Der Hungerberg zwischen Gurtweil und Indlekofen könnte zum gemeinsamen Standort für Umspannwerke werden. Ob dies möglich ist, könnte schon bald eine Machbarkeitsstudie zeigen.
Nach Auskunft von Bürgermeister Joachim Baumert hat die Stadt vor kurzem Kontakt zu einem Stuttgarter Planungsbüro aufgenommen, um mögliche erste Schritte einer solchen Studie auszuloten. Die Thematik sei allerdings extrem komplex, so Baumert. Gespräche mit den an dem Verfahren beteiligten Netzanbietern und Anspruchsgruppen sollen folgen.

Die Idee, alle Umspannwerke aus Gurtweil auf den Hungerberg zu verlegen, war vergangenes Jahr im Rahmen von Umzugsplänen des Netzanbieters Amprion ins Rollen gekommen. Ursprünglich hatte das Unternehmen geplant, sein 220-Kilovolt-Umspannwerk in Gurtweil wenige Meter entfernt auf eigenem Grundstück durch eine 380-Kilovolt-Anlage zu ersetzen. Rechtlich ist dieses Vorhaben bereits in trockenen Tüchern und somit auch im Gemeinderat zustimmungsfähig.
Dennoch haben die Pläne in Gurtweil Diskussionen losgetreten. So wurden Sorgen laut, die leistungsfähigere Anlage könnte für den Ort eine Mehrbelastung bedeuten. Mitte 2017 hatte der Gurtweiler Ingenieur Engelbert Maier einen gemeinsamen Standort Hungerberg erstmals als mögliche Alternative ins Gespräch gebracht. Amprion zeigt sich dieser Idee gegenüber mittlerweile offen: "Wir möchten eine einvernehmliche Lösung," sagt Michael Weber, Projektsprecher bei Amprion. Man hoffe, dass eine Machbarkeitsstudie so bald wie möglich auf den Weg gebracht werden kann. Solange wolle man mit den ursprünglichen Umzugsplänen warten. "Jetzt ist die Stadt am Zug," so Weber.

Doch ganz so einfach macht es sich Amprion dann doch nicht. Das Unternehmen knüpft einen Umzug auf den Hungerberg an die Bedingung, dass die drei weiteren in Gurtweil ansässigen Netzbetreiber – ED Netze, Netze BW, Transnet BW – ihre Umspannwerke ebenfalls auf den Hungerberg verlegen. Nur so könne Gurtweil entlastet werden, meint Weber.
Darüber hinaus müsse die wirtschaftliche und technische Umsetzungsfähigkeit eines solchen Vorhabens in Abhängigkeit der Ergebnisse einer stehenden Machbarkeitsstudie zunächst geprüft und sichergestellt werden. Auch die Bundesnetzagentur müsse die Investitionen in einen Umzug zunächst anerkennen. "Es müssten Millionen in die Hand genommen werden", so Weber.
Immerhin: Die Bereitschaft Amprions, solche Ergebnisse abzuwarten, ist für Gurtweil ein deutlicher Schritt nach vorne. Im Januar diesen Jahres hatte Amprion der Idee Hungerberg als gemeinsamem Standort noch eine Absage erteilt. Es sei "eine Vision für die Zukunft" und "in der Kürze der Zeit nicht umsetzbar", so Amprion damals gegenüber dieser Zeitung.
Zukunft des Tennisclubs
Von der Entscheidung pro oder contra Hungerberg hängt womöglich auch die Zukunft des Tennisclubs Gurtweil ab. Amprion sichert dem Verein einen Neubau der Anlage zu, sollte der Platz für den Umzug auf eigenem Grundstück gebraucht werden.
Geht es aber auf den Hungerberg, gibt es zwar keine neuen Tennisplätze und kein neues Vereinsheim. Über sein Fortbestehen müsse sich der TC aber keine Sorgen machen. Der 2018 auslaufende Pachtvertrag werde auch in diesem Fall verlängert, so Michael Weber.

Wie es nun tatsächlich weitergeht, könnte sich bereits im kommenden Jahr entscheiden. Sollte schlussendlich die Entscheidung zugunsten eines gemeinsamen Umzugs auf den Hungerberg fallen, könnten bis zum Abschluss eines solchen Projekts aber noch Jahrzehnte vergehen.
Planung und
Umsetzbarkeit
- Planungen: Ursprünglich hatte das Unternehmen Amprion den Projektabschluss des Umzugs am selben Standort bis 2025 und das Freiwerden erster großer Flächen bis 2020 geplant. Mit dem Umbau seines Bestandsnetzes von 220 auf 380 Kilovolt will der Netzbetreiber Amprion unter anderem eine stärkere Einspeisung regenerativer Energien, insbesondere aus Wasserkraftwerken, wie zum Beispiel der Schluchseewerke, ermöglichen.
- Eine Machbarkeitsstudie kann zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten dauern. Im Rahmen der Prüfung werden per Definition die organisatorische Umsetzung, die wirtschaftliche und die technische Machbarkeit, die Verfügbarkeit von Ressourcen, wie Menschen (Arbeiter/Experten), Maschinen, Flächen, Material und Zeit, sowie die zeitliche und die rechtliche Umsetzung geprüft. Bei Bauprojekten ist der Naturschutz ein wesentlicher zu prüfender Faktor. Die Kosten einer Machbarkeitsstudie richten sich nach dem Aufwand und der Dauer.
- Der Hungerberg ist ein Bergrücken zwischen Indlekofen, Schmitzingen, Gurtweil und Waldshut, mit einer Höhe von bis zu 722 Metern über dem Meeresspiegel. Das Gebiet ist bereits seit Jahrzehnten von unzähligen Hochspannungsmasten und kreuzenden Starkstromleitungen geprägt. Im Volksmund wird das landwirtschaftlich genutzte Gebiet auch "Indlekofer Felder" genannt. Hier befindet sich auch der Indlekofer Pavillon als beliebtes Ausflugsziel mit Panorama auf das Rheintal.