Die Bagatellgrenze soll befristet bis zur Einführung einer digitalen Lösung, etwa in Form einer Mehrwertsteuer-App, gelten. Die Regelung soll die Zöllner an den Grenzübergängen entlasten und die Schlangen an den Ladenkassen reduzieren.
Ursprünglich hatte der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages gefordert, die Bagatellgrenze auf 175 Euro festzulegen. Dass die Grenze nun bei 50 Euro liegen soll, sorgt bei den Händlern zwar für Erleichterung, aber nicht für Zufriedenheit. Christian Straub, Vorsitzender des Werbe- und Förderungskreises Waldshut (W+F), sagt auf Nachfrage dieser Zeitung: „175 Euro wären völlig inakzeptabel.“ 50 Euro seien zwar besser für den Einzelhandel, den Betrag hält er dennoch für zu hoch angesetzt. „Der durchschnittliche Kassenbon am Hochrhein liegt bei 36 Euro“, sagt er und bezieht sich auf eine Studie des Regionalverbandes Hochrhein-Bodensee.
„Der Schweizer Einkaufstourist ist preisbewusst. Wenn er sieht, dass es sich nicht mehr lohnt zu kommen, bleibt er weg. Auch angesichts der Stau- und Parkplatz-Problematik in Waldshut„, befürchtet Stefanie Kaiser, stellvertretende Vorsitzende des W+F. Sie sieht durch die Einführung der Bagatellgrenze einige mittelständische Unternehmen in ihrer Existenz bedroht: „Da hängen viele Arbeitsplätze dran“, sagt sie.
Diskussionen mit Kunden befürchtet
Nikola Kögel, Geschäftsführerin der Aktionsgemeinschaft Tiengen, hat ähnliche Bedenken: Die Bagtellgrenze „könnte Auswirkungen auf kleine Betriebe haben, in denen Kunden eben nicht im Wert von 50 Euro einkaufen, sondern weit darunter“. Kögel ist selbst Inhaberin eines Buchladens in der Tiengener Innenstadt. „Bei uns ist ein Bon über 50 Euro überdurchschnittlich hoch.“ Ob Kunden bei einem Kauf eines Buches noch ein zweites oder drittes Buch erwerben, um auf die 50 Euro zu kommen, kann Kögel noch nicht sagen. „Ich kann mir vorstellen, dass sich mehrere Kunden, die eh zusammen einkaufen gehen, zusammenschließen, um auf den Wert zu kommen.“
Nikola Kögel befürchtet weiter, dass es zu Diskussionen mit Kunden kommen könnte. „Aber diese Entscheidung haben ja nicht wir getroffen, sondern die Regierung. Letztendlich müssen die Händler vor Ort es aber ausbaden.“ Dennoch ist die Buchhändlerin froh, dass das Bundesfinanzministerium die Grenze von zunächst angedachten 175 Euro deutlich auf 50 Euro senken will.
Einzelhändler in Waldshut und Tiengen sind sich einig, dass die Infrastruktur der Doppelstadt ohne Schweizer Kunden nicht aufrecht erhalten werden könne. Nikola Kögel gibt zu bedenken, dass 50 Prozent des Einzugsgebietes auf der Schweizer Seite liegen. Christian Straub sagt über die geografische Lage Waldshut-Tiengens: „Wir haben nur auf einer Seite den Landkreis.“ Und diese sei dünn besiedelt.
Erleichterung über den Kompromiss macht sich bei den Abgeordneten der Region breit. „Ich bin froh, dass die Wertobergrenze von 175 Euro vom Tisch ist. Eine Bagatellgrenze in Höhe von 50 Euro und die Weiterentwicklung der App sind ein guter Kompromiss. Wichtig ist mir aber auch, dass geschaut wird, wie sich die Bagatellgrenze auf den Handel an der deutsch-Schweizer Grenze auswirkt“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter. Nach langem Ringen lege das Bundesfinanzministerium nun einen Vorschlag vor, der sowohl das Anliegen der deutschen Bürger in den betroffenen Kommunen mit Zollabfertigungsstellen ernst nehme, als auch des Handels, für den eine Wertobergrenze von 175 Euro einen erheblichen Wettbewerbsnachteil bedeutet hätte, so die Abgeordnete.
