„Die untere Wutachtalbahn entwickelt sich zum Prototypen bei den Streckenreaktivierungen aus dem 2021 initiierten Gutachten des Landesverkehrsministeriums. Auf keiner anderen Strecke sind wir so weit wie dort!“, erklärt Heiko Focken, zuständig für die Verkehrsplanung bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW).

Positiv ist auch die Rückmeldung aus dem Landesverkehrsministerium: „Die Potenziale für die Strecke und die Gegenüberstellung von Nutzen und Kosten sind vielversprechend“, erklärt die stellvertretende Leiterin der Pressestelle, Wenke Böhme, auf Anfrage dieser Zeitung.

Wie groß sind die Chancen zu einer echten Reaktivierung der Wutachtalbahn?

Die Machbarkeitsstudie bescheinigt der Strecke ein ausreichend hohes Fahrgastpotenzial, um eine Reaktivierung als sinnvoll zu bewerten, sagt Heiko Focken. Den höchsten Nutzen erzielte bei der Untersuchung die Variante mit schnellen Direktzügen aus dem Wutachtal (Weizen oder Stühlingen) bis Waldshut sowie die bessere Erschließung des Tals durch weitere Haltepunkte, etwa Ofteringen oder Horheim.

Heiko Focken, Verkehrsplaner bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg.
Heiko Focken, Verkehrsplaner bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg. | Bild: Nvbw

Der Busverkehr würde den Zugverkehr ergänzen. Nicht unmittelbar an der Strecke liegende Ortsteile wie etwa Schwerzen oder die Stühlinger Oberstadt, würden Busse erschließen oder „zwischen den Zügen“ weitere Fahrmöglichkeiten bieten.

Stuttgart bestätigt: „Potenziale für die Strecke sind vielversprechend“

Auch das Verkehrsministerium in Stuttgart sieht Reserven auf dieser Bahnstrecke: „Die Potenziale für die Strecke sind vielversprechend – insbesondere, wenn man zudem berücksichtigt, dass es sich um eine Strecke einer ländlichen Region handelt. Das Verkehrsministerium ist mit dem Landkreis in einem engen Kontakt zur Umsetzung“, erklärt Wenke Böhme aus der Pressestelle des Ministeriums.

Die Abstimmung mit anderen umgebenen Verkehrsprojekten (Elektrifizierung und Ausbau der Hochrheinbahn) sowie die Abstimmung mit den ÖPNV-Strukturen, wie etwa dem Busverkehr, hat auch das Ministerium im Blick. Wann auf der Wutachtalbahn regelmäßig wieder Züge verkehren, hänge von diesen Abstimmungen sowie der Fertigstellung der Infrastrukturanpassungen ab.

Die Bahnbetriebe Blumberg und der Landkreis Waldshut wollen Mitte Dezember die Züge aus der Strecke zwischen Waldshut und Stühlingen im Zwei-Stunden-Takt verkehren lassen.

Ist die Umsetzung in dieser Zeit realistisch?

Heiko Focken meint, dass das Verkehrsministerium die Ergebnisse der Studien und den vielleicht etwas „unerwarteten“ Fortschritt bei den Vorarbeiten kenne. „Technisch wäre ab Ende dieses Jahres ein Vorlaufbetrieb beziehungsweise eine erste Stufe der Reaktivierung – also über die bestehenden Fahrten an Schultagen hinaus – im Zwei-Stunden-Takt möglich“, so der Verkehrsplaner der Nahverkehrsgesellschaft. Inwieweit dieser Vorlaufbetrieb vor der „Vollreaktivierung“ im Stundentakt umgesetzt und finanziert werden soll, müsse vom Landesverkehrsministerium entschieden werden.

Wie hoch könnte die Förderung des Ausbaus der Strecke ausfallen?

Nach Kenntnis des Verkehrsministeriums in Stuttgart strebe der Vorhabensträger eine Förderung nach dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) an. Danach wäre prinzipiell eine Förderung mit bis zu 75 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten möglich, zuzüglich einer Planungskostenpauschale.

Bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 sollen Regionalzüge von Waldshut nach Stühlingen und zurück im Zwei-Stunden-Takt verkehren. Die ...
Bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 sollen Regionalzüge von Waldshut nach Stühlingen und zurück im Zwei-Stunden-Takt verkehren. Die Chancen dafür sehen das Verkehrsministerium in Stuttgart und die Nahverkehrsgesellschaft positiv. | Bild: Edinger, Gerald

Bis 2025 sollen nach dem Bau eines Kreuzungsbahnhofs in Eggingen Züge im Stundentakt verkehren und 2027, sollen batteriebetriebene Züge ab Oberlauchringen eingesetzt werden.

Wie realistisch ist die Umsetzung dieses Konzepts?

Das finale Betriebskonzept für die Hochrheinstrecke und damit auch das für die Wutachtalbahn wird gegenwärtig abgestimmt, betont Heiko Focken. Durch die Wiederherstellung der vor etwa 25 Jahren aufgelassenen Kreuzungsmöglichkeit in Tiengen und der zum gleichen Zeitpunkt abgebauten Zuwegung zum Mittelbahnsteig in Oberlauchringen werde es nach 2027 auch mehr zeitliche Spielräume zwischen den Zügen Basel – Waldshut – Singen geben.

„Ziel ist es natürlich, einen attraktiven Fahrplan zu erstellen. Er soll auf die Bedürfnisse der Menschen im Wutachtal, aber auch auf Schüler nach Wutöschingen oder zur Firma Sto in Weizen abgestimmt sein.“ Da in Baden-Württemberg keine Züge mit Verbrennungsmotoren mehr beschafft werden sollen, sei von dem Einsatz batteriebetriebener Züge im Wutachtal auszugehen.

Diese könnten sich während der Fahrt zwischen Waldshut und Oberlauchringen unter der Oberleitung aufladen und sich auf der Fahrt ins Wutachtal aus der Batterie versorgen. Auch ohne Fahrleitung würde dort vollständig elektrisch gefahren.

Gibt es Überlegungen, Fahrkartenautomaten zu installieren oder gibt es nur digitale Fahrscheine auf einer App?

Grundsätzlich werde in Baden-Württemberg die Position vertreten, dass zum Zugfahren nicht zwangsläufig ein Telefon benötigt werde, sagt der Verkehrsplaner der NVBW. Sonst würden beispielsweise Kinder vom Fahrkartenerwerb ausgeschlossen werden. Deshalb soll es bei einer Vollreaktivierung der Wutachtalbahn einen Fahrkartenverkauf an Bahnsteigen oder im Zug geben.

Dies bestätigt die Pressesprecherin des Ministeriums: „Bei einer Reaktivierung mit nachfolgendem Regelbetrieb, sind Fahrausweisautomaten an den Stationen entlang der Strecke vorgesehen.“ Einen rein digitalen Vertrieb werde es auch mittelfristig noch nicht geben.

Der Zeitplan: Die Reaktivierung soll in mehreren Stufen umgesetzt werden

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