Thomas Arzner

Herr Dörflinger, Sie waren 14 Jahre Vorsitzender des Kolpingwerkes Deutschland. War das jetzt der Punkt aufzuhören oder gibt es noch andere Gründe?

Es gibt einen einfachen Grund: Das Kolpingwerk Deutschland hat eine Amtszeitbegrenzung eingeführt. Deshalb ist nur eine zweimalige Wiederwahl im gleichen Amt möglich. Daraus folgt, dass ich bei der jetzigen Bundesversammlung den Stab weitergebe.

Aber hätten Sie nicht Lust gehabt, weiterzumachen?

Ich hätte schon Lust gehabt, aber es ist für den Verband besser, wenn es einen Wechsel an der Spitze gibt, der nicht erst nach 20 Jahren stattfindet. Ich halte diese Regelung für sinnvoll, ich habe sie selbst mitverabschiedet.

Als Bundesvorsitzender unterwegs: hier bei der Versammlung des Kolpingdiözesanverbandes Freiburg in Raststatt, mit (von rechts): ...
Als Bundesvorsitzender unterwegs: hier bei der Versammlung des Kolpingdiözesanverbandes Freiburg in Raststatt, mit (von rechts): Ehrenvorsitzender Alois Schätzle, Kolping-Diözesanpräses (Geistlicher Leiter) Pfarrer Wolf-Dieter Geißler und Thomas Dörflinger). | Bild: Thomas Arzner

Sie stammen aus Tiengen, sind in der dortigen Kolpingfamilie groß geworden. Was haben Sie von dort für Ihre Zeit als Bundesvorsitzender mit auf den Weg bekommen?

Das war die Befassung mit den Grundlagen von Adolph Kolping: Wer war Kolping, was hat er gemacht, welche Rolle spielte er bei der Entwicklung der katholischen Soziallehre. Darauf konnte ich im neuen Amt auf der Bundesebene gut aufbauen.

Und wollen Sie jetzt wieder stärker bei der Kolpingfamilie Tiengen einsteigen?

Jetzt habe ich natürlich mehr Freiraum, um mich einbringen zu können. Das muss nicht die Vorstandstätigkeit sein, aber die ein oder andere Aufgabe traue ich mir durchaus zu.

Zwei Mal Kolping: als gläserne Büste, angefertigt vom Kolping-Diözesanverband Freiburg und als Bild.
Zwei Mal Kolping: als gläserne Büste, angefertigt vom Kolping-Diözesanverband Freiburg und als Bild. | Bild: Thomas Arzner

Das Kolpingwerk setzt sich seit jeher stark für soziale Belange ein. Wie haben Sie diesen Anspruch in Ihrer Zeit als Vorsitzender eingelöst?

Von vielen jungen Leuten wird unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen eine große Mobilität erwartet. Das ist ähnlich, wie bei den wandernden Gesellen, um die sich Adolph Kolping im 19. Jahrhundert kümmerte. Diese jungen Menschen müssen unterkommen und betreut werden. Getreu der Wurzeln von Kolping haben wir in den vergangenen Jahren versucht, so es uns finanziell möglich war, dieses Konzept des Jugendwohnens auszubauen.

Das klassische Familienmodell Mutter-Vater-Kinder wird immer weniger praktiziert. Es gibt mehr Patchworkfamilien, und Alleinerziehende. Auch die „Ehe für alle“ ändert die Sicht auf die Familie. Wie geht ein Verband, dessen Thema Familie ja ist, mit diesem Wandel um?

Als Verband müssen wir die politischen und gesellschaftlichen Realitäten zur Kenntnis nehmen. Unabhängig davon ob uns das als Person oder Verband gefällt, müssen wir die gesetzlichen Regelungen akzeptieren. Dass wir ein gesellschaftliches Leitbild haben, steht außer Frage. Das heißt aber nicht, dass wir andere Lebensformen, die sich neben diesem Leitbild bewegen, nicht anerkennen. Auch dort können Werte gelebt werden, die uns wichtig sind.

Sie waren knapp 20 Jahre Bundestagsabgeordneter. Bleibt man ein politischer Mensch?

Ich beobachte aufmerksam, was in der Politik passiert, nehme aber gleichfalls zur Kenntnis, dass die Beobachtung von außen mindestens so spannend ist, vielleicht aber entspannender, als die Tätigkeit darin.

Sie haben Angela Merkel oft kritisiert. Was sagen Sie jetzt zu ihrem Rückzug?

Der Rückzug ist durchaus souverän, das will ich bei aller Kritik in der Sache, die ich bei Frau Merkel hatte und noch habe, anerkennen. Sie hat etwas geschafft, was selten ist in der Politik: Das ein Mandatsträger sein Ende selbst bestimmt. Insofern hat sie das Gesetz des Handels nach wie vor in der Hand, das gilt für ihre Tätigkeit als Parteivorsitzende und wie auch als Kanzlerin.

Kein Bundestagsmandat mehr, demnächst nicht mehr Vorsitzender des Kolpingwerkes. Was machen Sie mit der vielen freien Zeit?

So viele freie Zeit gibt es nicht, weil das nächste Ehrenamt, der Vorsitz des Freundeskreises von Schloss Bonndorf, bei mir schon angekommen ist. Im Übrigen bin ich dabei, meine kleine Firma, mit der ich unter anderem Beratungstätigkeiten in Politik und Wirtschaft ausübe, mit dem nötigen Nachdruck aufzubauen.

Ursula Groden-Kranich ist Bundestagsabgeordnete aus Mainz und die einzige Kandidatin für die Nachfolge. Was wünschen Sie ihr, sollte sie gewählt werden?

Ich habe ihr gesagt, es gilt die gleiche Zusicherung, die ich meinem Nachfolger im Bundestagsmandat gegeben habe: Wenn sie etwas wissen möchte, kann sie gerne anrufen. Ich werde von mir aus keine ungebetenen Ratschläge geben. Ich wünsche ihr, dass es ihr genauso schwerfällt wie mir, sich von diesem Amt zu verabschieden. Dann hat sie es nämlich richtig gemacht.

Fragen: Thomas Arzner