Frau Zolg, Sie kamen als Erzieherin 1967 nach Birkendorf. Wie fanden Sie Kontakt in die Pfarrgemeinde?

Es gehörte im Kinderheim selbstverständlich dazu, am Sonntag mit den Kindern in die Kirche zu gehen. Evangelische Kinder wurden zum Gottesdienst in Ühlingen abgeholt und mit den katholischen marschierten wir um 9 Uhr zur Kirche ins Dorf. Dadurch und durch meinen Mann lernte ich die Birkendorfer schnell kennen.

Wenn Sie zurückschauen, wie kamen sie zu Ihrem Glauben?

Ein wichtiger Faktor war, dass ich als Jugendliche offene und freundliche Pfarrer erlebt habe, die mich für die Kirche begeistern konnten. Gläubig geprägt bin ich vom Elternhaus. Meine Mutter war sehr gläubig, mein Vater eher kritisch und bemängelte auch manches in der Kirche. Ich denke, das war eine gute Mischung für meine Entwicklung. In meinem Heimatort Theilheim war ich in der Jugendarbeit aktiv. Der Kontakt zur Kirche ist nie abgebrochen.

Sie haben in den vergangenen vier Jahrzehnten viele Etappen in unserer Pfarrgemeinde gemeistert. Was war Ihr Antrieb für dieses Engagement?

Antrieb war für mich unter anderem die pastorale Initiative des Erzbistums Freiburg „Miteinander Kirche sein – für die Welt von heute“ unter Erzbischof Oskar Saier, die mich inspirierte.

1977 wurde die KFD Birkendorf gegründet. Ging die Initiative von Ihnen aus?

Es war Pfarrer Maier, der eine Versammlung im Gasthaus „Birke“ für Frauen einberufen hatte. Nach seinen Ausführungen über die Aktivitäten der Katholischen Frauen (KFD) war man der Meinung, dass eine KFD für Birkendorf gut wäre. Der Pfarrer bestimmte spontan, dass jede der 30 Anwesenden drei Namen auf einen Zettel schreiben sollte.

Diejenige, die am meisten auf den Zetteln stand, sollte Vorsitzende sein. Diese Art Wahl fand ich lustig. Über den großen Vertrauensbeweis als Zugezogene die meisten Stimmen zu bekommen, habe ich mich gefreut und so wurde ich erste Vorsitzende und blieb es 20 Jahre. Bis heute bin ich in der Vorstandschaft aktiv.

Frauen fordern immer wieder mehr Einfluss in der katholischen Kirche. Wie sehen Sie die Situation?

Ich fand es schon als Jugendliche ungerecht und diskriminierend, dass Mädchen nicht Ministranten sein durften und Frauen am Altar so gut wie ausgeschlossen waren. Vieles hat sich inzwischen geändert. Irgendwann habe ich den Entschluss gefasst, dass alles, was in dieser männerdominierten Kirche für Frauen möglich ist, will ich tun.

Was war alles möglich?

Ich war die erste weibliche Vorsitzende im Pfarrgemeinderat Birkendorf. Auf Diözesanebene besuchte ich die erste Fortbildung der KFD, danach Liturgiekurse und einen Pastoralkurs mit anschließender Abschlussprüfung. Unter anderem absolvierte ich einen Kurs für die Leitung von Wort-Gottesdiensten, Seminare, den theologischen Kurs Freiburg und Schulungen für Liturgie und Katechese.

Drei Frauen sind in Birkendorf Leiterinnen von Wortgottesdiensten. So ist es möglich, jeden Sonntag einen Gottesdienst anzubieten, wenn ...
Drei Frauen sind in Birkendorf Leiterinnen von Wortgottesdiensten. So ist es möglich, jeden Sonntag einen Gottesdienst anzubieten, wenn der Pfarrer der Seelsorgeeinheit Oberes Schlüchttal in einer anderen Pfarrgemeinde die Heilige Messe hält. Von links: Barbara Bulai, Simone Kempkes und Aurelia Zolg. | Bild: Ursula Ortlieb

Inspiriert war ich vor allem durch das zweite Vatikanische Konzil. Bei der Würzburger Synode saßen zum ersten Mal Laien und Bischöfe an einem Tisch, um über die Zukunft der Kirche sprechen. Man erlebte Aufbruch und Begeisterung für Glauben und Kirche.

