André Hönig

Als das Wasser am Samstag in seiner ganzen Mächtigkeit kam, schien es von überall her zu kommen, so schnell stiegen die Fluten“: So beschreibt Bernhard Springmann, mittlerweile pensionierter Tiefbauamtsleiter der Stadt Schopfheim, was am 20. Februar 1999 über Schopfheim hereinbrach – ein Jahrhunderthochwasser, das in die Schopfheimer Chronik einging und das noch heute, 20 Jahre danach, die Stadtpolitik beschäftigt.

Es war eine fiese Gemengelage, die buchstäblich den Boden für diese – wie es der damalige Bürgermeister Klaus Fleck formulierte – „Fast-Riesenkatastrophe“ bereitet hatte: Der Untergrund war nach zweistelligen Minusgraden knochenhart gefroren, die Temperaturen aber quasi über Nacht sprunghaft in den Plusbereich geschnellt. Es taute also, das Wasser konnte aber nur oberflächlich ablaufen.

Das Fass zum Überlaufen brachte etwas anders: sintflutartiger Regen, der nun einsetzte. Vom Vormittag des 19. Februar 1999 bis zum Morgen des 21. Februar fielen im Stadtgebiet 99,5 Liter pro Quadratmeter. Wetterbeobachter Karl Ganz ordnete diese Menge so ein: „Dies war in zwei Tagen mehr, als für den gesamten Monat zu erwarten war.“

Nachzulesen sind die Erinnerungen von Ganz, Springmann sowie vom damaligen Feuerwehrkommandanten Bernhard Schwöble im städtischen Jahrbuch 1999. Aus diesen Beiträgen geht hervor, dass die Stadtverwaltung bereits eine böse Vorahnung hatte. Tiefbauamtsleiter Springmann und seine Mitarbeiter hatten demnach diesen fiesen Mix aus Frost, Tauwetter und Regen mit gemischten Gefühlen beobachtet und vorsichtshalber die Bauhofmitarbeiter alarmiert. „Die große Wasserflut“ (Feuerwehrkommandant Bernhard Schwöble) aber, die dann hereinschwappte, war nicht aufzuhalten.

Kleine Bäche wie der Krebsbach oder Gresgerbach verwandelten sich zu reißenden Flüssen. „Wie ein unbändiges Tier tauchte der Gresgerbach im ganzen Tal auf“, beschreibt Springmann bildhaft die Naturgewalt. Von den Hängen des Entegasts schoss das Wasser herab, ergoss sich über die Landstraße zur Kleinen Wiese, schnitt Enkenstein vom Verkehr ab und überflutete Teile Langenaus. Vor allem die Inselstraße war betroffen. Aber auch in anderen Stadtteilen hieß es: Land unter. Das Fahrnauer Regenrückhaltebecken Kratten, das verhindern sollte, dass zuviel Wasser in den Schlierbach fließt, lief über – und so trat auch der Schlierbach über die Ufer. Teile des Wohngebiets Oberfeld samt der Sportstätten wurden daraufhin ebenfalls überflutet. Ebenso gab es im Bereich Stabhalter-Flury-Straße, Roggenbachstraße, Käppelemattweg, Belchenstraße und Himmelreichstraße Überschwemmungen – dazu in zahlreichen Seitenstraßen.

„Räume, die unter der Erdgleiche lagen, standen bis zu einem Meter und mehr unter Wasser“, berichtet Schwöble. Teile der B 317 standen unter Wasser, der Bahnverkehr war lahmgelegt, weil die Gleise unterspült waren. 286 Hilfskräfte von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, DRK, DLRG sowie städtische Mitarbeiter waren an jenem Wochenende unermüdlich im Einsatz. Gebäude wurden evakuiert, 36 Bewohner eines Hauses an der Langenauer Inselstraße mussten ihre Wohnungen verlassen und wurden vom DLRG mit dem Schlauchboot in Sicherheit gebracht. Keller wurden ausgepumpt, 5500 Sandsäcke gefüllt und aufgeschichtet.

Buchstäblich vom Regen in die Traufe war dabei die Feuerwehr geraten. Hatte sie doch gerade zwei Großeinsätze in den Knochen – erst am 17. Februar waren die Tennishalle und das Freizeitcenter abgebrannt, am Vorabend des Hochwassers brannte obendrein auch noch das Gasthaus Metropol. Kaum war dieser Einsatz beendet, war auch schon Hochwasseralarm ausgelöst. Wie sich hinterher herausstellte, ging der Schaden in die Millionen. Dennoch hatte die Stadt damals Glück. Bürgermeister Klaus Fleck wurde damals so zitiert: „Trotz Jahrhunderthochwasser sind wir knapp einer ganz großen Katastrophe entgangen.“ Allerdings sollten nur ein Jahr später weitere Hochwasserereignisse folgen. Starke Regenfälle verursachten zweimal kurz hintereinander Anfang Mai 2000 erst vor allem in Eichen (2. Mai) und dann im weiteren Stadtgebiet (8. Mai) erneut massive Schäden.

Damit sich so etwas nicht mehr wiederholt, erstellte die Stadt ein Hochwasserschutzkonzept. Rund 27 Millionen Euro flossen in Schutzvorkehrungen wie Rückhaltebecken, Entlastungskanäle und weitere Bauwerke. Aber auch für die Kleine Wiese wurden Überlegungen angestellt, eine Umsetzung allerdings steht bis heute aus. Die Folge: Hochwasser ist hier auch 20 Jahre danach immer noch eine Bedrohung – zuletzt verursachten Überflutungen in Langenau und Enkenstein am 11. November 2017 und am 23. Januar 2018 größere Schäden.

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