Die Fotosammlungen im Generallandesarchiv Karlsruhe zeigen, dass die ersten badischen Fotografen entweder in der Residenzstadt oder in großen Amtsstädten wie Mannheim, Heidelberg und Konstanz Ateliers hatten. Ihre Arbeit begann um 1850. Beliebte Motive waren der Großherzog und seine Familie – konnte er doch den begehrten Titel „Hoffotograf“ verleihen. Doch auch Menschen aus Wehr ließen sich damals schon „ablichten“. Solche Aufnahmen gibt es sowohl im Stadtarchiv als auch in privaten Alben.
Bisher stammen die ältesten Bilder aus dem Jahr 1860
Bereits um 1866 entstanden Porträtfotos des Kaufmanns Johann Baptist Trefzger und seiner Ehefrau. Das Porträt von Bürgermeister Nägele in der Wehrer Stadtchronik wurde etwa um 1860 aufgenommen. Und das bisher älteste Foto zeigt Friedrich Herosé aus Aarau. Er gründete 1835/39 eine Kattunfabrik in der Kreuzmatt. Sein Porträt wurde 1858 im Aarauer Atelier von Friedrich Gysi angefertigt.

Erste Fotos in Wehr müssen vor 1952 entstanden sein
Nun stieß Johanna Burger auf eine fotografische Sensation. Sie fand zwei Porträtfotos, die ihren Ururur-Großvater Vinzenz Kumle und seine Ehefrau Franziska, geb. Dede zeigen. Eine Sensation, weil Franziska Kumle 1852 verstarb. Die Fotos entstanden somit vor ihrem Tod zu Beginn der 1850er Jahre. Das ist ungemein früh! Erst durch die Digitalisierung ist am unteren Rand der ausgeblichenen Aufnahmen eine kaum lesbare Inschrift zu erkennen. Sie besagt, dass die Porträts im Lörracher Atelier von Franz Xaver Herzog entstanden. Die Fachliteratur führt an, dass Herzog erst um 1865 sein Geschäft in Lörrach eröffnet hat. Doch diese beiden Fotos zwingen zu einer viel früheren Datierung.
Wieso sich das Ehepaar Kumle fotografieren ließ, bleibt ein Geheimnis. Eine Recherche in den Kirchenbüchern fördert aber spannende Informationen zutage. Am 30. Mai 1827 heiratete der 1796 geborene Kumle die Franziska Dede. Sie war die Tochter von Johann Dede und dessen Ehefrau Katharina, geb. Döbele. Franziska kam 1808 zur Welt. Ihr Vater Johann weckt unser Interesse.

Das höchste Amt in der Gemeinde
Aus den Kirchenbüchern ist zu erfahren, dass Dede Bäcker war. Er wurde uralt und starb 1871 mit 90 Jahren. Da es damals in Wehr keinen weiteren Dede mit gleichem Vornamen gab, handelt es sich um den letzten Wehrer Vogt Johann Dede. Er bekleidete das höchste Amt der Gemeinde von 1825 bis 1832. Dann wurde er abberufen. Gemäß der ersten badischen Gemeindereform standen seit 1832 Bürgermeister auf Grundlage eines neuen Kommunalrechts an der Spitze. Der erste war Balthasar Berger.

Wie ging es mit Vinzenz Kumle weiter? Im Eintrag der Geburt seines Sohnes Joseph wird Vinzenz 1828 Gerber genannt. Bei der Geburt von Katharina 1831 trägt der Pfarrer Oberwehr als Wohnort ein. Weitere Einträge von 1834 und 1837 bezeichnen Kumle als Rotgerber. Er verarbeitete somit dickes Rinderleder u.a. für Schuhsohlen, Stiefel oder Sättel. Dann schlug das Schicksal zu. Am 29.6.1852 starb seine Ehefrau mit gerade einmal 44 Jahren. Vinzenz überlebte sie um ein Jahrzehnt. Am 14.11.1862 notierte Pfarrer Ernest Ginshofer den „Tod des Gerbers Vinzenz Kumle im Alter von 67 Jahren“. Katharina, die Tochter seines Sohnes Joseph, wird 1886 den Webermeister Lukas Büche heiraten – Johanna Burgers Vorfahr.

Aber wo in Oberwehr stand das Haus des Rotgerbers? Aus dem Eintrag im Feuerversicherungsbuch von 1842 geht hervor, dass es sich um das am 10.1.2002 abgebrannte Haus Schmid in der Todtmooser Straße 27 gehandelt hat. Ein Abgleich der Versicherungsdaten mit der Gemarkungskarte von 1777 beweist dies. Zudem lesen wir im Versicherungsbuch, dass der „Altvogt Johann Dede“ im Haus daneben (heute Todtmooser Straße 29) wohnte. Kumles Ehe war somit auch das Ergebnis nachbarschaftlicher Nähe. Hubert Schmid weiß zudem zu berichten, dass beim Neubau seines abgebrannten Elternhauses unter dem alten Kellerboden drei Gruben und ein Brunnenschacht freigelegt wurden.

Bereits 2002 hatte er eine Gerberei vermutet. Nach Sichtung der Kirchenbücher und des Versicherungsbuches im Stadtarchiv ist aus Schmids Vermutung historische Gewissheit geworden. Die beiden bisher ältesten Wehrer Fotografien aus dem Besitz der Johanna Burger haben den Weg gewiesen.