Bioprodukte in Supermärkten oder gar ganze Läden mit Bio-Anspruch sind heute selbstverständlich. Aber das war noch die absolute Ausnahme im Jahr 1981, als der Kaltbrunner Landwirt Helmut Müller beschloss, auf biologische Landwirtschaft umzustellen. Was er dann auch 1982 in die Tat umsetzte.
Es müllert doppelt in Kaltbrunn
40 Jahre Bio-Hof sind ein guter Grund zum Feiern, meinen Helmut Müller, seine Frau Ruth und Sohn David, der den Betrieb seit 2017 leitet. Da trifft es sich gut, dass der – nicht mit der Landwirtsfamilie verwandte – Schauspieler Gregor Müller mit Kollegen aus dem Theater Lüneburg gern wieder mal Gastspiele in seiner alten Heimat machen will.
So wird die eine Tradition gewürdigt, indem eine andere wieder auflebt: die Hofkultur, die es früher schon in anderer Form auf dem Müllerhof gab. Vom 4. bis 7. August steigt der Hofkultur-Sommer mit Theater, Musik und einem Tag der offenen Tür im Bereich der großen Scheune.
Das Programm
Dabei wird am Samstag, 6. August, 19.30 Uhr eine spezielle Version des Kinderbuch-Klassikers „Struwwelpeter“ zu erleben sein: als Grusel-Junk-Oper. Man treibe die schwarze Pädagogik des Buchs, in dem Kindern mit Gewalt unliebsame Gewohnheiten ausgetrieben werden, auf die Spitze und kritisiere sie damit, erklärt Gregor Müller. „Wenn die Eltern das früher vorgelesen haben, war ihnen nicht bewusst, dass die Kinder sterben – oder man ist darüber hinweggegangen“, sagt der 40-Jährige und betont: „Es ist nichts für Kinder!“

Das Stück werde im Theater Lüneburg und bei Gastspielen seit zehn Jahren erfolgreich aufgeführt, berichtet Müller, der in Kaltbrunn aufgewachsen ist. Er und die Truppe spielten es im Jahr 2017 auch schon mal in Kaltbrunn in der Bunten Kuh und auf dem Müllerhof.
Rund 40 Gäste aus Lüneburg
Auch da sei es sehr gut angekommen, so der Schauspieler – und habe den Wunsch befördert, die Hofkultur wieder aufleben zu lassen. Da die „Struwwelpeter“-Truppe mittlerweile einige Stück und Liederabende im Repertoire habe, lohne sich auch das mehrtägige Engagement in Kaltbrunn. Rund 40 Leute werden aus Lüneburg kommen: Schauspieler, Musiker, Techniker, Maskenbildner ...

Der Einstieg in die Bio-Produktion auf dem Müllerhof hatte ebenfalls etwas mit dem Nachwuchs zu tun. Anlass zum Umdenken sei für seine Frau und ihn die Geburt ihres dritten Kindes 1981 gewesen, erinnert sich Helmut Müller. Denn der Junge, der heute in einem Heim lebe, sei mit einer Chromosomenanomalie zur Welt gekommen, körperlich und geistig behindert. Und es habe die Vermutung gegeben, dass Wachstumsregulatoren diesen Gendefekt ausgelöst hätten.

Die Herstellung gesunder Lebensmittel und soziale Ziele hätten seither den nach Demeter-Richtlinien zertifizierten Hof geprägt. „Es war damals schon klar, dass unsere Ressourcen endlich sind und dass wir rechtzeitig nachdenken müssen, wie wir unsere Umwelt und unser Leben gestalten“, meint der Biolandwirt rückblickend. Anfangs sei es schwierig gewesen, die Akzeptanz bei den Leuten zu finden. Aber: „Die Zeit hat uns Recht gegeben. Heute haben wir die Bestätigung, dass wir richtig liegen.“
Das zeige sich gerade auch in der derzeitigen Krise mit den extrem steigenden Preisen, erklärt Müller. Man müsse keine teuren Düngemittel kaufen, weil man mit Kompost, Gülle und Mist dünge. Der Hof sei dank Biogasanlage und Photovoltaik fast autark bei Strom und Wärme.

Sohn David fügt an, dass man natürlich auch die hohen Preise für Benzin und Diesel zahlen müsse, aber Ziel sei es, bei den Fahrzeugen auf Wasserstoff umzustellen.
Auch die Müllers merken beim Absatz, dass viele Leute offenbar bei Lebensmitteln sparen wollen oder müssen. Im eigenen Hofladen seien die Verkäufe rückläufig, so David Müller. Gerade zu Beginn der Corona-Zeit sei dagegen sehr viel gekauft worden. Da seien zum Teil Leute gekommen, die man ewig nicht gesehen hatte. Vor allem Mehl ging in großen Mengen weg. „Wir kamen kaum hinterher.“
Doch Helmut Müller blickt nach vorn: „Für mich ist es toll, dass diese 40 Jahre nicht umsonst waren. Dass der David einsteigt und das so weiterführt.“ Und der Sohn meint schmunzelnd über den Vater: „Er arbeitet noch mit, wenn er Lust hat. Also immer!“