Jürgen Scharf

Dass zu Haydns vergessenen Violinkonzerten noch nicht alles gesagt ist, erfuhren die 200 Zuhörer beim Extra-Orchesterkonzert des Oberrheinischen Sinfonieorchesters Lörrach. Eigentlich unverständlich, warum Haydns Violinkonzert Nr. 1 so wenig beachtet wird, nachdem man es am Sonntag von der jungen, hochtalentierten Anne-Sophie Bereuter gehört hat.

Überhaupt hatte das "Sommerliche Serenadenkonzert", das keine Freiluftmusik war, sondern in der angenehm timbrierten Stadthalle über die Bühne ging, ein anspruchsvolles Programm. Zwar hatte der Dirigent den Herren erlaubt, hitzebedingt das Jackett abzulegen – er selber dirigierte standesgemäß im Frack -, doch "hemdsärmlig" war das Konzert allemal nicht. Vielmehr war der erste Programmblock, der als Ganzes geplant war, ein (gelungenes) Experiment, das man so von einem Amateurorchester nicht hätte erwarten können.

Da gingen Stücke von Mozart, Ives und Pärt "subito" (sofort anschließend) in einander über, in einer ideenreichen Klangkombination, für die es sicher gute Gründe geben mag. Zuvor musste Dirigent Stephan Malluschke das Publikum bitten, den Applaus aufzusparen bis zum letzten Mozart-Satz. Ob die Kalkulation aufging? Eine unbeantwortete Frage. Immerhin stellte sich da statt reinstem Mozartglück ein multiples Mozart-Pärt-Ives-Glück ein.

Im Einzelnen: Mozarts Unterhaltungsmusik, das frühe Divertimento KV 137, wurde zupackend serviert; noch mehr Plastizität und Phrasierungsfeinheiten waren in der großen Besetzung bei Mozart nicht möglich. Mit Arvo Pärts "Summa", einer Musik, die in sich kreist, ging Malluschke äußerst sachkundig um, und das Orchester zeigte seine Klang-und Streicherkultur. Spektakulär war Ives' "The Unanswered Question", wo die Positionierung der Frage stellenden Trompete und der vier immer chaotischer antwortenden Holzbläser auf der Empore die vielschichtigen Klang- und Rhythmusstrukturen spannungsvoll zu inszenieren vermochte. Die Antwort auf die Kardinalfrage von Ives und das Aufführungskonzept war vielleicht die: In der Nachbarschaft zu moderner Musik kommt es zu einem aufregenden, neuen Mozart-Ton.

Mit großer Spannung wurde der Auftritt der 24-jährigen Solistin mit dem für eine Geigerin (zumal in Wehr!) vielversprechenden Namen Anne-Sophie erwartet. Vom ersten Ton nahm Anne-Sophie Bereuter bei Haydn für sich ein, mit natürlicher Musikalität und einem schlanken, vibratoarmen Geigenton. Griff- und bogentechnisch war sie makellos, was dem technisch anspruchsvollen C-Dur-Violinkonzert mit seinen Doppelgriffen und Passagen in hohen Lagen zugute kam. Sie gestaltete ihren Part geigerisch brillant, gefiel durch technische Finesse und den wirklich schönen Geigenton, den sie mit viel Geschmack erzeugte, nie forcierte.

Den langsamen Satz zelebrierte Bereuter klangschön-intensiv, im Presto-Finale legte sie mit unverbrauchter Frische los. Die Oberrheinischen assistierten gut, so dass Haydn entstaubt und aufpoliert erschien. Elan, Esprit und Eleganz fanden zwanglos zueinander. Der zweite Teil war ausschließlich der umfangreichen Streicherserenade von Dvorak gewidmet, bei der straffes Musizieren in einem recht homogen-kompakten Streicherklang dominierte.