Susann Klatt-D'Souza und Kai Oldenburg
Herr Wütz, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Wie werden Sie den Tag heute feiern?

Danke! Der Tag wird im Kreis der Familie gefeiert, aber auch Freunde und Weggefährten kommen.
 

Vor genau zehn Jahren haben Sie Ihr Amt als Landrat, das sie 26 Jahre ausgeübt haben, niedergelegt und sich in den Ruhestand verabschiedet. Wie sieht Ihr Tag heute aus?

Ich hatte mich damals ja nicht ganz zurückgezogen. Ich war noch drei Jahre Vorsitzender des Regionalverbandes, ich war Vorsitzender des Naturparks Südschwarzwald, und ich habe ganz neu in Berlin ehrenamtlich als Berater beim Deutschen Landkreistag angefangen. Außerdem habe ich auch noch drei Jahre als Anwalt gearbeitet. Ich hatte nach meinem Beruf als Landrat also noch eine 40 Stunden Woche, aber immerhin keine 80 Stunden pro Woche mehr (lacht). Ich denke, das war aber der richtige Weg, nicht gleich komplett meine Tätigkeit herunterzuschrauben. Nach drei Jahren musste ich mir dann aber selber sagen, dass das nicht ewig so weitergehen kann. Erst dann habe ich mich langsam zurückgezogen. Heute bin ich noch Beisitzer in der Kommunalpolitischen Vereinigung und im CDU-Kreisvorstand. Und dann kamen ja auch nacheinander meine Enkel dazu, um die wir uns gerne kümmern.
 

Bei einer 80 Stunden Woche hatten Sie damals nicht viel Zeit für Ihre Frau. Haben Sie das mit Ihrem Ruhestand nachgeholt?

Ja, wir sind von Anfang an viel gereist und haben die Zeit miteinander genossen. Wir waren oft in Italien wie auf Sizilien, Kalabrien, Apulien, in Israel, Andalusien, St. Petersburg und in einigen europäischen Hauptstädten. In diesem Jahr werden wir noch nach Portugal reisen.
 

Werden Sie heute noch um Rat von Politik-Kollegen gefragt, beispielsweise zum Fluglärm-Staatsvertrag?

Gelegentlich. Zum Staatsvertrag habe ich mich geäußert. Was jetzt passiert, weiß ich nicht. Ich bin mittlerweile seit zehn Jahren weg, da kann und will ich nichts mehr machen; das ist ein so komplexes Thema, das es mir sogar gesundheitliche Probleme bereitet hat.
 

Haben Sie das Gefühl, dass dieses Thema Gehör in Berlin findet?

Ich hatte mir damals eine Strategie zurechtgelegt und hatte mit dem zuständigen Referatsleiter ein persönlich sehr gutes Verhältnis. Ich habe natürlich versucht, das Beste herauszuholen. Ich denke, dass das was jetzt gilt, gegenüber dem, was hätte kommen können, ein großer Fortschritt war. Man darf nicht unterschätzen, dass es lange Zeiten gibt, in denen keine Anflüge stattfinden.
 

Hat Südbaden eine Chance, vom Fluglärm entlastet zu werden?

Das ist zwar schwierig. Dafür muss man die Grundkonstellationen sehen: Die Schweiz, die befreundet ist mit Deutschland, und dann die Swiss, die eine hundertprozentige Tochter der deutschen Lufthansa ist. Es ist aber umso wichtiger, alles, was möglich ist, zu tun, um unsere berechtigten Belange durchzusetzen.


Vor zehn Jahren haben Sie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für Ihr soziales Engagement verliehen bekommen.

