Zum zweiten Mal seit Jahresbeginn hat die Schweizer Atomaufsichtsbehörde Ensi (Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat) über eine Panne mit menschlichem Versagen im Kernkraftwerk Leibstadt (KKL) berichtet. Bei der jüngsten Meldung vom Donnerstag, die sich auf die Revision von 2018 bezieht, geht es um eine unerwartete Erhöhung der Radioaktivität in der Reaktorkuppel. Erneut übt das Ensi deutliche Kritik an der Sicherheitskultur im KKL.

Wie schon die im Januar bekannt gewordene Panne mit Messgeräten wird auch der neuerliche Fall vom Ensi auf der siebenteiligen internationalen Ereignis-Skala mit Stufe 1 (unter anderem: „Abweichung von den zulässigen Bereichen für den sicheren Betrieb/gestaffelte Sicherheitsvorkehrungen bleiben erhalten“) bewertet.

Im Mittelpunkt des Vorfalls steht der sogenannte Wasserabscheider, der sich beim Betrieb des Reaktors oberhalb der Brennelemente befindet. Die Vorrichtung soll aus dem aussteigenden Dampf, der zur Stromerzeugung zur Turbine geleitet wird, Wassertropfen entfernen.

Während der Jahresrevision im September 2018, so berichtet das Ensi, sei der Wasserabscheider ausgebaut und in dem speziell dafür eingerichteten Lagerbecken innerhalb der Reaktorkuppel abgestellt worden. Weil der Wasserabscheider radioaktiv strahlt, muss er durch Wasser abgeschirmt werden. Jedoch, so das Ensi: „Aufgrund der fehlerhaften Bedienung einer Armatur für dieses Lagerbecken versagte eine Dichtung teilweise. Dies führte dazu, dass der Wasserspiegel im Wasserabscheider-Lagerbecken absank und dadurch die Abschirmung der Strahlung durch das Wasser abgeschwächt wurde.“

Die Ortsdosisleistung der Direktstrahlung am Beckenrand sei daraufhin von 0,06 Millisievert pro Stunde auf zwei Millisievert pro Stunde gestiegen. Unzulässige Belastungen sollen sich dabei aber nicht ergeben haben: „Bei dem Vorkommnis wurde weder Aktivität in die Umgebung des Kernkraftwerks freigesetzt noch wurden Dosisgrenzwerte für das beruflich strahlenexponierte Personal überschritten.“ Auch das KKL erklärte: „Die erlaubten Grenzwerte wurden jederzeit eingehalten.“

Das könnte Sie auch interessieren

Während das Werk selbst das Vorkommnis mit O auf der Ereignisskale bewertete, stufte das Ensi den Zwischenfall mit 1 ein. Die Aufsichtsbehörde: "Die Gründe für die Höherstufung durch das Ensi liegen im Auftreten mehrfacher menschlicher Fehler im gesamten Arbeitsprozess des KKL. Das KKL ist von seinen eigenen betrieblichen Vorgaben und Standards abgewichen und hat die Qualitätssicherung seiner Arbeiten teilweise versäumt.“ Verbunden mit dieser Einschätzung ist, vor dem Hintergrund wiederholter Unregelmäßigkeiten, deutliche Kritik an der Sicherheitskultur des Atomkraftwerks. Das Ensi: „Das Vorkommnis zeigt weiter, dass die Maßnahmen, abgeleitet aus der Ursachenanalyse von vorangegangenen menschlichen Fehlern, für die vom Vorkommnis betroffenen Arbeits- und Organisationsbereiche keine Wirkung hatten.“

Das Ensi hat nun zwei zwei Forderungen an das KKL gestellt: „Zum einen muss das KKL dieses Vorkommnis analysieren und darlegen, warum die bisher getroffenen Maßnahmen keine Wirkung gezeigt haben. Gestützt auf diese Erkenntnisse muss es seine Maßnahmen gegebenenfalls anpassen. Zum anderen muss das KKL prüfen, warum ein Dosisleistungsmessgerät kein akustisches Warnsignal aufwies und welche Bedeutung das fehlende Signal für den Ablauf des Vorkommnisses hatte.“

Nach der Panne mit den Messgeräten im KKL, die im Januar vom Ensi und vom Werk selbst gemeldet wurde, hatten Umweltverbände und Politiker mit Besorgnis und Kritik reagiert.