Wohnbaugenossenschaften sind wie eine große Familie. Einmal im Jahr kommt man zusammen, um sich seiner Zugehörigkeit zu versichern. Und die ist natürlich dort größer, wo man zusammen wohnt. Das zeigte sich auch bei der 73. Mitgliederversammlung der Gottmadinger Wohnbaugenossenschaft (WBG).

Tischweise gruppierten sich die Bewohner. Hier die alteingesessenen, dort die frisch in die neue Wohnanlage eingezogenen Mieter. Was alle eint, ist der Genossenschaftsgedanke. Im Falle der Gottmadinger WBG wird er schon seit über 70 Jahren erfolgreich gepflegt.

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Dass die WBG gut gewirtschaftet hat, zeigt sich nicht nur am Anstieg der Bilanzsumme um 10,7 Prozent auf 19,3 Millionen Euro, sondern auch an der deutlich gewachsenen Zahl der Wohnungen. Gerade erst wurden in der Hardstraße 54 moderne Wohneinheiten fertiggestellt.

Damit erhöhte sich die Zahl der Mietwohnungen gegenüber dem Vorjahr von 298 auf 352 Einheiten. Die Wohn- und Nutzfläche wuchs von 21 419 auf 25 197 Quadratmeter. Das ist eine Steigerung um 17,6 Prozent.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der WBG, Michael Klinger (links), würdigte die Arbeit der hauptamtlichen Vorsitzenden Vera Federer und ...
Der Aufsichtsratsvorsitzende der WBG, Michael Klinger (links), würdigte die Arbeit der hauptamtlichen Vorsitzenden Vera Federer und ihres ehrenamtlichen Stellvertreters Joachim Blatter. Der Vorstand wurde ohne Gegenstimmen entlastet. | Bild: Trautmann, Gudrun

Trotz der hohen Investition bleibt unterm Strich für das Jahr 2021 ein Bilanzgewinn von 73.973 Euro. Mit zehn Millionen Euro schlägt in der Bilanzsumme allein die neue Wohnanlage in der Hardstraße zu Buche. Da eine solche Investition nicht ohne Kredit zu bewältigen ist, erhöhen sich die Verbindlichkeiten der WBG um 1,4 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote der Genossenschaft liegt bei 22,6 Prozent und ist damit gegenüber dem Vorjahr um 0,2 Prozent gestiegen, wie der zweite Vorsitzende Joachim Blatter ausführte.

Bauvorhaben wird auf Eis gelegt

Eigentlich hätte das alles so weitergehen sollen. Denn bezahlbare Wohnungen werden auch in Gottmadingen dringend benötigt. Ein Gebäuderiegel in der Fliederstraße soll durch 38 neue Wohnungen mit hohem Energiestandard ersetzt werden. Die entsprechende Baugenehmigung liegt auch schon vor.

Trotzdem hat der Vorstand in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat das Projekt zurückgestellt. Der Grund sind die explosionsartig gestiegenen Baukosten. Vera Federer stellte das in einem anschaulichen Vergleich dar: „Wenn wir mit dem Bau der 38 Wohnungen jetzt starten würden, müssten wie so viel bezahlen wie für die 54 Wohnungen in der Hardstraße.“ Die Wohnblocks stehen bereits leer. Die bisherigen Mieter konnten zumeist in anderen WBG-Wohnungen unterkommen, zum Teil auch in der Hardstraße.

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Während der zwei vergangenen Corona-Jahre seien die Mieter viel zurückhaltender mit der Instandhaltung ihrer Wohnungen gewesen. „Durchschnittlich“, so rechnet Vera Federer vor, „kostet die Modernisierung einer Wohnung die Genossenschaft rund 40.000 Euro.“

Mit einer Durchschnittskaltmiete von 6,76 Euro pro Quadratmeter liegt die WBG knapp unter vergleichbaren Genossenschaften. Diese verlangten von ihren Mietern 2021 im Schnitt 6,84 Euro pro Quadratmeter. Verglichen mit dem freien Wohnungsmarkt ist das sehr günstig.

Dass das Wohnen in einer Genossenschaft trotzdem teurer werden wird, liegt an den drastisch gestiegenen Preisen für Gas und Strom. Diesem Thema widmete Vera Federer besondere Aufmerksamkeit, weil sie die Mitglieder vor einem bösen Erwachen am Ende des laufenden Jahres bewahren möchte.

„Wir hatten in den vergangenen drei Jahren einen sehr guten Preis für Gas und Strom bei der Thüga“, erklärt die geschäftsführende Vorsitzende. „Doch der Vertrag läuft zum 30. September aus und wir steuern auf eine Verdreifachung des bisherigen Preises zu.“ Insgesamt rechnet sie mit einer Erhöhung um 700.000 Euro für die WBG.

Mieter müssen Strom sparen

Mit einem dringenden Appell warb sie bei den Mitglieder für einen deutlich sparsameren Umgang mit Strom und Gas, um nicht am Ende des Jahres ein blaues Wunder zu erleben. Man müsse nicht jeden Tag duschen; man könne Geräte ohne Standy-By-Modus nutzen; Lebensmittel ließen sich auch bei sieben statt bei fünf Grad sehr gut im Kühlschrank aufbewahren.

Doch das größte Einsparpotential biete die Heizung. „Jedes Grad Raumtemperatur mehr verursacht sechs Prozent mehr Heizkosten“, erklärte Federer und stützte sich dabei auf das Energie-Sparbüchle des Landes Baden-Württemberg.

„Wenn ich abends nach Hause komme, lohnt es sich nicht, die Wohnung von 19 auf 23 Grad aufzuheizen“, sagt sie. „Ich ziehe im Winter einfach eine Strickjacke an, nehme mir eine Decke und setze mich mit einem Tee aufs Sofa.“ Und genau das legte sie jetzt auch den WBG-Mitgliedern ans Herz, damit die Nebenkosten nicht aus dem Ruder laufen.

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Um den Energieverbrauch besser im Blick zu haben, fährt die WBG eine neue Klimastrategie. Mit neuen funkauslesbaren Zählern sollen die Mieter ihren Verbrauch monatlich per Smartphone abrufen können. Das betrifft die Heizkosten und das warme Wasser. Zum Austausch der Zähler ist die Genossenschaft gesetzlich verpflichtet. Die Daten werden per E-Mail verschickt. Dieser Service kostet dann 5,89 Euro im Jahr. Wer die Informationen postalisch erhalten möchte, muss hingegen 35 Euro bezahlen.

Elf Bestandsgebäude der WBG sind noch nicht energetisch saniert. Neben weiteren Neubauaktivitäten werde das die Aufgabe der Zukunft sein. Angesichts der hohen Baukosten aber wohl eher erst 2023. Vorstand und Aufsichtsrat sind froh, dass die großen Gebäude alle schon modernisiert sind.

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