Der soziale Bereich war mir als Landrat, aber auch in anderen Funktionen, immer sehr wichtig. Ich war 20 Jahre lang ehrenamtlicher Vorsitzender des Kreisverbandes Waldshut des Deutschen Roten Kreuzes, zehn Vorsitzender des Landeswohlfahrtsverbandes Baden, aber auch unter anderem 30 Jahre lang ehrenamtlicher Vorsitzender des Regionalverbands Hochrhein-Bodensee, 20 Jahre Vorsitzender unseres kommunalen Rechenzentrums, zehn Jahre Vorsitzender der Datenzentrale Baden-Württemberg, ich habe zusammen mit dem damaligen Aargauer Regierungsrat Dr. Thomas Pfisterer die grenzüberschreitende Hochrhein-Kommission gegründet. Wenn ich da die ehrenamtlichen Stunden zusammenzähle, dann waren das schon einige.
 

Können Sie drei großer Erfolge Ihrer Amtszeit nennen?

Das zweite Gleis auf der Strecke Basel – Waldshut, durch das wir heute überhaupt erst über die Elektrifizierung der Hochrhein-Strecke reden können. Dann haben wir sehr viel für die Schulen getan. Das Letzte war die Justus-von Liebig-Schule, die die erste Energiesparschule Deutschlands ist. Auch die Kultur war mir immer sehr wichtig. Für einen ländlichen Raum bin ich heute noch stolz auf unser Angebot. Was mich auch gefreut hat, war die Einrichtung der Jugendmusikschule oder die Förderung des Kollegs St. Blasien, die immer wieder diskutiert wurden.
 

Ein Thema über niemand so gerne spricht, aber nicht minder wichtig ist, ist die Müllentsorgung. Auch hier haben Sie einen eher ungewöhnlichen Weg eingeschlagen.

Wir hatten damals nur den Lachengraben bei Wehr als Deponie, und ich habe den Vorschlag bekommen, weitere Deponiestandorte zu suchen beziehungsweise eine Müllverbrennung einzurichten. Ich war dann in jeder Gemeinde, die in Frage kam. Die Gemeinden waren natürlich alles andere als begeistert. Thomas Pfisterer war damals Regierungsrat für Bau und Umwelt im Kanton Aargau und auch zuständig für die Müllverbrennung. Er schlug mir vor, dass wir unseren Müll dort entsorgen können. Dann haben wir alles besichtigt und tatsächlich kam es in den 90er Jahren zu einem Vertrag mit dem Landkreis Waldshut, der bis zum heutigen Tag Bestand hat. Ein Teil unseres Mülls wird bis heute in Turgi verbrannt und der andere Teil in Zürich. Weiter habe ich das Notarztsystem auf neue Füße gestellt. Es war ein zäher Kampf mit den Kassen.
 

Es gibt eine große Sache im Landkreis, die vermutlich auch in der Amtszeit des aktuellen Landrates nicht umgesetzt werden kann – die A 98. Ein Dauerbrenner am Hochrhein, der im Grunde mehr stockt, auch wenn die A 98 mittlerweile im Bundesverkehrswegeplan im vordringlichen Bedarf ist. Aber im Grunde gibt es nirgendwo eine Trasse.

Die Trasse hat man zu lange nicht einheitlich vertreten. Die Parteien im Kreis waren sich nicht einig. Eines Abends habe ich im Fernsehen gesehen, dass ein Kommunalpolitiker drei neue Trassenmöglichkeiten aufgezeigt hat. Es ist ganz klar, dass jeder die Variante haben möchte, die ihm am wenigsten Nachteile bringt. Zudem ist die Trassenführung in Waldshut immer noch ungeklärt. Ich glaube, dass wir die bisherige Entwicklung zu einem großen Teil selbst zu vertreten haben, gleichwohl hätte die Regierung in Berlin sagen müssen, dass die A 98 aus gesamtverkehrswirtschaftlichen Gründen erforderlich ist. Wir haben keine Ost-West-Verbindung südlich von Karlsruhe – Stuttgart. Die Aufnahme der A 98 in den Bundesverkehrswegeplan ist zwar kein Allheilmittel, aber eine Chance.
 

Ein weiteres großes Thema ist die Zukunft der Spitäler Hochrhein. Geht der Plan auf, ein Krankenhaus mit zwei Standorten zu verwirklichen oder ist ein Zentralkrankenhaus doch die einzige Option?

