An diesem Abend sei die Stadtkirche Mariä Himmelfahrt in Engen so voll wie nie gewesen, so Elke Lang vom Bildungswerk Oberer Hegau bei der Begrüßung des Mönchs Anselm Grün, international erfolgreicher Autor spiritueller Bücher. Der Mönch spricht dann langsam, ruhig und in verständlicher, einfacher Sprache zu den Menschen zum Thema „Auf der Suche nach einem Glauben, der mir zu leben hilft“.

Seine Ansichten ernten auch Kritik: etwa, dass er Elemente aus christlicher Tradition, Psychologie und anderen Religionen vermische. Zudem wird ihm von konservativer Seite vorgeworfen, dass seine Positionen zu liberal seien und er sich zu sehr dem Zeitgeist unterwerfe. Doch Pater Anselm Grün will niemanden belehren und sich auch niemandem anbiedern, so der Eindruck nach seinem Vortrag in Engen, sondern versucht, um es prosaisch auszudrücken, die Weisheit, die jeder in seiner Seele trägt, ans Licht zu bringen. Schon nach wenigen Minuten zieht er die Zuhörer in seinen Bann und es ist mucksmäuschenstill, wenn er seine Gedanken mitteilt: Viele Menschen sehnten sich nach Glauben, doch sie spürten Gott nicht. In jedem Menschen sei eine Ahnung von Gott, doch der Weg zum Glauben führe nur über die Selbsterkenntnis. Beinah alle seiner Sätze taugen als Sinnsprüche. Sie sind einfach formuliert und bleiben deshalb umso besser im Gedächtnis haften: „Der Mensch muss sich erst in die Stille wagen, um dort der eigenen Wahrheit zu begegnen. Auf der Suche nach sich selbst hat er Angst vor den Antworten, weil man diese nicht einfach googeln kann.“ Oft würden Selbstbild und Realität nicht übereinstimmen: „Wenn du dich selber nicht spürst, kannst du auch Gott nicht spüren“, sagt Grün. Gott sei kein Zauberer, der alle Probleme lösen könne. Er heile auch keine Krankheiten, aber weise den Weg, um in Einklang mit sich selbst zu sein und damit ein gesundes Leben zu führen. Der Mut, sich selbst zu vertrauen, sei Voraussetzung. Strategien der Anpassung, um dazuzugehören, seien kein Leben, sondern nur Überleben.

In der modernen digitalen Welt gehe es zu oft darum, sich zu produzieren, um perfekt zu wirken. Der Glaube an Gott sei auch der Glaube an die Menschen, denn jeder werde – und dies sei eine Grunderkenntnis des Lebens – bedingungslos geliebt. Der Glaube löse nicht alle Probleme, doch er relativiere sie und verbinde. Gemeinschaft setze der um sich greifenden Spaltung und Polarisierung etwas entgegen und gebe Entwurzelten Halt. Wichtig seien Rituale. Und so endete der Pater mit einem gemeinsamen Ritual, indem er alle bittet aufzustehen und – als Symbol der Selbstumarmung – die Hände vor der Brust über Kreuz zu verschließen. In seinen dazu geäußerten Worten, einem Gebet gleich, kommt er wieder auf seine Grunderkenntnis zurück: Glaube als Versuch, dem Leben Sinn zu geben.