„Eine Wertgrenze über 50 Euro ist ein akzeptabler Kompromiss. Vor allem ist sie das Ergebnis intensiver Gespräche zwischen uns regionalen CDU-Abgeordneten und dem SPD-Bundesfinanzminister“, teilt der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner mit. Noch vor wenigen Wochen habe eine Wertgrenze von 175 Euro gedroht. „Das hätte nicht nur den Fach- und Einzelhandel in den Dorfkernen schwer getroffen“, fügt Felix Schreiner hinzu.
„Ich hätte mir auch eine niedrigere Wertgrenze vorstellen können. Wichtig war uns CDU-Abgeordneten, dass die nun beschlossene Wertgrenze befristet bis zu Einführung einer digitalen Lösung gilt. Dabei erwarten wir vom Bundesfinanzministerium nun rasche Fortschritte“, so der Bundestagsabgeordnete in seiner Stellungnahme.
„Beste aller schlechten Lösungen“
„Eine zeitlich befristete Bagatellgrenze von 50 Euro ist die beste aller schlechten Lösungen“, findet die CDU-Landtagsabgeordnete Sabine Hartmann-Müller. „Unsere Region hat sehr dafür gekämpft, dass die Bagatellgrenze nicht kommt. So konnten wir immerhin erreichen, die Maximalforderung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, das heißt eine 175 Euro Wertgrenze, doch noch abzuwenden“, fügt sie hinzu. Diese hätte insbesondere die Fach- und Einzelhändler getroffen, so die Landespolitikerin. In den vergangenen Wochen sei aber immer deutlicher geworden, „dass es die perfekte Lösung nicht geben wird – zumindest noch nicht“.
Diese sei aus Sabine Hartmann-Müllers Sicht eine digitale Abwicklung, die zügig eingeführt werden müsse. „Dadurch würde nicht nur die Bagatellgrenze wieder wegfallen zugunsten unserer Händler, Dienstleister und Gastronomen. Wir würden auch unsere Zollbeamten spürbar und nachhaltig entlasten. Der Ball liegt nun bei Finanzminister Scholz, unserer Region eine möglichst zeitnahe IT-Lösung zu präsentieren“, so die Politikerin.
Anteil Schweizer Kunden
Auf der Basis von kommunalen Marktgutachten und einer regionalen Handelsstudie des Regionalverbandes Hochrhein-Bodensee aus dem Jahr 2017 wurde ein Gesamtumsatz des Einzelhandels in der Region Hochrhein-Bodensee von 4,53 Milliarden Euro ermittelt. Davon entfallen rund 1,6 Milliarden Euro auf Einkäufe von Schweizer Kunden. Dies entspricht einem Anteil von 35,3 Prozent.
„Ich werde auch weiterhin nach Waldshut kommen“
Das sagen Einzelhändler aus Waldshut und Einkaufstouristen aus der Schweiz zur geplanten Einführung der Bagatellgrenze.
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Bild: Katharina Schlegel - Alexandra Waga vom Lichthaus Reinhard: „Ich bin nach wie vor gegen die Bagatellgrenze. Viele Kunden kaufen bei uns Leuchtmittel oder Geschenke für 10 bis 20 Euro und liegen damit unter der Grenze. Deshalb befürchte ich weniger Kunden aus der Schweiz. Die Grenze ist ein Rattenschwanz: Mit der Zeit wird es weniger inhabergeführte Geschäfte und dafür mehr Ketten geben. Auch in Waldshut.“
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Bild: Katharina Schlegel - Rico Schäfer (50) aus Frauenfeld in der Schweiz: „Ich halte die Bagatellgrenze eher für gut. Schweizer sollten nicht immer nach Deutschland zum Einkaufen kommen, sondern wir sollten auch im eigenen Land einkaufen gehen. Ich bin immer mal wieder in Deutschland, aber nie nur zum Einkaufen. Meistens mache ich einen Tagesausflug und schaue mir die Stadt und Umgebung an. Das Einkaufen mache ich eben nebenbei.“
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Bild: Katharina Schlegel -
Bild: Katharina Schlegel