisation der zwölf IHK in Baden-Württemberg, hat kürzlich eine Studie in Auftrag gegeben, in der genau diese Frage ausgeleuchtet wurde. Das Ergebnis ist verblüffend. Wenn es um das Lebensarbeit-Einkommen geht, so unterscheidet es sich am Ende eines langen Berufslebens bei ähnlichen Bedingungen gerade mal um rund 1000 Euro.
Wo sehen Sie bei sich ein besonderes Talent?
Ich kann Menschen zusammenbringen. Ich fühle mich als Netzwerker und pflege Kontakte: mit anderen IHK. Das ist besonders an der EU-Außengrenze zur Schweiz sehr wichtig. Ich kann immer nur wiederholen, dass wir die Schweiz als Partner sehen müssen. Gerade die Corona-Pandemie mit der abrupten Schließung der Grenzen hat uns vor Augen geführt, wie wichtig offene Grenzen in einer offenen Gesellschaft sind. Durch persönliche Beziehungen mit den Kammern in Basel und Kreuzlingen können wir gemeinsame Wirtschaftsinitiativen abstimmen.
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut hat in ihrer Würdigung auch Ihr Streuobstwiesen-Projekt erwähnt. Warum machen Sie das?
Wir haben als Unternehmen eine Verantwortung für die Lebensgrundlage späterer Generationen. Und da geht es auf vielen Ebenen um das Thema Nachhaltigkeit. Deshalb haben wir ethische Standards entwickelt, die sich gleichermaßen auf die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter, deren Motivation und die Weiterentwicklung von Umweltstandards beziehen. Auf Anregung des Gottmadinger Umweltbeauftragten Eberhard Koch entstand so auch das Streuobstwiesenprojekt. Wir haben mittlerweile über 500 Apfel- und Birnbäume in Gottmadingen und in anderen Regionen gepflanzt.

Kann man bei 4500 Mitarbeitern überhaupt noch von einem mittelständischen Unternehmen sprechen?
Wir empfinden uns trotz der Personalstärke und mit einem geplanten Jahresumsatz von 100 Millionen Euro als Mittelständler. Wir sind in der Vergangenheit durch Zukäufe von Familienunternehmen stark gewachsen und wollen auch noch weiter organisch wachsen. Wie kann das gelingen? Nun, indem man Menschen mag und ihnen nahe ist. Das ist das Wichtigste in der Reinigungsbranche, in der die Personalkosten 80 bis 90 Prozent ausmachen. Wir haben Mitarbeiter aus 60 Nationen in 13 Niederlassungen beschäftigt. Da gibt es natürlich auch mal Konflikte. Wir sind aber ein Beispiel für gelungene Integration, weil bei uns eine Kultur der Toleranz, Offenheit und des Respekts gepflegt wird.
Sie sind Landesinnungsmeister des Gebäudereiniger-Handwerks in Baden-Württemberg und im Vorstand der Bundesinnung. Mit der Wirtschaftsmedaille wird auch ein Schlaglicht auf diese Branche geworfen. Welche Wirkung versprechen Sie sich davon?
Ich stehe für rund 700.000 Mitarbeiter in Deutschland, die eigentlich immer im Hintergrund gearbeitet haben. In der Corona-Pandemie wurde die Branche plötzlich systemrelevant. Es ist meines Erachtens wichtig, dass die Arbeit dieser Alltagshelden in der Reinigung, aber auch in der Pflege, gesehen wird. Das wird durch die Medaille noch einmal unterstrichen.