Die Hermann-Hesse-Tage im Bürgerhaus Gaienhofen begannen in diesem Jahr mit einem Geständnis. Yvonne Istas, die neue Leiterin des Hesse-Museums, begrüßte die zahlreich erschienenen Zuhörer und gab zu, sie müsse noch viel dazulernen. Sie selbst habe nämlich nicht über Hermann Hesse, sondern über Erich Kästner gearbeitet.

Autor inspirierte schon frühe Leser

Die Hermann-Hesse-Tage boten interessante Lesungen und Vorträge rund um den Nobelpreisträger mit der engen Bindung nach Gaienhofen. Unter den Vortragenden war Gunilla Eschenbach vom Deutschen Literaturarchiv Marbach, die über „Hesses Leser und Sammler“ fachkundig berichtete. Ihr Vortrag war mit Text- und Bilddokumenten aus dem Archiv bereichert.

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Schon seine frühen Leser habe der Autor inspiriert. Er motivierte sie laut Eschenbach, Briefkontakt zu ihm zu suchen und alles zu sammeln, was über ihn erschien. Hesse selbst habe sich seinen Sammlern gegenüber durchaus unterschiedlich verhalten, nahm laut Eschenbach aber aktiv Einfluss auf das Geschehen. Er habe legitime und illegitime Formen des Sammelns unterschieden und nur gefördert, wenn der ideelle Wert nicht in Kapital umgewandelt wurde.

Hesse und seine Sammler

Gunilla Eschenbach erzählte: Reinhold Pfau (1887-1975) war Kaufmann und Buchhändler. Er sammelte im Schwerpunkt die klangliche Seite der Literatur, verzeichnete akribisch, was an Hesse-Texten vertont wurde und sammelte auch Tonaufnahmen. Er legte von 1947-1950 ein Gästebuch der Besucher an.

Georg Alter (1894-1967), ebenfalls passionierter Hesse-Sammler, besuchte die Sammlung Pfau und berichtete laut Gunilla Eschenbach an Hermann Hesse: „Es verschlug mir die Rede. So eine Schönheit und Ordnung in der Sammlung dieses stillen, vornehmen Herrn.“ Dennoch hatte Hermann Hesse Reinhold Pfau eher stiefmütterlich behandelt, benutzte seine Brief-Rückseiten als Schmierpapier. Erich Weiß (1902-1972), ein weiterer Hesse-Sammler, stand seit 1936 in Kontakt mit Hesse und gab sich sogar als sein offizieller Vertreter aus. Hermann Hesse distanzierte sich jedoch später von ihm.

Gunilla Eschenbach und ihr Ehemann Rainer Bayreuther referierten im Bürgerhaus Moos über Hesse-Sammler
Gunilla Eschenbach und ihr Ehemann Rainer Bayreuther referierten im Bürgerhaus Moos über Hesse-Sammler | Bild: Veronika Pantel

Fanpost für Hesse

Das Literaturarchiv hat die Sammlung Georg Alters erst kürzlich bekommen. Georg Alter hat 40 Jahre lang gesammelt, konnte sich 1965, zwei Jahre vor seinem Tod, nicht entschließen, die Sammlung abzugeben. Auch seine Frau wollte nach seinem Tod nicht verkaufen, erst deren Erben überließen dem Archiv die Sammlung mit unzähligen Schätzen, wenn man bedenkt, was Original-Handschriften heute für astronomische Summen wert sind.

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Georg Alter war Buchhalter und Verlagshilfskraft. Er hat 37 Sammelbände mit Bildern und Briefen professionell binden lassen. Er kopierte etwa 100 Aquarelle und Zeichnungen von Hermann Hesse und schickte ihm auch selbst gestaltete Kartengrüße, die dieser aufbewahrte. Schon im ersten Weltkrieg war Georg Alter Soldat, 1942 wurde er wieder eingezogen. Seine Selbstbildnisse als Soldat unterschrieb er mit „Unfreiwilliger in Uniform“ oder „Schütze A.“ – denn alles Militärische war ihm verhasst.

Besondere Förderung für Georg Alter

Die Brieffreundschaft mit Georg Alter pflegte Hermann Hesse, half ihm 1945 sogar finanziell. Er förderte Georg Alter mehr als andere Sammler. „War er vielleicht sein Alter Ego?“, vermutete Gunilla Eschenbach.

Die Referentin schloss ihren Vortrag mit einem berührenden Brief ab. Die Texte las ihr Ehemann Rainer Bayreuther. In dem Brief bedankte sich Georg Alter für ein Frühlingsaquarell, das Hesse ihm schickte. Er sei nun alt, kränklich und mittellos, umso mehr freue und rühre ihn, dass Hesse ihn nicht vergessen habe. Man halte seine Sammlung für einen Spleen, aber für ihn bedeute sie das ganze Leben.