„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, zitierte der Künstler und Initiator des Projekts Stolpersteine, Gunter Demnig, einen Satz aus dem Talmud, einem der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums. Dies gilt für jeden Menschen.
82 Jahre nach ihrer Ermordung ist Creszentia Blatter und das Unrecht an ihr in Birkendorf und in der Familie nicht vergessen. Am Donnerstag, 23. Juni, verlegte Gunter Demnig an der Stelle ihrer letzten frei gewählten Wohnstätte in Birkendorf einen Stolperstein.

Die kleine bündig in den Gehweg eingelassene Gedenktafel aus Messing mit dem Namen Creszentia Blatter und der Daten erinnert an das Schicksal der damals 29-Jährigen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung ermordet wurde.
Bürgermeister Tobias Gantert ging auf die Bedeutung des Stolpersteins ein und dankte dem Künstler, dass er den Weg nach Birkendorf auf sich genommen hat. Sein Dank galt weiter Josef Kaiser für die Initiative und Hintergrund-Recherchen mit dem Text für die Gedenktafel.

Zahlreiche Familienangehörige aus Nah und Fern waren gekommen, um an der Gedenkstunde teilzunehmen. Gemeinde- und Ortschaftsräte sowie interessierte Bürger aus der Gemeinde und Umgebung nahmen an der besonderen Aktion teil.
Josef Kaiser enthüllte die Tafel mit der Kurzfassung des Schicksals der damals 29-jährigen Birkendorferin. Das Haus rechts neben der Kirche, in dem Creszentia Blatter als 14. Kind geboren und aufgewachsen war, gibt es seit 1971 nicht mehr.
In einer bewegenden Ansprache ging Ruth Großhans auf das Schicksal ihrer Tante ein. Ihr Vater Leopold war der Bruder von Creszentia Blatter. Von ihm erfuhren sie und ihre Geschwister viel über „Cresenz“, die sie nicht kennengelernt haben. Wegen ihrer Eigenart seien Creszentia und ihre Schwester Frieda von der Mutter besonders behütet und gefördert worden.

Die Mutter (Großmutter) musste ihre Kinder allein „durchbringen“. Der Vater verstarb, als Creszentia vier Monate und der Bruder Leopold nicht mal zwei Jahre alt war. Obwohl nur wenig älter, habe er oft auf seine Schwester Cresenz aufgepasst. Die Schwester Frieda mit der gleichen psychischen Krankheit hatte mehr Glück als Cresenz. Mit Hilfe des Arztes in der Heilanstalt, der menschlich handelte, konnte Frieda vor dem Zugriff der Nazis gerettet werden, weil er sie immer wieder als gesund entließ.
Unrecht belastet die Familie
„Jetzt kehrt Creszentia in gewisser Weise an den Ort zurück, wo sie gelebt hat und wo sie geliebt wurde, so wie sie war“, betonte Ruth Großhans. Auch die jüngste Tochter von Leopold Blatter, Brigitte, ging kurz im Gedenken an ihre Tante darauf ein, was dieses Unrecht für die Familie bedeutete. Der Verlust der Tante lastete auf der Familie und blieb wie ein Stachel in deren Gedächtnis und dem vieler Birkendorfer. Sie legte neben der Gedenktafel ein Blumengebinde nieder.

„Nie wieder darf das passieren“, sagte die stellvertretende Ortsvorsteherin Cornelia Ziller: „Trotz allem gibt es wieder Krieg mit vielen Opfern und Gräueltaten auf europäischem Boden.“ Im Anschluss konnten sich die Anwesenden bei Kaffee und Kuchen noch einmal gegenseitig austauschen.