Willkürliche Aktion, Unwissen oder Missverständnis? Nach einem Polizeieinsatz in Engen am Wochenende wegen einer Tiervermittlung aus dem Ausland kochen die Emotionen hoch und viele Tierfreunde sind entsetzt. Die Schweizer Organisation "Animals need us" (ANU), die auch ein Lager in Engen hat, hatte 28 Katzen aus Rumänien an neue Besitzer vermittelt und eine Partnerorganisation brachte sie mit einem Transporter zum Abhol-Treffpunkt nach Engen. Mit allen nötigen Papieren und Genehmigungen, wie Andrea Schaller von ANU betont. Was kurz nach Mitternacht in der Nacht auf Sonntag geschah, verbreitet sich momentan im sozialen Netzwerk Facebook wie ein Lauffeuer und schlägt hohe Wellen.

Ein privater, zentraler, gut beleuchteter Firmenparkplatz im Engener Industriegebiet dient seit fast zwei Jahren als Treffpunkt für Tierfreunde. Adoptierte Katzen aus dem Ausland werden dort ihren neuen Herrchen und Frauchen zugeführt. Sind sind geimpft, untersucht, haben offizielle Papiere und die neuen Besitzer zahlen eine Schutzgebühr, wie sie auch jedes deutsche Tierheim bei einer Vermittlung erhebt.

"Haben uns wie Schwerkriminelle behandelt"

Gerade als am Wochenende die Übergaben im Gang waren, sei plötzlich die Polizei aufgetaucht und habe lautstark Vorwürfe erhoben, dass auf dem Platz ein illegaler Welpenhandel stattfände, schildert Andrea Schaller. Sie kritisiert, dass ein Teil der vier Polizisten sich sehr schroff benommen habe, obwohl sie und ihre Kollegen alle Unterlagen für die Katzen hätten vorweisen können. Sie betont, dass mit den Katzen alles in Ordnung gewesen sei, doch die Polizei Aufstand wegen Hunden gemacht habe, die für eine andere Tierorganisation im selben Transporter gewesen, doch bereits in Stuttgart den neuen Besitzern übergeben worden waren.

"Sie wollten unbedingt die Traces für die Hunde sehen und haben uns wie Schwerkriminelle behandelt", kritisiert Schaller. Der englische Abkürzung Traces steht für Trade Control and Expert System und bezeichnet ein System, nach dem Tiere in Europa beim Transport gekennzeichnet werden. Sie bekommen eine Art elektronische Ausweisnummer in ihren Papieren, über die das Veterinäramt nachvollziehen kann, von wo Tiere kommen und wohin sie gebracht wurden. In diesem Fall hatten laut Andrea Schaller alle Katzen im Transporter Nummern des deutschen Veterinäramts. Die Unterlagen des jeweiligen Tiers erhält der neue Besitzer. Deshalb, so Schaller, sei zu den bereits abgelieferten Hunden auch nichts mehr im Fahrzeug gewesen.

Von diesem System und dem Ablauf hätten die Polizisten offenbar nichts gewusst, aber nicht zuhören wollen, als sie es erklären wollte. Die Beamten hätten später sogar mehrere tausend Euro gefordert, weil die Traces dieser Hunde nicht mehr im Fahrzeug waren. "Man hat gemerkt, dass sie sich nicht auskennen", sagt die Tierfreundin. "Wir versuchen zu helfen, und dann sowas", sagt sie über die ehrenamtliche Arbeit für den Tierschutz.

"Ihr Tonfall war unter aller Sau"

Letztendlich habe der Einsatz rund zwei Stunden bei Temperaturen nahe des Gefrierpunkts gedauert. "Die Polizisten haben immer wieder die Wagentüren geöffnet, uns verboten die Heizung für die Katzen einzuschalten, sie sind immer wieder durchgelaufen, haben in die Käfige geleuchtet und Fotos gemacht", erzählt Schaller. "Ihr Tonfall war unter aller Sau." Es sei für die Stubentiger ein extremer Stress gewesen. Später hätten zwar alle den neuen Besitzern übergeben werden können, doch eine Katze namens Ivanka sei im Lauf des Sonntags gestorben, im Internet ist inzwischen auch von einer zweiten die Rede. "Es war alles zuviel für sie", sagt die Tierfreundin, die betont, dass alle Katzen tierärztlich vor Reiseantritt untersucht worden und für reisefähig erklärt worden waren. Sie hat Fotos der nächtlichen Aktion und einen langen Text mit einer Schilderung der Geschehnisse ins Internet gestellt. Tierfreunde nehmen seither bundesweit daran Anteil. Neben Mitgefühl sind allerdings auch viele beleidigende und anklagende Kommentare gegenüber der Polizei sowie auch harte Drohungen dabei.

Zu dem Polizeieinsatz in Engen kam es aufgrund eines Hinweises aus der Bevölkerung, erklärte Markus Sauter, Pressesprecher im Polizeipräsidium Konstanz, auf SÜDKURIER-Nachfrage. Jemand habe gemeldet, dass Tiere aus einem Fahrzeug heraus verkauft würden und das Lagezentrum habe zwei verfügbare Streifen, eine vom Verkehrskommissariat Mühlhausen Ehingen und eine vom Revier Ehingen, losgeschickt. Zu den Details des Einsatzes kann er keine näheren Angaben machen, da es inzwischen ein laufendes Verfahren gebe und die Staatsanwaltschaft den Vorfall untersuchen werde.

Anzeige wegen Tierquälerei

Die Tierschutzorganisation hat beim Veterinäramt Anzeige wegen Tierquälerei erstattet und will auch noch eine offizielle Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. Wegen des laufenden Verfahrens kann die Polizei auch auf Facebook nicht auf Anschuldigungen reagieren. Was beleidigende oder bedrohende Kommentare auf Facebook angeht, so werden diese von der Staatsanwaltschaft geprüft. Nur eines kann Sauter noch mitteilen: Es gab mit den Unterlagen der Fahrer Probleme. "Die Fahrer konnten keine Nachweise über ihre Lenkzeiten vorlegen, sind aber rund 34 Stunden unterwegs gewesen."

Andrea Schaller und ihre Kollegen wollen trotz des Vorfalls mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit weitermachen. An der Tiervermittlung sei nicht Illegales, betont sie. Zur Sicherheit informieren sie das nächste Mal aber vorher die Polizei, damit es nicht wieder zu einem Einsatz dieser Art kommt.


Tierschutzorganisationen

"Animals need us" (ANU) ist eine Schweizer Tierschutzorganisation, die auch ein deutsches Lager in Engen hat, von wo aus Sachspenden verteilt werden. ANU kümmert sich rein um Katzen und hilft zum Beispiel in Rumänien nicht nur bei der Versorgung von Katzen, sondern vermittelt sie auch komplett geimpft, untersucht und gechipt in die Schweiz. Oder es gibt auch Kastrationsaktionen, um die Vermehrung von Straßenkatzen einzudämmen. Andere Organisation kümmern sich zum Beispiel um griechische oder spanische Katzen und auch für Hunde gibt es Vereine, die sich für ihre Versorgung und Vermittlung einsetzen. (löf)