Hoffnungsvoller als 1989 nach dem Mauerfall blickten die Deutschen in den vergangenen 70 Jahren nie der Zukunft entgegen. 68 Prozent der Befragten äußerten sich damals bei der traditionellen Neujahrsumfrage des Instituts für Demoskopie (IfD) Allensbach zuversichtlich. Doch die große Grafik an der hinteren Wand des nun eröffneten neuen Demoskopie-Raums im Allensbacher Heimatmuseum zeigt ansonsten die Hoffnungseinbrüche. „Das ist spannender“, meint IfD-Mitarbeiter Rüdiger Schulz, der Projektleiter für die Ausstellung.
Bereits 1992 folgte so ein Einbruch – wegen des Balkankriegs. Auch damals habe es Bedenken wegen der vielen Flüchtlinge gegeben, so Schulz: „Das hatten wir alles schon.“ Die Sorge um die innere Sicherheit, dass der Rechtsextremismus zunehme und Radikale die Demokratie bedrohen. Solche näheren Informationen zu den Hoffnungseinbrüchen gibt es in Schubladen unter der Grafik. Denn die Ausstellung biete zwei Infoebenen, so Schulz. Der Besucher kann in kurzen Texten einen Überblick bekommen über die Arbeit, die Möglichkeiten und Grenzen der Demoskopie sowie Zahlen über einige gesellschaftliche Entwicklungen erfahren. Daneben gibt es für tiefer gehende Informationen einige Bildschirme, bei denen sich Interessierte durch ein recht breites Themenspektrum des IfD tippen können. Da geht es um Medien- und Konsumtrends der Deutschen im Lauf der Jahrzehnte, um politisches Interesse, um den Wandel in der Eltern-Kind-Beziehung oder die Umfrage als Beweismittel vor Gericht.
Letzteres ist ein für viele wohl weniger bekannter Aspekt der IfD-Arbeit. Zur Veranschaulichung sind einige Konsumgüter in kleinen Vitrinen ausgestellt – so etwa eine Bierflasche einer bekannten süddeutschen Marke. Ein anderer Brauer wollte so wie diese ein Schwarzwaldmädel auf seine Flaschen drucken, erklärt Schulz. Das IfD habe dann ermittelt, dass über 70 Prozent der Biertrinker in Südbaden diese Figur wiedererkennen und sie einer bestimmten Biersorte zuordnen. Das Gericht habe daher dem anderen Brauer untersagt, das Mädel auch zu verwenden.
Entwicklungen in der Gesellschaft im Lauf der Jahrzehnte zeigen sich anhand der an den Bildschirmen aufbereiteten Themen. Zum Beispiel wurde früher viel mehr Wert darauf gelegt, dass Kinder auf andere Personen einen guten Eindruck machen. Bei einem anderen Themenkomplex zeigt sich, dass noch 1980 viele Angehörige der Oberschicht ebenso rauchten wie Menschen der Unterschicht. Bis 2015 war der Rückgang der Raucher in der Oberschicht aber erheblich deutlicher.
Eine große Glastafel gibt zudem einen schnellen Überblick über Veränderungen von 1950 bis 2014. Zum Beispiel waren damals nur vier Prozent nicht evangelisch oder katholisch, heute haben 39 Prozent eine andere oder gar keine Konfession. Und 1950 waren noch 13 Prozent der Berufstätigen Landwirte, 2014 nur noch ein Prozent. Der Anteil der Angestellten stieg im selben Zeitraum von 17 auf 57 Prozent.

Meinungsforschung sei eine Gesellschaftsdiagnose, so Schulz. Man sei Chronist des Zeitgeschehens. In dem nur 36 Quadratmeter großen Raum sind die vielen Daten und Zahlen auf moderne und übersichtliche Art aufgearbeitet. In aller Kürze gibt es zudem an zwei Stationen die wichtigsten Lebensdaten der IfD-Gründerin Elisabeth Noelle, die am 19. Dezember 100 Jahre alt geworden wäre, und zur Geschichte des Instituts. Und an der Decke hängen große Zahlen zur optischen Auflockerung der ohnehin leicht zugänglichen Ausstellung, weil Demoskopen eben Zahlenmenschen seien, so Schulz.
Positiv äußerten sich Besucher am ersten Öffnungstag. „Ich finde das eine gute und ansprechende Lösung“, sagte Ingrid Feiden. Sie finde die Infos in den Schubladen und die aufgelockerte Gestaltung gut. Das sei mal etwas anderes als herkömmliche Museen – durch die Bildschirme auch etwas für junge Leute. Hermann Kley meinte: „Der Raum ist ansprechend. Es ist eine tolle Wiedergabe der Arbeit des Instituts über Jahrzehnte.“ Interessant finde er vor allem die Erkenntnisse über Entwicklungen und Veränderungen etwa beim Familienstand oder der Haushaltsgröße: „Das ist sehr spannend.“ Interessant finde er zudem, wie sich die heutigen modernen Medien auswirken, etwa bei Wahlen, und wie die Demoskopie darauf reagieren werde.
Ein paar Nachbesserungen soll es noch geben, so Schulz. Die Bildschirme wechseln bisher recht schnell zurück in den Schlafmodus. Das müsse geändert werden. Und an der Tür wolle die Gemeinde noch ein Schild anbringen, dass auf alle drei Einrichtungen im Haus am Rathausplatz hinweise – neben dem Demoskopie-Raum auf das schon bisher dort bestehende Heimatmuseum und die Bücherei.
Das IfD im Heimatmuseum
- Öffnungszeiten: Der neue Raum des Instituts für Demoskopie im Allensbacher Heimatmuseum am Rathausplatz hat zur Eröffnung der Ausstellung auch zwischen Weihnachten und Neujahr geöffnet – von Dienstag, 27., bis Donnerstag, 29. Dezember, jeweils von 15 bis 18 Uhr. Ab dem 5. Januar 2017 ist donnerstags von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Ein IfD-Mitarbeiter sei jeweils für Fragen vor Ort, heißt es. Ab Mai, wenn das Heimatmuseum wieder aufmacht, sind die Öffnungszeiten umfangreicher. Der Eintritt ist frei. Zudem bietet das IfD nach Voranmeldung Sonderführungen und Vorträge an für Gruppen wie etwa Schulklassen; Infos unter Telefon (0 75 33) 80 51 50.
- Baukosten und Vorgeschichte: Das IfD hat in die Gestaltung des Museumsraums rund 120 000 Euro investiert. Projektleiter war Rüdiger Schulz, der auch rund 80 Prozent der Texte verfasste. Die Gestaltung hat das Konstanzer Büro Pragmadesign erarbeitet. Den Raum stellt die Gemeinde Allensbach zur Verfügung, der das Haus gehört. Sie hat diesen zuvor für rund 60 000 Euro sanieren lassen. Die Idee für eine solche Ausstellung gebe es schon lange im IfD, so Schulz. Die Institutsgründerin und Allensbacher Ehrenbürgerin Elisabeth Noelle habe eigentlich ihr Wohnhaus im Seeweg als Museum gewünscht. Doch die Räume seien dort zu klein, die Zufahrt schmal, und es gebe keine Parkplätze. Eröffnet wurde der Raum im Museum nun zum 100.Geburtstag Noelles.