Mit Anzeige und Hausverbot müssen Ladendiebe rechnen, die in Waldshut-Tiengens Geschäften erwischt werden. So wie das junge Mädchen, das an einem Abend im vergangenen November von der Mitarbeiterin eines Einkaufsmarktes der Polizei übergeben wurde. Nachdem die elektronische Warensicherungsanlage ausgelöst worden war, wollte die Geschäftsmitarbeiterin die Sache klären. Das Mädchen zeigte bereitwillig seine Tasche vor, wie die Polizei berichtete, und zog seine Jacke aus, wohl um zu zeigen, dass es kein Diebesgut dabei hatte. Doch dabei kullerte eine Parfumflasche zu Boden, die die Kundin unter den Arm geklemmt hatte.
Ein Vorfall, wie er sich überall im Land abgespielt haben könnte. Der Schaden, den der Einzelhandel in Baden-Württemberg pro Jahr durch Ladendiebstähle verkraften muss, liegt im dreistelligen Millionen-Bereich. Der Handelsverband Baden-Württemberg beziffert ihn auf 500 bis 700 Millionen Euro, so die Hauptgeschäftsführerin des Verbands, Sabine Hagmann, auf der Homepage des Verbands.
Wie kann sich der Handel gegen Diebe wehren? Der Werbe- und Förderungskreis Waldshut empfiehlt seinen Mitglieder Videoüberwachung in den Geschäften. Pressesprecher Jochen Seipp spricht wie der baden-württembergische Verband von einem hohen Verlust durch Diebstähle. „Das geht vor allem auf das Konto von kriminellen Banden, die für einen Diebeszug in die Stadt kommen und schnell wieder verschwinden.“ Waldshut sei jedoch noch nicht in dem Ausmaß betroffen wie Städte wie Konstanz, die durch ihre Autobahnanbindung leicht erreichbar seien.

Aufzeichnungen aus der Videokamera dokumentieren, so Seipp, den Ablauf einer Tat. Zum Vorteil der Angestellten, aber auch der Polizei, die aufgrund der Bilder bei der Fahndung konkrete Anhaltspunkte für die Täter und den Diebstahl hätten. Dennoch sei die Aufklärungsquote relativ gering. „Wir erhoffen uns von der Videoüberwachung jedoch eine abschreckende Wirkung.“
Laut Mathias Albicker, Polizeisprecher des Polizeipräsidiums Freiburg für den Landkreis Waldshut, schätzt die Polizei, dass mittlerweile weit über die Hälfte der Geschäfte und Lokale in der Waldshuter Innenstadt per Video überwacht werden. „Mittlerweile setzen alle Branchen dieses Mittel ein. Viele versprechen sich auf den Abschreckungseffekt und hoffen darauf, dass dadurch beispielsweise einfache Diebstähle vermieden werden können.“
Ein Viertel der Diebstähle in Baden-Württemberg, Schden 125 bis 175 Millionen Euro, entstehen durch Taten unterhalb der bisherigen Bagatellgrenze, sagt Hagmann. Ladendiebe, deren Beute weniger als 25 Euro wert war, hatten von der Justiz wenig zu befürchten. Justizminister Guido Wolf (CDU) hat jedoch im vergangenen Jahr diese Grenze gestrichen. Ladendiebstähle werden jetzt unabhängig vom Wert des Diebesgutes von der Justiz verfolgt, was der Handelsverband begrüßt.

Das größte Problem beim Thema Ladendiebstahl für den Einzelhandel bleibe jedoch bestehen, so Sabine Hagmann: die Einstellung zu vieler Verfahren. Die im Südwesten laut polizeilicher Kriminalstatistik zurückgegangene Zahl der Ladendiebstähle sei nur ein Erfolg auf dem Papier, so die Hauptgeschäftsführerin. „In der Realität beobachten wir etwas anderes: Dass die Händler viele Diebstähle gar nicht mehr zur Anzeige bringen, weil es zu viel Bürokratie verursacht und aus Sicht der Händler meist nichts bringt.“ Mit großer Sorge beobachte der Handelsverband Baden-Württemberg zudem, dass Fälle der organisierten Kriminalität weiterhin zunehmen.
