Der Tod des eigenen Kindes beeinflusst das Leben so machtvoll, wie nur wenige Ereignisse. Das ist auch die leidvolle Erfahrung der Selbsthilfegruppe der trauernden Väter, die sich regelmäßig zum Gespräch und Austausch im Pater-Jordan-Haus in Gurtweil trifft.
In der Selbsthilfegruppe unterstützt der Pastoralreferent und ehrenamtliche Trauerbegleiter Franz-Josef Günther Väter auf ihrem schwierigen Weg. Seit 2014 bietet die Gruppe den Betroffenen einen geschützten Raum. Die Väter stammen aus der Region und der benachbarten Schweiz und haben zum Teil beachtliche Anfahrtswege.
Zeit für Gedanken an die verstorbenen Kinder
In Gurtweil finden die Väter Zeit für das liebevolle Gedenken an ihre verstorbenen Kinder. Sie treffen sich, um sich auszutauschen, Kontakt untereinander zu pflegen, von den Kindern zu erzählen, gemeinsam zu schweigen, zuzuhören und zu trauern. Denn mit dem Tod des eigenen Kindes geht auch ein Teil der eigenen Zukunft verloren.
Zwar leide die gesamte Familie unter diesem schweren Schicksalsschlag, aber für den Familienvater sei es oft eine besonders schwierige Situation, so die Einschätzung des Bundesverbands Verwaister Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland.
Eingebunden in die Fürsorge um die Familie, in die Anforderungen des Arbeitsplatzes, in die vielschichtigen Reaktionen des sozialen Umfelds und in die Ansprüche an sich selbst, könne die eigene Trauer häufig nicht bewusst gelebt werden.
Die Zukunft wieder in den Blick nehmen
Einer der betroffenen Väter ist Christian. „Mit den Jahren wandelt sich zwar die Trauer und man schaut anders auf das Geschehen zurück. Es wird nicht leichter, aber anders. Und es ist nicht mehr wie früher“, sagt er. Es entstehen Probleme im Beruf, in der Partnerschaft, das Miteinander sei gestört, und viele weitere Sorgen belasten den Alltag. Aber man lerne in der Vätergruppe, die Zukunft wieder in den Blick zu nehmen, weil sofort das Wir-Gefühl entstehe und weil man den gleichen Hintergrund und die gleiche Erfahrung habe.
„Es war hilfreich, von der Erfahrung anderer zu profitieren und dass ich weiß, dass ich nicht allein bin.“Christian, Mitglied der Selbsthilfegruppe trauernder Väter
Das erste Jahr nach dem Tod seines Kindes sei Roland Harzner aus Laufenburg in eine Schockstarre verfallen. Er nach und nach habe er sich öffnen können. „Die anfangs fast täglichen Besuche gemeinsam mit der Partnerin auf dem Friedhof und an der Unfallstelle halfen. Aber die Loslösung vom Schicksalsschlag brauche Zeit“, reflektiert er beim Treffen in Gurtweil.
Auch Roger erzählt in der Gruppe von seinen Erfahrungen: „Tagsüber muss man funktionieren, für die Familie da sein, wenn aber die Nacht kommt, dann kommen Gedanken und Bilder. Da kommen Tränen, da kannst du dann loslassen.“ Und er ergänzt sehr tiefgründig: „Du kannst nur um etwas trauern, was du liebst und wenn du trauerst, dann ist die Liebe noch da.“
Wie lange dauert die Trauer?
Und immer wieder stehe die Frage im Raum, wie lange die Trauer dauert und ob das Leben wieder gut werden. Was Roger an dem Vätertreffen schätzt: „Hier kann man was erzählen, was ich sonst nicht kann. Hier kann man offen darüber reden, was durch den Tod des Kindes anders geworden ist.“
Horst Döhring aus Steinen erzählt davon, wie seine Tochter nach einer langer Erkrankung in der Silvesternacht in seinen Armen an einem Hirntumor gestorben ist. Trotz aller Trauer betrachte er es als großes Geschenk, dass er sich von seiner Tochter verabschieden konnte, erzählt er der Gruppe. Horst engagiert sich außerdem für Kinderhospize, kreierte einen „Botschafter-Engel“, der jährlich bundesweit von vielen tausend Menschen mehr als 7000 Kilometer von Hospiz zu Hospiz getragen wird. Er weiß: „Wenn über jemanden gesprochen wird, ist er nicht vergessen.“
Auch Rituale helfen bei der Trauerbewältigung
Trauer, sagt Moderator und Trauerbegleiter Franz-Josef Günther, könne man nicht messen, sie geht unterschiedlich tief. Hier helfe die Väter-Gruppe, die ohne weitere Vorgaben für alle Betroffenen offen ist. Auch Rituale helfen, wie zum Beispiel das Anzünden einer Kerze am Geburtstag oder am „Himmelstag“, wie der Tag des Todes genannt wird. Aber: „Weihnachten gibt es nicht mehr“, sind sich die trauernden Väter einig.
„Gemeinsam trägt sich so manches leichter. Auch die Trauer um die verstorbenen Kinder.“Franz-Josef Günther, Leiter der Selbsthilfegruppe trauernder Väter
Das würden auch die vollen Kirchen am sogenannten Candle Lighting Day zeigen. Am zweiten Sonntag im Dezember werden weltumspannend Kerzen für die verstorbenen Kinder entzündet werden. Und auch das stete Erzählen des Erlebten helfe, das harte Schicksal zu bewältigen, sind sich die trauernden Väter einig.
Die Gruppe der trauernden Väter lädt Männer, die vom selben Schicksal betroffen sind, in ihre vertraute Runde ein. Durch das Erzählen, das Zuhören und durch den Austausch von Anregungen im geschützten Raum könne der Alltag wieder besser bewältigt werden.