Im Kloster Stühlingen wurde am Sonntag Abschied gefeiert. Die Kapuzinerbrüder, die zum Jahresende Stühlingen verlassen, hatten zum Kaffeenachmittag und zum Abendessen eingeladen. Außerdem wurde ein Gottesdienst gefeiert. Zelebriert wurde dieser vom Oberhaupt der Deutschen Kapuzinerprovinz, Bruder Helmut Rakowski, der seit Juni im Amt als sogenannter Provinzial ist.
Rakowski erklärte: „Stühlingen war in besonderer Weise ein offener Ort. Diese Offenheit hat die Brüder und Schwestern in der Gemeinschaft vor Ort geprägt, aber auch den Geist der Provinz.“ Die musikalische Umrahmung des Gottesdienstes gestalteten der Kirchenchor Stühlingen und Organist Tim Fischer aus Weizen.

Bruder Laurentius, der elf Jahre das Kloster Stühlingen geleitet und dort das erfolgreiche Projekt „Kloster zum Mitleben“ ins Leben gerufen hatte, betonte das Alleinstellungsmerkmal, welches das Kloster zum Mitleben bedeutete: „Wo kannst du im Kloster eine ganze Woche lang mitleben, mitbeten, arbeiten, essen.“
Er war in seinem zwölften Jahr im Kloster, konnte sich also nicht wehren, als er damals versetzt wurde. „Wir Brüder sollten eigentlich nicht mehr als sechs Jahre an einem Ort sein“, erzählte er.
Die Wehmut plagte an diesem Tag nicht nur ihn, sondern alle Besucher: „Man kann die Realität auch nicht schön reden, dass wir älter und weniger werden, insgesamt in allen Gemeinschaften. Wir müssen uns von den Häusern trennen. Das sind die Hauptgründe, die die Gesamtgemeinschaft bewegt hat zu dieser Entscheidung“, erklärte Bruder Laurentius, der mittlerweile in Münster wirkt.
Der Konvent in Ingolstadt wird demnächst aufgelöst, und in Zell am Harmersbach muss der Konvent wahrscheinlich ebenfalls aufgelöst werden. „Uns fehlt auch zunehmend das Führungspersonal“, nannte der Kapuzinermönch einen weiteren Grund für die Schließungen. „Was die Brüder und Schwestern hier in Stühlingen geleistet haben, was Stühlingen alleine im deutschsprachigen Sprachraum bedeutet“, sei bemerkenswert. „Es ist schade, dass es nicht mehr weiter Menschen auf der Suche zugutekommt“, sagte er über das Kloster.

Drei der vier Brüder befanden sich in Corona-Quarantäne. Lediglich der Leiter, Bruder Harald Weber, konnte sich gebührend verabschieden. Beim Gottesdienst erfreute er die sehr zahlreichen Besucher mit Gesang. Am Samstag, 22. Oktober, ist Abschluss der Reihe „Musik im Kloster“ mit Sängerin Sabrina Blatter aus Eberfingen und Organist Tim Fischer aus Weizen. Intern feiert Bruder Jürgen am Sonntag seinen 75. Geburtstag.
So geht es für die Kapuzinerbrüder weiter
Der Leiter des Kapuzinerklosters Stühlingen Bruder Harald Weber hätte sich mehr Zeit gewünscht für den Abschied: „Mit mehr Zeit hätte man hier noch mal einen Besuch machen und da noch einen Kaffee trinken können, es wäre anders gewesen.“ Er wird als erster der vier Brüder abreisen, da ab November bereits Aufgaben im Leitungsgremium des Ordens in Münster auf ihn warten.
Bis Ende des Jahres bleibt Bruder Stephan Schweitzer in Stühlingen, zelebriert Gottesdienste und leitet die Auf- und Ausräumarbeiten. Die Möbel und Geräte werden innerhalb der Deutschen Kapuzinerprovinz verteilt: „Wahrscheinlich kommt ein Großteil in die Ukraine, wo ein Bruder von uns Projekte unterstützt“, erklärte Bruder Harald Weber. „Das ist grad für die Brüder, die hier viel Arbeit und Zeit gesteckt haben, wichtig zu wissen, dass es dorthin gebracht wird, wo es nützlich ist.“ Außerdem bestehe in Albanien Interesse.

Am Sonntag waren Kapuzinerbrüder und Franziskanerinnen vom Kloster Reute in Oberschwaben da, um Abschied zu nehmen vom Kloster Stühlingen und der Zeit, in der sie selbst hier gelebt hatten.
Christen aus der Region bis nach Konstanz waren ebenfalls gekommen. Manche nahmen vom Kloster Abschied, die meisten aber kamen wegen der Begegnung mit den Brüdern. Außerdem waren viele Helfer vor Ort, die sich um die Kaffeestube und das Essen kümmerten.
Das sagen frühere Klosterbesucher
Ihr zweites Zuhause nennt Susanne Richter aus Donaueschingen das Kloster Stühlingen. Als Gast zum Mitleben habe sie viele schöne Stunden dort verbracht und half nun auch beim Auf- und Ausräumen in der letzten Woche des Projekts. Sie sagte: „Es ist nicht wie Urlaub, der Rhythmus gibt einem einen Rhythmus für sich selbst.“

Auch Peter Weierich aus Erlangen bei Nürnberg war in 35 Jahren zehnmal als Gast hier, er kam bewusst zum Aufräumen in der letzten Woche: „Weil das einzigartig ist, dass sowohl die Gemeinschaft im Haus gemischtgeschlechtlich ist, als auch die Gäste. Viele Häuser haben nur Männer oder nur Frauen, so ist es natürlich viel belebender“, sagte er über das Projekt.
Am meisten mitgenommen habe er von den Gästewochen im Kloster zum Mitleben die regelmäßigen Zeiten und die vielen Gespräche. „Das Ankommen war für mich beim zweiten Mal schon ein Stück Heimat, ich bin in mein Zimmer an den Schreibtisch und habe sofort gemerkt, alles ist abgefallen, ich war da.“ Die persönlichen Geschichten und Erlebnisse verbindet er mit dem Gebäude und erinnert sich an den Umbau der Badezimmer. „Ich kann aber verstehen, dass es nicht mehr geht, mit aller Trauer“, fügte Peter Weierich hinzu.

Das evangelische Pfarrerehepaar Nikischin aus Konstanz versteht das Auflösen und Abschiednehmen als Teil des Kirchenlebens. Susanne Nikischin freute sich darüber, dass die Gäste zum Mitleben einen Schnitt der Gesellschaft darstellten: „Es hat keine Rolle gespielt, wer aus welcher Kirche kommt. Das war nicht wichtig, das finde ich sehr positiv.“

Ortsvorsteher David Geng aus Bettmaringen war mit seiner Familie da: „Weil das Kloster für uns in Stühlingen und der Region doch sehr markant gewesen ist und auch immer präsent gewesen ist. Sei es von der Lage, aber auch von der Präsenz, die die Brüder immer in den Gottesdiensten gezeigt haben. Und ich finde es sehr schade, dass das Klosterleben jetzt abrupt beendet wird in Stühlingen. Schade, dass sie gehen.“

Erzieherin Claudia Verna aus Erzingen nutzte ebenfalls die Gelegenheit, sich das Kloster anzuschauen.