Eine große Schar Zuhörer folgte der Einladung des CDU-Gemeindeverbandes Ühlingen-Birkendorf zum Vortrag von Konrad Schlude über die Zeit der Evakuierung des Jestetter Zipfels 1945. Die Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Gabriele Schmidt sprach in ihrer Einführung über das derzeit beherrschende Thema Flüchtlinge. Sie wies darauf hin, dass Menschen schon aus verschiedensten Gründen auf der Flucht waren und sind – unter anderem wegen Klimaveränderungen, Hunger, Perspektivlosigkeit, Vertreibung oder Kriegen.
Über die besondere Art der Flucht, die Evakuierung der Dörfer Jestetten, Lottstetten und Altenburg sprach Konrad Schlude, dessen Großeltern ebenfalls zu den 3500 Vertriebenen gehört hatten. Schlude hat sich intensiv mit diesem Teil der Jestetter Geschichte beschäftigt. Am Abend des 14. Mai 1945 kam der Befehl der französischen Armeeverwaltung, dass die Dörfer bis zum anderen Morgen mit wenigen Ausnahmen geräumt sein müssen. Ohne zu wissen, wohin die Flucht führt und wie lange die Evakuierung dauern würde, zog ein langer Treck über den Klettgau bis in die Region von Weilheim und Birkendorf. Ein Schwerpunkt mit rund 700 Jestettern war Ühlingen, wo die vertriebenen Menschen mit ihrem Vieh und ihren Habseligkeiten in den Familien und Bauernhöfen zwangseingewiesen wurden. Die Schwierigkeiten waren groß, schließlich war nach mehr als sechs Jahren Krieg niemand mehr mit Reichtum gesegnet.
Ausserdem musste das Dorf rund 200 französische Armeeangehörige verpflegen, die ebenfalls im Ort waren. „Das sind wohl größere Probleme im Vergleich zu heute, wo die Gemeinde bei über 5000 Einwohnern in Frieden und Wohlstand gerade mal 80 Flüchtlinge beherbergt“, so die Vorsitzende. Viele der Zuhörer hatten persönliche Erinnerungen und tauschten einige Geschichten aus. So wurde erzählt, dass man ein letztes Fässchen guten Weines noch in der Nacht selbst verköstigte, weil man es nicht den Franzosen in die Hände fallen lassen wollte. Es gab mehrere schnelle Heiraten in der Nacht, darunter zwei junge Leute „in Küchenschürze und kurzen Hosen“, wie eine Teilnehmerin von ihren Eltern berichtete. Schlude brachte einige Chroniken und ein Modell des Heiligen Konrad mit, zu dessen Ehren die glücklichen Rückkehrer eine Kapelle bauen wollten. Das Dankeschön des CDU-Gemeindeverbandes für den Referenten war die DVD des Jubiläumsjahres „1200 Jahre Ühlingen“. Ortsvorstehers Klaus Müller konnte die Geschichte aus Ühlinger Sicht ergänzen.
Das Publikum setzte sich aus allen Altersklassen zusammen. Der große Zuspruch und die regen Fragen zeigten, dass auch geschichtliche Themen auf großes Interesse stoßen können.