Frau Herrmann, was hält Sie schon so lange beim Heimatabend?
Theaterspielen allgemein macht mir einfach Spaß, ich habe schon als junges Mädchen auf Bühnen gestanden. Besonders schön finde ich beim Heimatabend, dass so viele Leute mitmachen. Einige sind wie ich schon viele Jahre mit dabei, wie zum Beispiel Maria Krug, Reni Schnee oder Willy Rieger. Ich freue mich jedes Mal, sie wieder zu sehen und auf der anderen Seite, lernt man auch jedes Mal neue Leute kennen. Dieses Mal spielen zum Beispiel viele Tiengener mit. Außerdem weiß ich beim Heimatabend, dass mit der Theaterwerkstatt Heidelberg Leute dabei sind, die professionell arbeiten. Babette Steinkrüger und Wolfgang Schmidt sind ein tolles Gespann und mit Leidenschaft bei der Sache. Wolfgang Schmidt verausgabt sich in den Proben richtig. Natürlich wird auch was von uns verlangt, aber mir gefällt das, ich mag es nicht, wenn es zu lasch zugeht.
Haben Sie sich 1999 gemeldet oder wie war das?
Ich habe dem Liederkranz-Frauenchor bei einem Projekt als Sopran ausgeholfen und als er dann beim Heimatabend auftrat, habe ich gesagt, gut, ich mache auch mit. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Heimatabend, es hat so geregnet, dass wir in die Stadthalle ausgewichen sind und dort war eine furchtbare Luft. Es war heiß und eng, aber es hat trotzdem alles gut geklappt und es hat mir dann so gut gefallen, dass ich dabei geblieben bin. Den Rock, den ich mir für meinen ersten Heimatabend-Auftritt genäht habe, besitze ich noch immer und er passt mir auch noch immer.
Ihr Mann Herbert hat ja auch viele Jahre beim Chilbi-Heimatabend mitgewirkt.
Ja, er war für das Bühnenbild verantwortlich, jetzt macht das Günter Hermle. Die tollen Bühnenbilder jedes Jahr sind auch ein Grund, warum der Heimatabend etwas ganz Besonderes ist. Es steckt viel Arbeit in den Bühnenbildern, aber sie sind sehr wichtig und mitentscheidend wie ein Stück beim Zuschauer ankommt.
Sie spielen praktisch Ihr ganzes Leben lang schon Theater, kennen Sie das berühmte Lampenfieber überhaupt noch?
Nein, ich würde es für mich eher positive Anspannung nennen. Ich bin auch immer gut auf meine Rollen vor-bereitet. Man sollte auf jeden Fall überhaupt nie daran denken, dass man den Text vergessen könnte. Wir haben beim Heimatabend zwar keine Souffleuse, aber die richtig großen Texte übernehmen wie immer die Leute von der Theaterwerkstatt. Und wenn wirklich mal jemand einen Aussetzer hat, lassen die sich was einfallen, das sind Profis. Die größere Herausforderung ist für mich das Umziehen.
Weil es schnell gehen muss?
Ja, wir spielen alle in mehreren Szenen mit und oft ist nicht viel Zeit dazwischen. Es werden immer Lastwagen, Container oder Zelte fürs Umziehen aufgestellt, aber für mich ist das nichts, weil es dann schnell passieren kann, dass jemand seine Sachen auf meine legt. Ich lege deshalb schon seit Jahren vor einem Geschäft hinter der Bühne meine Sachen passend hin, damit ich nur noch danach greifen muss.
Ich war bei einer Probe dabei und mir ist eine lebensecht wirkende Gans aufgefallen, die Sie in einer Szene im Arm hielten, haben Sie die selber gemacht?
Ja, ich schaue immer, was zu meinen Rollen passen könnte und überlege dann, ob ich was habe oder was selber machen kann. Bei den Szenen um den Raubritter Bilgeri spiele ich eine Marktfrau und eine Gans unterm Arm passt da gut. Genäht habe ich sie schon vor längerer Zeit für eine andere Aufführung, sie hat für den kommenden Heimatabend nur neue Füße bekommen und ich habe ihren Hals nochmals geöffnet und einen starken Draht rein gemacht, damit er nicht so schlaff runter hängt und ich ihn besser bewegen kann. Genäht habe ich sie damals aus einem Schafwollkissen, das beim Waschen verunglückt war.
Bringen Ihnen auch Leute Dinge?
Ja, ich werde schon oft gefragt, ob ich dies oder jenes gebrauchen kann und meistens sage ich ja. Adolf Bornhauser hat mir zum Beispiel vor ein paar Wochen ein altes weißes Nachthemd mit Spitzenbesatz gegeben. Das ziehe ich jetzt zusammen mit einer Spitzenhaube und einer alten weißen Pluderunterhose bei den Szenen zum großen Stadtbrand in Waldshut an. Wir werden im Bett vom Feuer überrascht. Das Hemd ist sicher so hundert Jahre alt und hat schon Stockflecken, die wie angesengt aussehen, es passt einfach.
Sie waren beim Heimatabend auch schon gesanglich als Solistin zu hören, dieses Mal auch?
Nein, aber ich singe im großen Chor mit allen anderen zusammen. Wir werden unter anderem die Hymne an die Stadt Waldshut-Tiengen singen, eine Uraufführung.
Das klingt alles, als ob Sie dem Heimatabend noch viele Jahre erhalten bleiben.
Ja, ich möchte ihn nicht missen. Solange ich gesund und munter bin, mache ich mit. Es ist einfach ein schönes Gefühl, das Publikum vor sich zu sehen, je mehr Zuschauer es sind, desto schöner finde ich es. Für mich ist der Heimatabend schon eine tolle Leistung der Waldshut-Tiengener, die ehrenamtlich großes Engagement und viel Zeit einbringen. Etwa ein Vierteljahr vor den Aufführungen beginnen schon die Proben.
Fragen: Ursula FreudigZur Person
Jutta Herrmann (78) wurde in Niederschlesien geboren und kam 1946 als kleines Mädchen mit ihrer Mutter nach Norddeutschland. Nach mehreren Aufenthalten in verschiedenen Städten, zog sie 1962 nach Waldshut, wo ihr Mann Herbert Herrmann eine Stelle angenommen hatte. Die gelernte Fotolaborantin hat eine Tochter und zwei Enkelkinder. Zu ihren Hobbys gehört neben dem Singen in der Kantorei Hochrhein, das Fotografieren und das Theaterspielen: Zur Zeit ist sie in die Proben für den Heimatabend am 19. August im Rahmen der 549. Chilbi eingespannt. Seit 1999 steht sie jedes Jahr beim Heimatabend auf der Bühne.