Aus Mehl, Butter und Zucker schafft Anne Blatter leckere Kunstwerke. Und die sind so lecker und so kunstvoll, dass sie sich nun Beste ihres Fachs nennen darf: Die 25 Jahre alte Konditorin hat ihre Meisterprüfung als Kammerbeste bestanden. Auf dieses Ergebnis hat sie ein Jahr gewartet, Corona-bedingt kam der Brief nun per Post. „Mit der Ehrung habe ich überhaupt nicht gerechnet“, sagt sie. Denn von den Prüfern habe sie auch Kritik gehört. Der eine mochte ihr Thema deutsch-französischer Patisserie nicht. Ein anderer war verwundert, dass sie ohne Ausbildungsbetrieb antrat. Und sie selbst war irritiert, weil sie zwei Stunden vor Ablauf der Zeit fertig war, wie sie lachend erzählt.

Doch Anne Blatter aus Gottmadingen ließ sich nicht beirren: „Ich wollte so frei wie möglich sein und das hat sich ausgezahlt.“

Meisterin und dann auch noch Kammersiegerin: Anne Blatter aus Gottmadingen hat gerade gut lachen.
Meisterin und dann auch noch Kammersiegerin: Anne Blatter aus Gottmadingen hat gerade gut lachen. | Bild: privat

Theoretisch könnten zwar viele Menschen lecker backen, doch es braucht einen Meistertitel, um als Konditor auch ein Geschäft eröffnen zu dürfen. Es ist ein geschützter Beruf, der viel Fachwissen voraussetzt, wie Anne Blatter berichtet. Sie selbst fuhr über 30 Mal nach Rottweil, um dort ihr Wissen aus der Konditorinnen-Ausbildung zu vertiefen. Während andere die Handgriffe anschließend in ihrem Betrieb üben konnten, war sie dabei auf sich alleine gestellt. Denn Anne Blatter stemmte die Meisterschule ohne betriebliche Unterstützung. Das kommt nicht oft vor.

Sie wollte schon immer selbstständig Torten backen. Doch der Azubi-Alltag war nicht leicht

Ihr großes Ziel, selbstständig als Konditormeisterin zu arbeiten, habe sie immer vor Augen gehabt, sagt die 25-Jährige. Doch nach der Ausbildung war sie so frustriert, dass sie doch studieren wollte. Denn als Auszubildende habe sie wenig Anerkennung erfahren: „Ich finde, dass Azubis nicht immer nur Äpfel schälen sollten. Lehrjahre sind keine Herrenjahre, doch auch als Auszubildender hat man einen eigenen Kopf.“ In den starren Strukturen sei dafür kein Platz gewesen, also verließ sie ihren Betrieb. Die Gesellinnen-Prüfung bestand sie ohne dessen Unterstützung – schon damals als Kammersiegerin.

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Perspektiven sah sie dennoch nicht: „Ich hatte Zusagen für einen Job, hätte dort aber nur 1200 Euro brutto verdient. Davon kann ich nicht leben.“ Also bewarb sie sich für ein Studium. Doch als die Zusage dafür vorlag, habe sie sich umentschieden.

Spontan und ohne Betrieb zur Meisterschule angemeldet

Nach dem Motto „Ganz oder gar nicht“ meldete sie sich spontan für den Meisterkurs an. Sie habe sich dann zwar noch einige Betriebe angesehen, doch diese hätten nicht zu ihr gepasst. Also investierte sie selbst 13.000 Euro in die Fortbildung. Im Gegensatz zu den anderen Meisterschülern übte sie entweder in der kleinen Küche ihrer Eltern oder fuhr extra in die Testküche nach Rottweil. Auch die Zutaten dafür konnte sie nicht im Großmarkt kaufen, sondern in haushaltsüblichen Mengen im Supermarkt.

So sah der Tisch ihrer Meisterprüfung aus: Mit deutsch-französischer Patisserie und verschiedensten süßen Leckereien. Drei Tage hatte ...
So sah der Tisch ihrer Meisterprüfung aus: Mit deutsch-französischer Patisserie und verschiedensten süßen Leckereien. Drei Tage hatte sie Zeit dafür, mit dem Ergebnis wurde sie Kammersiegerin. | Bild: privat

In Frankreich isst sogar sie ein Törtchen – um es auseinander zu nehmen

Beim ihrem selbst gewählten Prüfungsthema französische Patisserie konnten ihr Freund und dessen Freundeskreis helfen: Er ist Franzose, regelmäßig fuhren sie auch über die Grenze und ließen sich inspirieren. Dort habe auch sie selbst viele süße Stücke gekostet – dabei mag sie sonst gar keinen Kuchen. Für sie ist das aber kein Widerspruch zu ihrem Beruf: Ihr gehe es um den kreativen Prozess, das Kombinieren von Geschmackssorten und das Design. Deshalb hätten sie die französischen Teilchen meist auch mitgenommen: Wenn sie das gemeinsam analysieren würden, würden sie sonst komische Blicke ernten, sagt die 25-Jährige lachend.

Von London aus ins Service-Center statt in die Backstube

Momentan ist der Alltag von Anne Blatter weit von dem einer Konditormeisterin entfernt: Nach der Meisterprüfung vor einem Jahr ging sie für ein Praktikum nach London und lernte dort von international bekannten Tortendesignern. Auch einen Job hatte sie dort in Aussicht, doch dann kam die Corona-Pandemie. Blatter entschied sich, heim nach Gottmadingen zu kehren.

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Aktuell arbeitet sie im Kundenservice eines Telekommunikationsunternehmens, doch das soll nur ein Zwischenschritt sein. Denn nach Feierabend steht sie entweder in ihrer Küche, um eine Hochzeitstorte für Freunde oder kleine Törtchen für ihre Lieben zu backen. Oder sie tüftelt an Ideen für ihr eigenes Ladengeschäft, das sie mit ihrem Partner Jessy Miredin eröffnen möchte.

Anne Blatter mit ihrem Partner Jessy Miredin. Die beiden wollen gemeinsam ein Ladengeschäft im Hegau eröffnen.
Anne Blatter mit ihrem Partner Jessy Miredin. Die beiden wollen gemeinsam ein Ladengeschäft im Hegau eröffnen. | Bild: Privat

„Hier stehen sehr viele toten Torten rum“, sagt Anne Blatter mit Blick auf mehrere zweistöckige Werke in ihrem Wohnzimmer. Die sehen toll aus, sind aber nicht genießbar: Unter der Eiweiß-Schicht steckt Styropor. Mit den Dummies soll nur die Optik geübt und gezeigt werden. Künftig könnte sich darunter eine echte Torte verbergen: Für die nächste Hochzeitssaison hat sie sich einen Platz in einer Backstube reserviert, sodass sie im Juni und Juli Hochzeitstorten verkaufen kann.

Ladengeschäft im Hegau gesucht

Anne Blatter freut sich dabei besonders über mutige Brautpaare: „Viele Deutsche sind da nicht so offen und finden zum Beispiel, dass eine Hochzeitstorte weiß sein muss.“ Doch als kreativer Kopf wolle sie auch immer wieder etwas Neues ausprobieren. Die Ergebnisse könnten bald ihr eigenes Schaufenster bekommen, außerhalb des Instagram-Profils namens „babobaker_konstanz“: Die beiden suchen ein Ladengeschäft im Hegau. Wann genau der eigene Laden eröffnen kann und sie dort dann auch Kurse geben kann, stehe noch nicht fest, erklärt die 25-Jährige. Doch auch dieses Ziel hat sie fest im Blick.

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