Anwohner der Ortsdurchfahrt können schon fast die Uhr danach stellen. „Werktags um 6.45 Uhr fängt es auf der B 33 um Allensbach an zu stauen“, erklärt Rolf Wiehler, der am westlichen Ortsende wohnt. Und dann nehme schlagartig der Durchgangsverkehr im Ort massiv zu.

Hartmut Burghard, der am östlichen Ortsende wohnt, berichtet, er höre den Verkehr sogar schon ab 6.15 Uhr rauschen. Es sind die Stunden der Stau-Umfahrer. „Wir werden hier von Autos geflutet“, klagt Wiehler. Auch große Lastwagen donnern durchs Dorf. „Auf Google Maps kann man das Schauspiel in Echtzeit verfolgen.“ Dort werde laufend aktualisiert angezeigt, wann es wo auf der B 33 Stau gibt – und den Fahrern sogar zur „Abkürzung“ durch Allensbach geraten.

78 Prozent der Fahrzeuge fahren durch

Wiehler, der in der Lokalen Agenda aktiv ist, wurde es irgendwann zuviel. Und so organisierte er eine Verkehrszählung. Er und die ebenfalls betroffenen Anwohner Silke Vetter und Hartmut Burghard sowie der engagierte Bürger Winfried Höppner notierten an einem Werktag im Dezember von 7 bis 9 Uhr die Kennzeichen aller im Westen einfahrenden und im Osten ausfahrenden Fahrzeuge.

Der Durchgangsverkehr morgens in Allensbach, wenn auf der B 33 Stau ist, werde immer mehr, beklagen (von links) Winfried Höppner, ...
Der Durchgangsverkehr morgens in Allensbach, wenn auf der B 33 Stau ist, werde immer mehr, beklagen (von links) Winfried Höppner, Hartmut Burghard und Rolf Wiehler. Sie haben an einem Tag von 7 bis 9 Uhr selbst den Verkehr gezählt und geprüft, wie viele nur durch den Ort fuhren: 78 Prozent. | Bild: Thomas Zoch

Das Ergebnis bestätigte ihre Vermutungen und ist erschreckend. „Von 643 der im Westen einfahrenden Fahrzeuge verließen 499 den Ort im Osten wieder. 78 Prozent sind also durchgefahren“, berichtet Wiehler. Und dies trotz Pförtnerampel an der westlichen Ortseinfahrt. Diese ist allerdings nur von 7 bis 8 Uhr in Betrieb.

Der SÜDKURIER machte sich am vergangenen Montag ab 9 Uhr selbst ein Bild von der Situation: an der Fußgängerampel vor dem Rathaus. Kaum war diese betätigt und auf Rot geschaltet, bildete sich beim Verkehr Richtung Konstanz sofort ein Rückstau, bestehend aus vielen Fahrzeugen mit auswärtigen Kennzeichen – und einigen großen Lastwagen.

Bürgermeister: Das „kann und darf nicht sein“

Bürgermeister Stefan Friedrich sagte auf Nachfrage: „Das finde ich schon sehr viele Fahrzeuge. Es kann und darf nicht sein, dass der Ort zum Spielball der Verkehrsteilnehmer wird.“ Er sei der Lokalen Agenda und den anderen engagierten Bürgern dankbar für diese Verkehrszählung, so der Bürgermeister.

„Ich denke, das ist der richtige Schritt. So kann man in eine emotionale Debatte Sachlichkeit reinbringen.“ Doch die Gemeinde selbst könne allein eher wenig machen, meinte er. „Das geht nur zusammen mit dem Landratsamt und der Straßenverkehrsbehörde.“ Und da sei der Zeitpunkt der Verkehrszählung günstig.

Andere Einstellung der Pförtnerampel könnte helfen

Denn Vertreter dieser Behörden seien am 29. Januar in der öffentlichen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses zum Thema Verkehr. Doch Friedrich meinte auch: „Es gibt keine einfachen Lösungen.“ Man könne den Ort zum Beispiel nicht mit einer Schranke schließen, es gebe ja auch Leute, die in den Ort selbst wollen.

„Wir können es nur erschweren“, so Friedrich. Eine Änderung der Schaltung bei der Pförtnerampel erscheine ihm sinnvoll, sodass diese eine längere Rotphase habe (aktuell sind es zwei Minuten) und länger in Betrieb sei, etwa von 6.30 bis 9 Uhr.

„Die Hürde muss höher werden“

Dies halten auch Wiehler, Burghard und Höppner für eine Möglichkeit. „Eine Stunde ist ein Witz. Und bei vier Minuten Rotphase hat jeder Zeit, nachzudenken“, meint Burghard. Höppner fügt an, die Rotphase sollte so lang sein, dass sich mehr Rückstau bilde und nicht alle Fahrer gleich bei der nächsten Grünphase durchkommen.

Wiehler meint, egal wie: „Die Hürde muss höher werden.“ Es wären auch andere Maßnahmen denkbar, wie zeitliche Beschränkungen oder eine Möblierung der Straße zum Beispiel mit Blumen­kübeln. Wobei ihm klar sei, dass Maßnahmen, die den Verkehr behindern, nicht populär seien und auch diejenigen bremsen würden, die wirklich in den Ort möchten. „Es ist eine Gratwanderung“, so Wiehler.

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Doch Höppner meint: „Ohne, dass wir uns selbst behindern, werden wir nicht auskommen.“ Und anderswo gehe es doch auch. So gelte zum Beispiel Tempo 30 in den Ortsdurchfahrten von Sipplingen und allen Gemeinden auf der Strecke Meersburg-Ravensburg, obwohl dies sogar Bundesstraßen sind – und die Allensbacher Ortsdurchfahrt ist nur eine Kreisstraße.

Manche fahren sogar durch Nebenstraßen

Die engagierten Bürger erklären zudem, dass sie bei ihrer Zählung gar nicht alle Durchfahrer hätten erfassen können. Viele würden auch erst beim Knoten Mitte abfahren ins Dorf und beim Bahnhof links ab wieder Richtung B 33 fahren.

Da gebe es dann teils auch Rückstaus an dieser Kreuzung, weshalb manche sogar durch Nebenstraßen wie die Hegner- und Hochstraße fahren würden. Wiehler denkt, dass somit sogar rund 85 Prozent des Verkehrs morgens nur durch den Ort fahre.

Gefährlich für Radfahrer und Schüler

Und das Ganze sei nicht nur eine Belastung durch Abgase und Lärm, sondern auch gefährlich für Radfahrer und Schüler. Oft würden Autofahrer den Sicherheitsabstand von 1,50 Meter zu Radlern nicht einhalten, so Wiehler. Und sie meinen, der Durchgangsverkehr nehme zu und werde weiter zunehmen – bis zum fertigen Ausbau der B 33 im Jahr 2027.

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„So lange wir den Flaschenhals nach der Baustelle haben, wird sich nichts ändern“, so Wiehler, der schon mal ankündigt, dass die Lokale Agenda eine weitere Zählung im Frühjahr machen wolle und diese eventuell noch ausweiten werde, um so den Handlungsbedarf zweifelsfrei aufzuzeigen.

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