Nach dem Aus für die Geburtshilfe am ehemaligen Stühlinger Krankenhaus 2010 und der Schließung der Abteilung am ehemaligen Bad Säckinger Krankenhaus 2013, könnte es auch für die Geburtshilfe am Klinikum Hochrhein eng werden. Denn rund 1000 Geburten pro Jahr benötigt es, um eine Geburtsabteilung wirtschaftlich führen zu können, weiß Luisa Denz, Pressesprecherin am Klinikum Hochrhein in Waldshut. „Im Klinikum Hochrhein sind es aber nur rund 650 – doch es könnten mehr sein.“

Speziell das Krankenhaus im schweizerischen Leuggern zieht vermehrt Frauen aus dem Landkreis Waldshut zum Entbinden an. Auch, weil die deutschen Krankenkassen dies in der Regel bezahlen. Oliver Blum, Leiter Marketing und Kommunikation am Asana Spital Leuggern: „Die Entbindungen von Frauen aus dem Landkreis Waldshut hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Im Jahr 2022 waren es in Leuggern 326 von 801 Geburten, also rund 40 Prozent.“

Deutsche Versichertengelder fließen in die Schweiz

Das ist genau die Anzahl, die dem Klinikum Hochrhein in Waldshut statistisch fehlt. Hans-Peter Schlaudt, Geschäftsführer des Klinikums Hochrhein: „Viele der Schwangeren, die sich für eine Geburt in Leuggern entscheiden, nehmen in der Schwangerschaft sowie im Wochenbett unsere gynäkologische Notfallambulanz als Frauenarztersatz in Anspruch, dafür erhalten wir eine minimale Kostenerstattung.“

Weiter sagt er: „Was mich an dem Weg in die Schweiz wirklich verärgert, ist, dass Versichertengelder aus dem Deutschen System in die Schweiz abfließen und das, obschon unsere Geburtshilfe freie Kapazitäten hat, dadurch defizitär ist und nicht ausreichend finanziert wird.“ Der Landkreis gleiche diese Defizite mit Steuermitteln aus, während zugleich Versicherungsbeiträge in die Schweiz abfließen. Und dies unnötiger Weise. „Das ist doch irre“, so Schlaudt.

Tropfen auf den heißen Stein

Jüngst hat das Klinikum rund 100.000 Euro Fördermittel für die Abteilung erhalten, informiert das Klinikum Hochrhein. In einer Pressemitteilung heißt es: „Ein Tropfen auf den heißen Stein, denn das Defizit der Abteilung liegt bei rund 2 Millionen Euro.“

Schlaudt: „Viel Personal bei wenig Erlös“

Hans-Peter Schlaudt erklärt: „Auch Geburten werden nach sogenannten Fallpauschalen abgerechnet. Das bedeutet, einzelne Leistungen werden mit einer Kostenpauschale abgegolten.“

Zum Vergleich: Eine konventionelle Geburt werde mit durchschnittlich 2000 Euro abgegolten. Eine Vorstellung in der gynäkologischen Notfallambulanz bringe dem Klinikum jedoch lediglich einen Erlös von circa 51 Euro. Im Umkehrschluss bedeute dies, „dass wir viel Personal bei wenig Erlös vorhalten müssen.“ Denn die Ambulanz laufe regelmäßig über, obwohl die Abteilung kein Praxisersatz sei, so Schlaudt und weiter.

„Nun übernehmen die Versicherungen, die eine Geburt in der Schweiz bezahlen, jedoch lediglich die reinen Geburtskosten ihrer Versicherten in Leuggern. Alles was danach kommt, übrigens auch Komplikationen, müssen die Schwangeren entweder selbst bezahlen oder aber, sie kommen in ein deutsches Krankenhaus. Das ist zwar legitim, aber für uns birgt es erhebliche Probleme“, erklärt Schlaudt.

Aromatherapie und Akupunktur auch am Klinikum

Eleonore Gisy, Chefärztin der Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Hochrhein
Eleonore Gisy, Chefärztin der Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Hochrhein | Bild: Klinikum Hochrhein

Eleonore Gisy, Chefärztin der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, führt aus, dass vielerorts der Irrglaube bestünde, dass Klinikum habe in Punkto Geburten nichts zu bieten. „Unser geburtshilfliches Spektrum ist vergleichbar mit Leuggern, auch wir bieten unterstützende Methoden wie beispielsweise Aromatherapie und Akupunktur und unsere Schwangeren können entscheiden, ob sie im Bett, auf dem Stuhl oder in der Wanne gebären wollen.“ Dies alles könne bei „maximaler Sicherheit“ geboten werden, denn der OP befinde sich zu jeder Zeit in Bereitschaft.

„Darüber hinaus verfügen wir über ein Reanimationsbett für Neugeborene und können Mutter und Kind im Bedarfsfall auch in eine Kinderklinik ausfliegen lassen.“ In Leuggern hingegen gebe es lediglich eine Belegabteilung, die nicht regulär rund um die Uhr ärztlich besetzt sei – weder gynäkologisch noch anästhesiologisch, so Gisy und führt aus, dass es weiterhin frustrierend für das geburtshilfliche Team sei, Komplikationen nach einer Geburt oder einem Kaiserschnitt für eine andere Klinik ambulant nach zu betreuen.

Das sagt das Asana Spital in Leuggern

Oliver Blum: „Das Anästhesieteam am Asana Spital Leuggern ist 24 Stunden mit Anästhesiearzt und Anästhesiepflege im Haus anwesend und jederzeit einsatzbereit. Auch der jeweils diensthabende Facharzt Gynäkologie und Geburtshilfe ist innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Zeit gemäß Spitallistenvorgaben für die Geburtshilfe vor Ort einsatzbereit.“

Zusätzlich absolviere das Team der Anästhesie (gemeinsam mit den Hebammen) jährlich eine Weiterbildung in Start4Neo. Dies ist ein schweizweites Programm für Fachkräfte, das an der Betreuung von Neugeborenen im Gebärsaal beteiligt sind. In diesem Programm werden (unter anderem) auch die Maßnahmen bei Notfällen nach der Geburt geschult und geübt.

Oliver Blum: „Einfachere Komplikationen können durch unser Fachpersonal behandelt und Mutter und Kind fachmännisch versorgt werden. Die erforderlichen Maßnahmen gehören zum normalen Geburtsprozess und werden mit der Pauschale der Krankenkassen abgegolten.“

Sobald bei einem Neugeborenen der Aufenthalt in einer neonatologischen Abteilung notwendig werde, wendet sich das Spital an das Krankenhaus in Lörrach. „Das Spital schickt dann eine Equipe, holt das Neugeborene bei uns ab und überführt dies nach Lörrach. In der Zwischenzeit wird das Neugeborene durch unser Fachpersonal plus einen Anästhesie-Arzt betreut.“ Um die Nähe von Mutter und Kind zu gewährleisten, werde bei einer Verlegung des Kindes auch die Mutter in der Regel am nachfolgenden Tag verlegt.

„Die Einschätzung, ob ein Neugeborenes in eine Neonatologie-Station überführt werden muss, wird durch unser Fachpersonal und einen Kinderarzt vorgenommen.“

Am Klinikum Hochrhein können Frauen unter anderem in der Badewanne entbinden.
Am Klinikum Hochrhein können Frauen unter anderem in der Badewanne entbinden. | Bild: Klinikum Hochrhein

So könnten die Konsequenzen in Waldshut aussehen

Für das Vorgehen der Versicherungen hat Schlaudt auch abschließend wenig Verständnis. „Unsere Geburtenabteilung wird gezielt geschwächt. Gerade den Krankenversicherungen sollte klar sein, welche weitreichenden Konsequenzen hieraus entstehen können. Wenn wir in Waldshut auf Grund schwindender Fallzahlen keine Geburtenstation mehr betreiben dürfen, weil der Gesetzgeber hierfür klare Vorgaben macht, dann bin ich persönlich sehr gespannt, wer die Behandlung der Komplikationen und die Nachsorge der Geburten aus Leuggern übernehmen wird.“

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