Sie waren damals noch junge Mutter von fünf Kindern. Wie ging das?

Ich hatte Unterstützung von meinem Mann und meiner Familie. Gute Organisation war notwendig. Oft vertiefte ich mich nachts in die Unterlagen.

Sie wurden Religionspädagogin. War eine zusätzliche Ausbildung nötig?

Ich absolvierte den religionspädagogischen Fernkurs Würzburg. 2000 wurde ich Religionslehrerin und unterrichtete an den Schulen in Birkendorf, Ühlingen und Stühlingen.

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Sie leiten seit vielen Jahren Wortgottesdienste. Werden Sie als Frau von den Gläubigen akzeptiert?

Zuerst hatte ich Zweifel, ob vor allem am Sonntag Gottesdienste ohne Priester angenommen werden. Dem Priestermangel musste ja etwas entgegengesetzt werden. Heute ist es selbstverständlich, dass Frauen Wortgottesdienste auch mit Kommunionfeiern leiten. Seit letztem Jahr sind wir drei Leiterinnen von Gottesdiensten. Wir können jeden Sonntag einen Gottesdienst anbieten und bekommen positive Rückmeldungen, die uns bestärken.

Seit 2013 unterstützen Sie das Seelsorgeteam ehrenamtlich als Beerdigungsbeauftragte. Die Bestattungen leiten Sie im liturgischen Gewand. Wie kam es dazu und wie ist es organisiert?

Pfarrer Thomas Fritz hatte mich damals zum Besuch eines Seminars bestärkt, damit ich diese Aufgabe übernehme. Wochenweise bin ich eingeteilt, abwechselnd mit Pfarrer Christoph Eichkorn und Gemeindereferentin Martina Knöpfel-Lüssem. Wenn eine Heilige Messe gewünscht wird, hält der Pfarrer oder ein Vertreter die Messe und ich leite die Bestattung.

Aurelia Zolg leitet seit 2013 im Wechsel mit Pfarrer und Gemeindereferentin ehrenamtlich Bestattungen in der Seelsorgeeinheit Oberes ...
Aurelia Zolg leitet seit 2013 im Wechsel mit Pfarrer und Gemeindereferentin ehrenamtlich Bestattungen in der Seelsorgeeinheit Oberes Schlüchttal. Das Bild zeigt die Bestattung von Ehrenmitglied der Freiwilligen Feuerwehr, Karl Kraus, im September. | Bild: Ursula Ortlieb

Haben Sie mal überlegt, auch freie Beerdigungen gegen Bezahlung zu machen?

Das kam für mich nicht infrage, weil ich mich bewusst für die Kirche entschieden habe. Auch eine Anfrage als Kandidatin für den Gemeinderat hatte ich früh abgelehnt, weil ich diesen Weg in der Kirche gehen wollte.

Angesichts der vielen, die der Kirche den Rücken kehren. Belastet Sie das?

Es belastet mich schon. Ich finde es schade, dass wegen der schlimmen Missbrauchsfälle Vertrauen zerstört wurde. Was den Opfern in der Kirche passiert ist, finde ich furchtbar. Leider wird dadurch das Gute, das durch die Kirche geschieht, zu wenig gesehen.

Welches sind Ihre schönsten Erlebnisse und welches die schwersten?

Es gibt unzählige schöne Erlebnisse. Viele Gottesdienste, die ich zusammen mit meinem Mann als Kirchenchorleiter gestalten durfte, bleiben unvergessen. Auch Aktionen als Dekanatsratsvorsitzende im Dekanat Wutachtal, das aufgelöst wurde, waren schön, wie die Nacht der offenen Kirchentüren oder das Bibelwandern von Pfarrei zu Pfarrei, die Krippenfeiern mit vollbesetzter Kirche und viele Begegnungen, an die ich mich gerne erinnere.

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Die schwerste Stunde war die Bestattung einer sehr guten Freundin, die mir sehr nahestand. Das hat mich viel Kraft gekostet. Aber ich bin froh, dass ich sie bis zum Schluss auch auf diesem Weg der Beerdigung aktiv begleiten und mich so verabschieden durfte.