Man muss sehen, dass man eine gewisse Größenordnung benötigt. Ob man das mit einem Zentralkrankenhaus oder mit einem Krankenhaus an zwei Standorten umsetzen kann, ist die Frage. Wir müssen aufpassen, weil wir von der Einwohnerzahl her eher an der unteren Grenze für ein Krankenhaus liegen.
 

Was halten Sie davon, den Landrat vom Volk wählen zu lassen

Das ist ja überall bis auf Baden-Württemberg und Thüringen der Fall. Aber ich würde an unserem System festhalten, weil man die fachliche Komponente nicht unterschätzen sollte. Ich hätte nicht ohne meine Ausbildung und Verwaltungserfahrung das Amt übernehmen wollen. Natürlich kann es anders funktionieren, aber dann braucht man gute, engagierte Mitarbeiter/-innen, auf die man sich verlassen kann, und deren Leistungen vom Chef geschätzt werden. Ich habe sie in hervorragender Qualität gehabt.
 

Sie sind gebürtiger Schwabe. Fühlen Sie sich als Badener oder noch als Schwabe?

Ich würde den Unterschied nicht machen. Ich bin Baden-Württemberger. Ich bin in Rottenburg am Neckar aufgewachsen, habe dort Abitur gemacht, das Erste, das dort stattgefunden hat. Mein Deutschlehrer war damals übrigens Hellmuth Karasek. Jetzt leben wir fast 40 Jahre im Badischen, fühlen uns wohl, haben viele Freunde und nette Nachbarn; kurz: Wir sind in Waldshut-Tiengen zuhause.
 

Wo sehen Sie den Landkreis Waldshut in 20 Jahren?

Der Ausbau der Infrastruktur, insbesondere im Bereich der Digitalisierung ist von entscheidender Bedeutung, auch für die wichtige Ansiedlung beziehungsweise Erhaltung von Betrieben im ländlichen Raum. Gut wäre, wenn sich etwas im Bereich Hochschule tun würde. Der Kreis muss seine touristischen Möglichkeiten weiter nutzen. Ich bin sehr dafür, dass die Chancen des neuen UNESCO-Biosphärengebiets genutzt werden. Die Entwicklung der Landwirtschaft bedarf intensiver Unterstützung. Eine gute Nachbarschaft zur Schweiz bleibt für beide Seiten vorteilhaft.

Was unsern Landkreis besonders auszeichnet, ist das großartige ehrenamtliche Engagement der Bürger, das für eine positive Atmosphäre sorgt. Ich habe es als Landrat immer wieder aus Überzeugung gewürdigt. Ich sehe unseren Landkreis auf einem guten Weg und wünsche allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, dass sie sich weiterhin wohlfühlen.
 

Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft?

Dass meine Familie und ich gesund bleiben. Für die zurückliegenden 75 Jahre bin ich sehr dankbar.
 

Fragen: Susann Klatt-D‘Souza und Kai Oldenburg

.Lesen Sie hier, was die Kreistagskollegen vor zehn Jahren zum Abschied von Bernhard Wütz gesagt haben.


Zur Person

Bernhard Wütz wurde am 13. August 1941 geboren und ist in Rottenburg am Neckar aufgewachsen. Heute lebt er mit seiner Frau in Tiengen, mit der er drei Kinder hat. Er studierte Jura und war zunächst als wissenschaftlicher Assistent tätig. Schon zu Beginn der 70er Jahre orientierte er sich dann aber Richtung Verwaltung. In diesem Teil seiner Laufbahn war Wütz schon von 1970 bis 1972 im Landratsamt Waldshut tätig. 1972 wurde er Referent im Innenministerium Baden-Württemberg und rechte Hand des damaligen Innenministers Lothar Späth. Dann wechselte er als Abteilungsleiter ins Staatsministerium. Bernhard Wütz war vom 1. Januar 1980 bis 31. August 2006 Landrat in Waldshut. Von 1980 bis 2009 war er auch Vorsitzender des Regionalverbandes Hochrhein-Bodensee.