„Neben den finanziellen Folgen stellen diese Form der Eigentumsdelikte vor allem ein großes Gefährdungspotenzial für die Mitarbeiter im Einzelhandel dar“, so Hagmann weiter. Der Handelsverband Baden-Württemberg fordert den Gesetzgeber daher auf, den Strafrahmen für Diebstahl mit Waffen/Bandendiebstahl zu erweitern, sodass eine Bewährungsstrafe nicht in Frage kommt.
Das sagt der Datenschutzbeauftragte des Landes
Das Bundesdatenschutzgesetz: Ausführliche Informationen zum Thema „Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen“ stehen auf der Seite des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg. Maßgebliche Vorschrift für die Zulässigkeitsprüfung einer Videoüberwachungsanlage ist Paragraph 6b des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), welche die Videoüberwachung von öffentlich zugänglichen Räumen durch nicht-öffentliche Stellen regelt. Demnach ist das Beobachten öffentlich zugänglicher Räume per Videoüberwachung nur zulässig, soweit es zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist. Allerdings dürfen keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Person, die von der Kamera erfasst wird, überwiegen.
Wo gibt es Grenzen: Unzulässig sind in jedem Fall Beobachtungen, die die Intimsphäre der Menschen verletzen, etwa die Überwachung von Toiletten, Saunas, Duschen, ärztlichen Behandlungsräumen oder Umkleidekabinen. Die schutzwürdigen Interessen überwiegen außerdem häufig dort, wo die Entfaltung der Persönlichkeit im Vordergrund steht, beispielsweise in Restaurants, Erlebnis- und Erholungsparks, wo Menschen kommunizieren, essen und trinken oder sich erholen. Der Einsatz verdeckter Videotechnik ist ebenfalls regelmäßig unzulässig, da dem Überwachten die Möglichkeit genommen wird, seine Rechte wahrzunehmen oder sein Verhalten entsprechend anzupassen.
Das können Gäste und Kunden tun: Beschweren sich Kunden beim Landesbeauftragten für Datenschutz, haben die Mitarbeiter dort nur wenig Möglichkeiten einzugreifen. Sabine Stollhof, Juristin beim Landesbeauftragten für Datenschutz Baden-Württemberg: „Erst wenn sich Kunden bei ihnen beschweren, kontrollieren die Beauftragten das Ladenlokal.“ Das Abmontieren der Kameras kann Sabine Stollhof aber nicht verlangen. „Unsere Kontrolle ergibt sich aus datenschutzrechtlichen Belangen.“ Schaltet der Wirt die Kamera ab, lässt sie nur nachts laufen, hat der Datenschutzbeauftragte keine Handhabe mehr, da keine Daten gesammelt werden. Wenn sich ein Kunde an den Aufnahmen stört, empfiehlt Sabine Stollhof, freundlich das Gespräch mit dem Wirt zu suchen. Einfordern kann der Gast das Abschalten aber nicht. Es komme letztendlich auf die Kooperationsbereitschaft des Gastwirts an. Der Redaktion ist ein Fall aus einem Lokal in Waldshut-Tiengen bekannt, wo von Behördenseite der Einsatz einer Videokamera beanstandet wurde. Die Kamera ist während der Öffnungszeiten nicht mehr in Betrieb.
Was sind die Pflichten der Betreiber: Die Durchführung einer Videoüberwachung ist an zahlreiche Pflichten gebunden, zum Beispiel besteht eine Hinweispflicht, eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Dokumentation, zur unverzüglichen Löschung und zur Sicherstellung der technisch-organisatorischen Maßnahmen. Ausführliche Informationen zur Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen sowie eine Checkliste für Betreiber von Videoüberwachungsanlagen mit Checkliste gibt es im Internet unter dem Stichwort:
Orientierungshilfe „Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen“